Thembisa Mkhosana, 36 Jahre alt und Mutter zweier Kinder sieht aus wie das, was man klischeehaft das 'blühende Leben' nennt. Eine selbstbewusste Frau mit vollem Gesicht, lachenden Augen und einem Gang, nach dem sich die Männer umdrehen. Dass sie seit gut zehn Jahren HIV-positiv ist, sieht man ihr nicht an. Und dass das so ist, verdankt sie den antiretroviralen Medikamenten, die sie seit fünf Jahren einnimmt. Thembisa Mkhosana ist das lebende Beispiel dafür, dass HIV nicht den sofortigen Tod bedeuten muss. Auch sie selbst hat diese Botschaft weitergetragen – als Aids-Aktivistin in den Kliniken ihres Heimatortes Khayelitsha, dem größten der Townships vor den Toren Kapstadts.
Seit drei Wochen tut sie das nicht mehr.
"Schon im Januar haben sich meine Blutwerte drastisch verschlechtert. Aber jetzt habe ich plötzlich Fieber und Schmerzen, selbst meine Stimme hat sich verändert. Ich mache mir große Sorgen."
Thembisa Mkhosana hat nicht einfach nur Fieber. Nach Jahren, in denen es ihr gut ging, ist die Aids-Krankheit nun ausgebrochen. Denn die Medikamente, die sie bisher genommen hat, wirken nicht mehr. Ihre Ärzte wissen, dass sie sterben wird. Und sie weiß es auch.
"Die Ärzte sagen, ich soll die Tabletten einfach weiternehmen. Andere gebe es nicht."
"Wir haben in Südafrika eine standardisierte Erstbehandlung. Im Falle einer Resistenz gibt es alternative Medikamente. Aber wer auch auf die nicht anspricht, für den gibt es keine Hoffnung mehr."
Das sagt Gilles van Cutsem, Programmdirektor der Organisation Ärzte ohne Grenzen, die in Khayelitsha eines der ältesten Aids-Programme Afrikas betreibt und damit an vorderster Front steht im Kampf gegen die Seuche.
Von seinem spartanisch eingerichteten Büro im zweiten Stock schaut van Cutsem auf einen kleinen Marktplatz und auf Hütten aus Holz und Pappe. Von früh bis spät dröhnt die Musik aus der Anlage des Gemüsehändlers durch das Bürofenster des Arztes. Jeder dritte Mensch, der dort unten über den Markt geht, trägt das HI-Virus in sich.
Für Ärzte ohne Grenzen hat das Aidsprogramm im Township Khayelitsha Modellcharakter und bietet so etwas wie einen Blick in die Zukunft Afrikas. Gerade hat die Organisation neue Daten erhoben. Thembisa Mkhosana ist Teil dieser Statistik.
"Innerhalb von fünf Jahren entwickeln 16 Prozent der Patienten Resistenzen gegenüber der Ersttherapie. Ein Viertel von denen verträgt nach weiteren zwei Jahren die Folgetherapie auch nicht mehr. Und wir können nichts tun, weil es eine wirksame Dritt-Therapie zwar gibt, aber nicht im öffentlichen Gesundheitssektor Südafrikas. Diese Medikamente sind hier nicht registriert, vor allem aber sind sie wahnsinnig teuer: rund 3000 US-Dollar pro Patient im Jahr – verglichen mit 80 US-Dollar für die Ersttherapie."
Diese Welle von Resistenzen – ironischerweise eine Folge gut funktionierender Aidsprogramme – rollt nun auch auf den Rest des Kontinents zu. Es bahnt sich eine Situation an, die es so vor rund zehn Jahren schon einmal gab, als die ersten Aidsmedikamente noch ein Vermögen kosteten und selbst Experten eine flächendeckende Behandlung in Afrika für utopisch hielten. Denn am Grundproblem hat sich nichts geändert:
Pharmaunternehmen lassen neue Medikamente patentieren und verkaufen sie zum höchstmöglichen Preis. Arme Afrikaner sind als Kunden uninteressant. Und so lassen sich die Konzerne alle Jahre wieder um Preissenkungen bitten und haben keine Eile mit der Zulassung ihrer Tabletten in Entwicklungsländern. Das bedeutet nicht nur den Tod vieler Patienten; es treibt auch die Kosten für die Aidsprogramme in die Höhe. Am Ende zahlt die internationale Gemeinschaft drauf, die diese Programme überwiegend finanziert. Der Westen aber ächzt unter der globalen Finanzkrise und hat zunehmend andere Sorgen als den Kampf gegen Aids in Afrika. Mit fatalen Folgen, sagt Gilles van Cutsem.
"Im Global Fund, dem großen Aids-Fonds der UNO, klafft ein riesiges Loch von drei Milliarden Dollar. Wir steuern hier auf eine Katastrophe zu, weil die reichen Länder ihre eigenen Versprechen nicht einhalten und nicht genug Geld einzahlen."
Was das bedeutet, ist bereits in sechs afrikanischen Ländern zu beobachten, sagt Eric Goemaere, Chef von Ärzte ohne Grenzen in Südafrika.
"Tansania hat dieses Jahr 25 Prozent weniger Geld für Aidsbekämpfung zur Verfügung als 2008. In Uganda nehmen viele Kliniken keine neuen Patienten mehr auf. Und Malawi fürchtet, ab Mitte des Monats auf Landesebene keine Tabletten mehr zu haben."
Und so schrumpfen die Budgets, während gleichzeitig die Kosten immer weiter steigen. Wenn jetzt vergleichsweise gut funktionierende Aidsprogramme bedroht sind, dann heißt das für die Zukunft: Mehr Tote. Mehr Tuberkulose-Infektionen, für die unbehandelte HIV-Infizierte besonders anfällig sind. Außerdem ein noch höheres Risiko, dass sich Resistenzen gegen bestehende Medikamente entwickeln. Und schließlich steht das Vertrauen der Patienten auf dem Spiel, das sich die Ärzte in Afrika so mühsam erarbeitet haben. Im globalen Kampf gegen Aids wäre das ein Rückschritt ohnegleichen, sagt Gilles van Cutsem.
"Die internationale Gemeinschaft muss armen Ländern helfen, die gesundheitlichen Folgen der Rezession zu bekämpfen. In Europa mögen die Menschen Arbeitsplätze verlieren. In Afrika verlieren sie ihr Leben."
Doch mehr Geld sei nur ein Teil der Lösung. Vor allem müsse das Kostenproblem ein für allemal aus der Welt geschafft werden. Und das hieße im Klartext, die exorbitanten Gewinne der Pharmaunternehmen zu begrenzen, statt sie wie bisher de facto mit Steuergeldern zu finanzieren. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen fordert, das Patentsystem für Aidsmedikamente aufzugeben und die Formeln stattdessen in einem frei zugänglichen Pool zu sammeln. Dann könnten Firmen überall auf der Welt sofort günstige Generika produzieren. Der Originalhersteller würde durch Lizenzgebühren für Gewinnverluste teilweise entschädigt, hätte aber eben nicht mehr das alleinige Vermarktungsrecht. Nebenbei würde diese Lösung mit der gängigen Praxis aufräumen, nach der Patienten in Afrika minderwertige Medikamente bekommen: D4T zum Beispiel, vor dessen Verschreibung die Weltgesundheitsorganisation schon 2006 warnte. Gilles van Cutsem:
"In Europa verschreibt niemand mehr D4T, weil es viel zu giftig ist und inakzeptable Nebenwirkungen hat. Aber weil es das billigste Medikament ist, ist es in 90 Prozent aller afrikanischen Länder Standard bei der Erstbehandlung. Was wir hier brauchen, sind die selben Medikamente wie in Deutschland oder den USA: das heißt Tenofovir, 3TC und Efavirenz."
Diese drei aber sind Kassenschlager für Pharmakonzerne wie Merck, Bristol-Myer Squibb und Gilead. Wenn es um Aidsmedikamente geht, zählt Profit noch immer mehr als das Leben von Menschen wie Thembisa Mkhosana, die kein Einkommen hat, das sie in die Apotheke tragen könnte.
Mkhosana war dabei, als Aids-Aktivisten neulich auf einer Konferenz der Internationalen AIDS-Gesellschaft in Kapstadt mit Transparenten in der Hand um die Ausstellungs-Pavillons der Pharmakonzerne zogen.
Die Mitarbeiter von Pfizer, Merck, Gilead und all den anderen Unternehmen, denen angeblich das Wohl der Menschheit am Herzen liegt, schwiegen pikiert. Manche verschwanden diskret hinter leuchtenden Werbetafeln, bis auch dieser Proteststurm vorübergezogen war. Und danach galt, was schon seit Jahren gilt: Nach der Demo ist vor der Demo. Und solange das System nicht radikal in Frage gestellt wird: Business as usual.
Seit drei Wochen tut sie das nicht mehr.
"Schon im Januar haben sich meine Blutwerte drastisch verschlechtert. Aber jetzt habe ich plötzlich Fieber und Schmerzen, selbst meine Stimme hat sich verändert. Ich mache mir große Sorgen."
Thembisa Mkhosana hat nicht einfach nur Fieber. Nach Jahren, in denen es ihr gut ging, ist die Aids-Krankheit nun ausgebrochen. Denn die Medikamente, die sie bisher genommen hat, wirken nicht mehr. Ihre Ärzte wissen, dass sie sterben wird. Und sie weiß es auch.
"Die Ärzte sagen, ich soll die Tabletten einfach weiternehmen. Andere gebe es nicht."
"Wir haben in Südafrika eine standardisierte Erstbehandlung. Im Falle einer Resistenz gibt es alternative Medikamente. Aber wer auch auf die nicht anspricht, für den gibt es keine Hoffnung mehr."
Das sagt Gilles van Cutsem, Programmdirektor der Organisation Ärzte ohne Grenzen, die in Khayelitsha eines der ältesten Aids-Programme Afrikas betreibt und damit an vorderster Front steht im Kampf gegen die Seuche.
Von seinem spartanisch eingerichteten Büro im zweiten Stock schaut van Cutsem auf einen kleinen Marktplatz und auf Hütten aus Holz und Pappe. Von früh bis spät dröhnt die Musik aus der Anlage des Gemüsehändlers durch das Bürofenster des Arztes. Jeder dritte Mensch, der dort unten über den Markt geht, trägt das HI-Virus in sich.
Für Ärzte ohne Grenzen hat das Aidsprogramm im Township Khayelitsha Modellcharakter und bietet so etwas wie einen Blick in die Zukunft Afrikas. Gerade hat die Organisation neue Daten erhoben. Thembisa Mkhosana ist Teil dieser Statistik.
"Innerhalb von fünf Jahren entwickeln 16 Prozent der Patienten Resistenzen gegenüber der Ersttherapie. Ein Viertel von denen verträgt nach weiteren zwei Jahren die Folgetherapie auch nicht mehr. Und wir können nichts tun, weil es eine wirksame Dritt-Therapie zwar gibt, aber nicht im öffentlichen Gesundheitssektor Südafrikas. Diese Medikamente sind hier nicht registriert, vor allem aber sind sie wahnsinnig teuer: rund 3000 US-Dollar pro Patient im Jahr – verglichen mit 80 US-Dollar für die Ersttherapie."
Diese Welle von Resistenzen – ironischerweise eine Folge gut funktionierender Aidsprogramme – rollt nun auch auf den Rest des Kontinents zu. Es bahnt sich eine Situation an, die es so vor rund zehn Jahren schon einmal gab, als die ersten Aidsmedikamente noch ein Vermögen kosteten und selbst Experten eine flächendeckende Behandlung in Afrika für utopisch hielten. Denn am Grundproblem hat sich nichts geändert:
Pharmaunternehmen lassen neue Medikamente patentieren und verkaufen sie zum höchstmöglichen Preis. Arme Afrikaner sind als Kunden uninteressant. Und so lassen sich die Konzerne alle Jahre wieder um Preissenkungen bitten und haben keine Eile mit der Zulassung ihrer Tabletten in Entwicklungsländern. Das bedeutet nicht nur den Tod vieler Patienten; es treibt auch die Kosten für die Aidsprogramme in die Höhe. Am Ende zahlt die internationale Gemeinschaft drauf, die diese Programme überwiegend finanziert. Der Westen aber ächzt unter der globalen Finanzkrise und hat zunehmend andere Sorgen als den Kampf gegen Aids in Afrika. Mit fatalen Folgen, sagt Gilles van Cutsem.
"Im Global Fund, dem großen Aids-Fonds der UNO, klafft ein riesiges Loch von drei Milliarden Dollar. Wir steuern hier auf eine Katastrophe zu, weil die reichen Länder ihre eigenen Versprechen nicht einhalten und nicht genug Geld einzahlen."
Was das bedeutet, ist bereits in sechs afrikanischen Ländern zu beobachten, sagt Eric Goemaere, Chef von Ärzte ohne Grenzen in Südafrika.
"Tansania hat dieses Jahr 25 Prozent weniger Geld für Aidsbekämpfung zur Verfügung als 2008. In Uganda nehmen viele Kliniken keine neuen Patienten mehr auf. Und Malawi fürchtet, ab Mitte des Monats auf Landesebene keine Tabletten mehr zu haben."
Und so schrumpfen die Budgets, während gleichzeitig die Kosten immer weiter steigen. Wenn jetzt vergleichsweise gut funktionierende Aidsprogramme bedroht sind, dann heißt das für die Zukunft: Mehr Tote. Mehr Tuberkulose-Infektionen, für die unbehandelte HIV-Infizierte besonders anfällig sind. Außerdem ein noch höheres Risiko, dass sich Resistenzen gegen bestehende Medikamente entwickeln. Und schließlich steht das Vertrauen der Patienten auf dem Spiel, das sich die Ärzte in Afrika so mühsam erarbeitet haben. Im globalen Kampf gegen Aids wäre das ein Rückschritt ohnegleichen, sagt Gilles van Cutsem.
"Die internationale Gemeinschaft muss armen Ländern helfen, die gesundheitlichen Folgen der Rezession zu bekämpfen. In Europa mögen die Menschen Arbeitsplätze verlieren. In Afrika verlieren sie ihr Leben."
Doch mehr Geld sei nur ein Teil der Lösung. Vor allem müsse das Kostenproblem ein für allemal aus der Welt geschafft werden. Und das hieße im Klartext, die exorbitanten Gewinne der Pharmaunternehmen zu begrenzen, statt sie wie bisher de facto mit Steuergeldern zu finanzieren. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen fordert, das Patentsystem für Aidsmedikamente aufzugeben und die Formeln stattdessen in einem frei zugänglichen Pool zu sammeln. Dann könnten Firmen überall auf der Welt sofort günstige Generika produzieren. Der Originalhersteller würde durch Lizenzgebühren für Gewinnverluste teilweise entschädigt, hätte aber eben nicht mehr das alleinige Vermarktungsrecht. Nebenbei würde diese Lösung mit der gängigen Praxis aufräumen, nach der Patienten in Afrika minderwertige Medikamente bekommen: D4T zum Beispiel, vor dessen Verschreibung die Weltgesundheitsorganisation schon 2006 warnte. Gilles van Cutsem:
"In Europa verschreibt niemand mehr D4T, weil es viel zu giftig ist und inakzeptable Nebenwirkungen hat. Aber weil es das billigste Medikament ist, ist es in 90 Prozent aller afrikanischen Länder Standard bei der Erstbehandlung. Was wir hier brauchen, sind die selben Medikamente wie in Deutschland oder den USA: das heißt Tenofovir, 3TC und Efavirenz."
Diese drei aber sind Kassenschlager für Pharmakonzerne wie Merck, Bristol-Myer Squibb und Gilead. Wenn es um Aidsmedikamente geht, zählt Profit noch immer mehr als das Leben von Menschen wie Thembisa Mkhosana, die kein Einkommen hat, das sie in die Apotheke tragen könnte.
Mkhosana war dabei, als Aids-Aktivisten neulich auf einer Konferenz der Internationalen AIDS-Gesellschaft in Kapstadt mit Transparenten in der Hand um die Ausstellungs-Pavillons der Pharmakonzerne zogen.
Die Mitarbeiter von Pfizer, Merck, Gilead und all den anderen Unternehmen, denen angeblich das Wohl der Menschheit am Herzen liegt, schwiegen pikiert. Manche verschwanden diskret hinter leuchtenden Werbetafeln, bis auch dieser Proteststurm vorübergezogen war. Und danach galt, was schon seit Jahren gilt: Nach der Demo ist vor der Demo. Und solange das System nicht radikal in Frage gestellt wird: Business as usual.