"Internal Server Error" - das war die Meldung, die auf dem Blog der-kleine-akif.de von Akif Pirinçci am späten Nachmittag zumeist zu lesen war. Der Blog wurde möglicherweise attackiert, möglicherweise stieß aber auch der neueste Beitrag auf ein erhöhtes Interesse (auf dem Blog nicht mehr verfügbar, wir zeigen hier einen Link zu einem Internetarchiv).
Als Verfasser gibt sich ein "Torsten" zu erkennen, der bis vor wenigen Stunden der Webmaster von Akif Pirinçci gewesen ist. Es ist ein Brief des Abschieds, Torsten legt seine Aufgabe nieder. Als Bild wählte er die berühmten Neonazis von Rostock-Lichtenhagen 1992. Torsten beschreibt in dem Brief, wie er zunächst Pirinçci und seine Texte als "amüsant und manchmal sogar klug" empfunden habe. Die Tatsache, dass die "Scham der Deutschen" für die Kriegsschuld Akif Pirinçci offenbar nicht innewohnt, sei zunächst Teil der Faszination für Torsten gewesen.
Die Faszination vergeht
Nun aber schreibt er: "Und wenn wir von der Scham sprechen, die wir Deutsche, vielleicht wie kein anderes Volk auf der Welt, empfinden, und sei es nur unbewusst, dann lass dir von mir sagen, worauf sie gründet. Darauf, nicht rechtzeitig aufgestanden zu sein und den alles humanistische verleugnenden Elementen in unserer Gesellschaft die Stirn geboten zu haben. Darauf, weggeschaut zu haben, als nach den Kommunisten und Sozialdemokraten auch die Juden verschwanden. Darauf, die Welt in einen unvorstellbaren Vernichtungskrieg geführt zu haben und letzten Endes darauf, dann den Heimkehrenden, geflüchteten Landsleuten aus den vom Feind besetzten Gebieten Vertriebenen die kalte Schulter gezeigt zu haben und sie so behandelten, wie deinesgleichen wünschten, wir würden die Flüchtlinge der Gegenwart noch heute behandeln."
Zum Schluss heißt es: "Und so schäme ich mich. Ich schäme mich nicht nur fremd, für dich, Freund Akif. Ich schäme mich für mich. Dafür, dir bei der Errichtung deiner Plattform zur Verbreitung deines Unsinns behilflich gewesen zu sein, in der Hoffnung, dein Intellekt würde es begreifen, als ich dir sagte, dass 95% deiner Leser von rechten und ultrarechten verweisenden Webseiten kämen, und das du deren Hass schürende Vorurteile und Ängste befeuerst, da sie deine Polemik nicht verstehen. Ich sehe, auch du verstehst nicht."
Torsten: "Ich habe noch keine Reaktion von ihm"
Am Telefon bestätigt Torsten, der seinen Nachnamen nicht genannt wissen möchte, tatsächlich Verfasser der Zeilen zu sein. "Ich habe noch keine Reaktion von Akif", sagt er im Gespräch mit deutschlandfunk.de. Als Administrator habe er allumfassende Rechte für den Blog gehabt und den Brief so veröffentlichen können. Ob er sich eine Diskussion mit Akif erhofft? "Ich wünsche mir jede Art von Diskussion. Aber mit manchen Menschen kann man nicht diskutieren."
Er habe zu Beginn seiner Arbeit die Hoffnung gehabt, Pirinçci würde merken, "dass er mit dem Feuer spielt", erzählt der 45-Jährige. Und dass die Besucher von rechten und ultrarechten Seiten zu den Beiträgen seines Blogs kommen. Die Tatsache, wie er bei Pegida in Dresden am Montagabend aufgetreten ist, sei für Torsten aber der Hinweis, "dass ihm das ganz recht ist. Vielleicht geht's ihm auch nur ums Geld" - Marketing der besonderen Art also.
Mit Blick auf Bürger, die deutschen Politikern nicht genehm seien, hatte Pirinçci gesagt: "Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb." Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt. In seiner Rede sprach Pirinçci von einer "Moslem-Müllhalde" in Deutschland. Flüchtlinge seien "Invasoren", Politiker "Gauleiter gegen das eigene Volk". Pirinçcis Verlag Random House stoppte den Verkauf der Bücher Pirinçcis. Über Pirinçcis Twitter-Account wurde Torstens Brief übrigens ebenfalls verbreitet. Ob absichtlich oder aus automatischen Funktionen im Blog, bleibt offen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hatte es geheißen: "Mit Blick auf deutsche Politiker hatte Pirinçci gesagt: "Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.'" Pirinçci meinte Bürger, die deutsche Politiker vermeintlich loswerden wollten. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.