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Akademischer Nachwuchs in Sachsen
Raus aus der Vertragsfalle?

Viele wissenschaftliche Mitarbeiter an deutschen Hochschulen sind nur mit befristeten Arbeitsverträgen ausgestattet. Für die Lebensplanung der Betroffenen ist das ein schwieriger Zustand. Das Problem ist bekannt, nur abgestellt wird es nicht. In Sachsen will man nun einen neuen Vorstoß wagen.

Von Ronny Arnold | 12.12.2014
    "Es war seit 2002 so, dass ich vor allem an der Uni Münster gearbeitet habe, zwischendurch auch mal an der Uni Potsdam. Und als ich hier an der Uni Leipzig angefangen habe, habe ich festgestellt, dass ich tatsächlich 36 befristete Verträge hatte."
    Alexander Yendell rechnet lieber noch einmal nach – doch die Zahl stimmt. Mit allen halben Stellen, zum Teil parallel laufend, kommt er auf drei Dutzend befristete Arbeitsverträge – in elf Jahren. Mittlerweile ist der Soziologe 39, vor kurzem hat er seine Promotion abgegeben. Doch auch der Doktortitel, vermutet Yendell, wird ihm nur bedingt weiterhelfen.
    "Das Problem ist, dass es keine unbefristeten Stellen unterhalb der Professur gibt. Also in Deutschland sind 82 Prozent des wissenschaftlichen Personals befristet beschäftigt. Und das bedeutet, dass man eigentlich gar nicht groß planen kann. Ich kann jetzt nicht planen, ich möchte eine Familie gründen, ich möchte jetzt irgendwo mal ankommen."
    Die Unis haben kaum Geld für längerfristige Verträge. Immer mehr Projekte und Stellen werden über Drittmittel finanziert. In Sachsen steht die Problematik jetzt auf der Agenda, weil durch den Koalitionswechsel im Freistaat eine neue Wissenschaftsministerin angetreten ist. Eva-Maria Stange von der SPD plant ein Programm, das verbindliche Mindeststandards, möglichst auch Mindestlaufzeiten, für befristete Verträge vorsieht. Titel: Gute Lehre – starke Mitte.
    "Der Hochschulbetrieb lässt sich nicht ohne befristete Arbeitsverträge denken. Es ist erst einmal überhaupt mit den Hochschulen ein Standard zu vereinbaren. Und der Standard kann eben nicht heißen, dass man es sich so einfach wie möglich macht mit Monats- oder Dreimonatsverträgen."
    Akademischer Nachwuchs in der Vertragsfalle
    Hier mache es sich niemand so einfach wie möglich, erklärt Leipzigs Uni-Rektorin Beate Schücking. Auch sie möchte den akademischen Nachwuchs gern aus dieser Vertragsfalle befreien. Ihr Signal Richtung Dresden: Wir können darüber reden.
    "Grundsätzlich ist es für die Universitäten sinnvoll, in diesem Feld Regelungen zu finden, die zugunsten der Nachwuchswissenschaftler sind. Nach Möglichkeit auch entsprechend der Laufzeit von Projekten. Nebenbei bemerkt ist es für die Universität ja auch hilfreich. Denn immer wieder kurzfristige Verträge zu machen bindet auch Verwaltungskapazität."
    Dieses Geld würde Schücking gern an anderen Stellen ausgeben. Überhaupt ist die Finanzierung des angedachten Programms der Schlüssel, so die Rektorin – Geld für längerfristige Verträge habe sie nämlich nicht übrig. Muss es denn zwingend mehr kosten?
    "Es muss dann mehr kosten, wenn zum Beispiel vorgeschrieben wird, dass ein Vertrag eine bestimmte Länge haben soll, wir dieses Geld aber nicht zur Verfügung haben. Denn leider ist unser Grundhaushalt nicht unbedingt gewachsen. Und der augenblickliche Stellenabbau, in dem wir ja noch drin sind, ist ja eher eine Verminderung des Betrags, der uns zugeführt wird."
    Erste Gespräche mit den Hochschulen
    Die neue Wissenschaftsministerin will schon in den kommenden Wochen erste Gespräche mit den Hochschulen führen. Im Frühjahr soll das Programm auch im sächsischen Doppelhaushalt 2015/16 auftauchen. Fünf Millionen Euro könne sie sich da vorstellen, so Eva-Maria Stange. Vorausgesetzt, es gibt konkrete Vereinbarungen mit den Hochschulen.
    "Wenn sie ein Konzept vorlegen, wie sie aus den kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen schrittweise vernünftige Arbeitsverhältnisse machen wollen, dann sollen sie von uns auch die finanzielle Unterstützung bekommen, um zum Beispiel Projektlücken zu schließen. Meine Hoffnung ist, dass wir in zwei Jahren das Thema nicht mehr auf der Tagesordnung haben.
    "Für Beate Schücking ein enges Zeitfenster. Sie könne das gesamte System nicht auf einmal umkrempeln. Alexander Yendel, der dauerbefristete Soziologe, hofft dagegen auf schnelle Ergebnisse. Denn er mag seinen Job hier – und die Stadt. Auf die ständigen Ortswechsel, die Unsicherheit und den Stress, könnte er verzichten.
    "Das macht man nur, wenn man sehr idealistisch ist und diesen Job auch wirklich liebt. Aktuell sieht das so aus, dass wir versuchen Projektmittel weiter einzutreiben. Ich kann jetzt nicht so genau sagen, ob ich im Oktober 2015 noch hier bin. Wenn es nach mir geht, bin ich noch hier – hoffe ich!"