7 Weltmeistertitel, 3 Olympiasiege – Skifahrer Toni Sailer war eine Legende in Österreich. Der 2009 verstorbene Sportler gerät jetzt ins Zwielicht. Journalisten einer österreichischen Tageszeitung, einer Rechercheplattform und des ORF haben eine Justizakte entdeckt, die es in sich hat. 1974 wird Sailer bei einem Wettbewerb im polnischen Zakopane festgenommen. Eine 28-jährige – wie es heißt –Nebenerwerbsprostituierte, sagt aus, sie sei von Sailer vergewaltigt worden. In der Akte heißt es in einer Anklageschrift:
"Nach dem er sie mit den Händen auf den Kopf geschlagen und ihr den Mund mit einem Handtuch verstopft hat, hat er sie durch Gewaltanwendung zur Unzucht gezwungen."
Bundesregierung half offenbar bei Vertuschung
Die Verhaftung Sailers machte damals schon Schlagzeilen. Neu an den Recherchen ist, dass die damalige österreichische Bundesregierung sehr schnell interveniert haben soll mit dem Ziel, dann Fall klein zu halten. Das sagt auch der Sportwissenschaften und Historiker Rudolf Müller, der die Journalisten bei der Recherche beraten hat:
"Hier haben viele Leute viel Arbeitszeit investiert, um diese prominente und wichtige Person aus dem Land und aus dem Gerichtsprozess herauszubekommen."
Mit Erfolg: Aus "Rücksicht auf Mangel an gesellschaftlichem Interesse" wird das Verfahren eingestellt. Toni Sailer beteuerte stets seine Unschuld, ihm sei "eine Falle" gestellt worden. Heute lässt der Fall sich nicht mehr aufklären, das mutmaßliche Opfer ist unauffindbar und dürfte mittlerweile verstorben sein. Historiker Müllner sagt, die Recherchen haben keine Fakten oder Zeugenaussagen ergeben,
"Die eine Schuld des Herrn Sailers nachweisen könnten. Das Gegenteil aber auch nicht."
Veröffentlichung erhitzt Gemüter
Die Veröffentlichung der Akte Sailer schlägt in Österreich hohe Wellen. Der Boulevard aber auch hochrangige Politiker üben heftig Kritik und nehmen den Nationalhelden Sailer in Schutz. Vizekanzler und Sportminister Heinz-Christian Strache teilt schriftlich mit, dass er den Fall für eine "miese, pietätlose Kampagne hält". Ein Kolumnist der "Kronen Zeitung" schreibt, dass völlig wurscht sei, was da vor 44-Jahren in Polen passiert sein soll. Und auch Günther Platter, Ministerpräsident des Bundeslandes Tirol, wo Toni Sailer herkommt, sagt, dass der Fall lange zurückliege und der Verstorbene sich nicht verteidigen könne:
"Wenn jetzt Toni Sailer jetzt nachhaltig beschädigt wird und dabei auch die Familie, dann ist das eigentlich eine Sauerei."
Die hochemotionale Diskussion um einen verstorbenen Nationalhelden verdeckt zurzeit die Frage nach der Rolle der damaligen Bundesregierung und den Vorwurf, sie habe einen Vergewaltigungsfall vertuschen und klein halten wollen. Historiker Müllner hofft, dass sich die Debatte mit der Zeit versachlichen wird:
"Es ist zu früh. Die Leute sind natürlich sehr aufgewühlt und aufgeregt. Die Zeit wird hier eine gewisse Distanz bringen und man wird vielleicht in ein paar Jahren sagen – es war ganz gut, das zu thematisieren."