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Akademiker in der Krise

700.000 Beschäftigte waren im Februar bundesweit von Kurzarbeit betroffen. Die meisten sind in der Produktion tätig, aber die Bundesagentur stellt fest, dass mittlerweile auch zunehmend Akademiker in Kurzarbeit geschickt werden, häufig Ingenieure. Diese zeitlichen Freiräume eröffnen auch die Möglichkeit, Weiterbildungsangebote zu nutzen?

Von Vanessa Dähn | 18.03.2009
    Seit Anfang des Jahres kann ein Betrieb bis zu 18 Monaten konjunkturelles Kurzarbeitergeld beantragen. Bis dahin sollte er Restrukturierungsmaßnahmen durchführen, um seine Überlebensfähigkeit im Markt zu sichern. Was passiert, wenn das nicht gelingt? Das fragt sich zum Beispiel ein 28-jähriger Maschinenbauingenieur aus Nordrhein Westfalen. Seit einem Jahr ist er bei einem mittelständischen Automobilzulieferer beschäftigt. Nach der Uni sein erster Job.

    Wie die meisten seiner Kollegen, die von Kurzarbeit betroffen sind, hat er Existenzangst. Die Angst ist so groß, dass er nicht mal anonym vors Mikrophon möchte. So wie alle anderen Akademiker, meist Ingenieure, die im Laufe der Recherche kontaktiert wurden. In einer E-Mail schreibt der Jungingenieur:

    "Leider muss ich Ihnen nach reiflicher Überlegung mitteilen, dass ich für das Interview nicht zur Verfügung stehe. Gründe für meine Entscheidung sind zum Ersten die Brisanz des Themas und die damit verbundene derzeitige Arbeitsplatzsituation. Zum Zweiten habe ich mich bis zum heutigen Tag nicht intensiv genug mit dem Thema Weiterbildung auseinander gesetzt und mir fehlen somit die notwendigen tiefergehenden Kenntnisse."

    Seit anderthalb Monaten hat die Woche des Nachwuchsingenieurs nur vier Tage. Sein Betrieb zieht deshalb Weiterbildungsmaßnahmen in Erwägung. Der junge Ingenieur hält seine tägliche berufliche Tätigkeit zwar für erfüllender als ein Seminar, würde während der Kurzarbeit aber gerne eine Weiterbildungsmaßnahme in Anspruch nehmen. Ralf Blöhdorn-Ulrich hält dies auch für sinnvoll. Er ist Schulungsleiter am Institut für angewandte Logistik in Köln:

    "Also, ich denk, bei Akademikern, die sind motiviert, die wollen lernen, die wollen die Zeit nutzen, die ihnen jetzt gegeben wird, um nach der Krise wieder mit gutem und aktuellem Wissen wieder mit da zu sein."

    Die Krise als Chance, um sich auf wirtschaftlich bessere Zeiten vorzubereiten - das ist auch für den Arbeitgeber interessant, der jetzt in seine Mitarbeiter investieren sollte, statt später in die Suche nach Fachpersonal. Das findet Wolfgang van Ooyen, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit Köln. Ein Argument für Weiterbildung. Deshalb rät er dem Arbeitnehmer, nicht passiv abzuwarten, sondern …

    ... das Gespräch mit dem Betrieb zu suchen, auch ein Stück Überzeugungsarbeit zu leisten, denn von Qualifizierung profitieren ja nicht nur der Arbeitnehmer, davon profitiert auch der Betrieb. Man muss sehen, dass in dieser Zeit, in der nicht gearbeitet wird, dass die sinnvoll genutzt werden kann, dass hier Qualifikationen erworben werden kann, die als Chance im Aufschwung genutzt werden können. Denn die Betriebe bereiten jetzt die Startchancen in den nächsten Aufschwung vor."

    Dabei werden sie durch das Konjunkturpaket II unterstützt: Seit Anfang Februar übernimmt die Arbeitsagentur 50 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge für die Ausfallzeit. Wer sein Personal außerdem beruflich weiterqualifiziert, kann alle Sozialabgaben zurückbekommen. Und es gibt Weiterbildungsmaßnahmen, die mit Geld aus dem Europäischen Sozialfonds subventioniert werden:

    "Wenn es um qualifizierte Kräfte geht, dann können Kosten auch übernommen werden, aber nicht vollständig, sondern in einer Größenordnung zwischen 25 und 80 Prozent. Das richtet sich nach verschiedenen Faktoren. Da spielt die Betriebsgröße eine Rolle, da spielt der Umsatz eine Rolle, da spielt aber auch die Art der Qualifizierung eine Rolle."

    Alle Weiterbildungsmaßnahmen, die die Arbeitsagenturen fördern, müssen zertifiziert sein. Die meisten Standardangebote der verschiedenen Weiterbildungsträger sind dies zwar, aber für Akademiker sieht Schulungsleiter Ralf Blöhdorn-Ulrich Schwierigkeiten. Denn Akademiker benötigen oft spezielle Kurse, die noch nicht zertifiziert sind. Und es gibt noch ein Problem:

    "Es gibt große Unterschiede, ob ein Unternehmen zu 10, 20, 30, aber auch bis zu 100 Prozent Kurzarbeit einführen kann und genau in diesen Prozentsätzen muss Weiterbildung organisiert werden. Wir können halt sehr schwer passgenaue Weiterbildungen organisieren, die vielleicht nur Vormittags oder nur am Nachmittag oder nur an drei Vormittagen in einer Woche zu organisieren sind."

    Im Falle von Kurzarbeit muss übrigens der Betrieb die Weiterbildungsmaßnahme regeln, wenn die Förderprogramme der Arbeitsagentur in Anspruch genommen werden sollen. Kurzarbeit und Weiterbildung dienen in erster Linie dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Wenn es doch zur Kündigung kommt, war die zusätzliche Qualifizierung nicht vergebens. Denn dadurch ...

    "... wird Ihre Marktfähigkeit auf jeden Fall deutlich gesteigert. Und in jeder Krise gab es immer auch Arbeitsplätze zu besetzen. Es ist selbstverständlich, dass es dann in der Regel um qualifizierte Arbeitsplätze geht. Aber der Arbeitsmarkt ist im Grunde genommen niemals tot."