"Zum ersten Mal bin ich 1998 auf Aids-Kranke gestoßen. Alle hatten Angst, sich anzustecken. Denn so viele waren bereits an der Krankheit gestorben. Es war wie früher, damals, als die ersten Leute an Lepra erkrankten," sagt der katholische Ordensmann Michael Shea.
Er ist Redemptorist, eine Ordensgemeinschaft, die im 18. Jahrhundert in Italien gegründet wurde. Michael Shea leitet das Sarnelli-Haus, ein Waisenhaus im Nordosten Thailands, und erinnert sich an die Zeit als er das Heim gegründet hat.
"Vor 20 Jahren - da gab es noch keine Medikamente gegen das Virus. Frauen, die an Aids erkrankt waren, wussten, dass sie sterben würden. Sie waren sehr besorgt, wer sich um ihre Kinder kümmern würde. Da habe ich beschlossen: Ich kümmere mich um die Kinder, und bald waren die ersten Kinder bei uns in der Missionsstation."
"Geld für Aids-Kinder: Für die Regierung Geldverschwendung"
Und es wurden immer mehr: Jungen und Mädchen leben in dem Waisenhaus, einige Kinder sind an Aids erkrankt. Schon bald wurde Michael Shea klar, dass er und die Aids-Kranken nur wenig Unterstützung bekommen würden.
"Wir haben Kinder mit Aids aus staatlichen Waisenhäusern aufgenommen, da man sie dort nicht haben wollte. Jedes Kind bekam pro Tag vom Staat 36 Baht für die Verpflegung, etwa einen Euro. Für viele Leute in der Regierung war das reine Geldverschwendung. 'Warum diesen Kindern helfen? Sie sterben ja sowieso'."
"HIV ist so ein Tabu-Thema, dass auch Kinder von den Familien verstoßen werden. Denn für die ist es ganz klar ein Todesurteil. Du wirst innerhalb von ein, zwei, drei, vier Monaten sterben, und das wollen wir hier nicht in der Familie. Und deshalb werden sie verstoßen, so Christoph Leonhard.
"Mit den Betroffenen will niemand was zu tun haben"
Er ist Hotelier auf den Malediven. Er hat sechzehn Jahre in Thailand gelebt und gearbeitet. Das Sarnelli-Haus lässt ihn nicht los. Er unterstützt es bis heute. Dass Aids mittlerweile behandelt werden kann und wie die Krankheit übertragen wird, dies wissen viele Thailänder auch heute noch nicht.
"Noch immer werden im Landesinneren Häuser niedergebrannt, in denen vorher Aids-Kranke gewohnt haben. Und die Erkrankten dürfen den Dorfbrunnen nicht benutzen - aus Angst vor Ansteckung. Überhaupt: Mit den Betroffenen will man nichts zu tun haben."
In Thailand sind 95% der Bevölkerung Buddhisten. Aber es sind christliche Organisationen, die HIV-Kranken zur Seite stehen.
Vom Land in die Touristen-Hochburgen
Ein Rotlichtbezirk in Bangkok. Vor den zahlreichen Bars stehen junge Thailänderinnen im Bikini und in hochhackigen Schuhen. Sie warten auf Kunden. Die Rotlicht-Branche erwirtschaftet rund 14% des Bruttoinlandsprodukts, so Schätzungen. Die Aids-Rate in diesem Milieu ist hoch. Arme Familien aus dem ländlichen Thailand schicken ihre Töchter in die Hauptstadt oder in eine der Touristen-Hochburgen. Im Dorf erzählt man dann, die jungen Frauen arbeiteten als Verkäuferinnen. In Wirklichkeit verdienen sie ihr Geld als Prostituierte.
"Mütter, die in der Prostitution arbeiten und einen Betriebsunfall haben, geben ihr Kind ab und die Arbeit geht weiter. Also es ist traurig zu sehen, aber aus den verschiedensten Bereichen kommen die Kinder. Zu Hause misshandelt, teilweise von Geburt aus HIV-positiv, weil eben beide Eltern infiziert sind, teilweise auch durch Vergewaltigungen später infiziert worden und irgendwann landen sie dann bei Father Shea."
Das Sarnelli-Haus wird immer größer. In sechs Gebäuden sind mehr als 150 Kinder untergebracht. In einem Haus werden Babys und Kleinkinder versorgt. Ältere Jungen und Mädchen wohnen getrennt in verschiedenen Gebäuden. Alle Kinder besuchen eine staatliche Schule.
Ein Arzt untersucht Kinder, die neu aufgenommen werden. Sind sie HIV-positiv, wird dies der zuständigen Behörde gemeldet. Danach erhalten sie auf Staatskosten zweimal täglich jene Medikamente, die verhindern sollen, dass das Virus ausbricht. Das Waisenhaus wird durch Spenden finanziert, die fast nur aus dem Ausland kommen. Allerdings hat sich in den letzten Jahren einiges verändert.
"Father Shea hat über die Jahre hinweg Reisfelder gekauft. Sie haben Schweine, Hühner, drei Fischteiche und eine Rinderzucht. Sodass also sehr viel vom täglichen Gebrauch aus eigener Produktion stammt."