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Aktion "Einstürzende Schulbauten"
Tagebuch über marode Schulen

33,7 Milliarden Euro werden benötigt, um alle deutschen Schulen zu sanieren. Die Stiftung Bildung – ein Dachverband der schulischen Fördervereine - möchte darauf aufmerksam machen und startet deshalb die Kampagne "Einstürzende Schulbauten". Bis zur Bundestagswahl stellt sie jeden Tag eine marode Schule vor.

Von Claudia van Laak |
    Rucksäcke hängen an einer Garderoba in einer sanierungsbedürftigen Grundschule in Berlin (13.02.2009).
    Rucksäcke in einer sanierungsbedürftigen Grundschule in Berlin. (imago / Rolf Zöllner)
    Hinab in den Keller des Andreas-Gymnasiums geht es. Hier findet sich etwas, was in Schulgebäuden durchaus selten ist: Das Gymnasium verfügt über eine eigene Quelle, die Andreas-Quelle. Momentan ist sie allerdings versiegt, weil auf dem Nachbargrundstück gebaut und das Grundwasser deshalb abgepumpt wird, erzählt Elternsprecher Johannes Schwarz.
    "Man riecht aber ganz deutlich, hier ist Schimmel, sieht man auch hier, wie so langsam die Pilze wuchern." - "Können wir da mal weiter runtergehen?" - "Ja, gerne. Hier oben sind wir auf dem Trockenen. Einmal wäre Weihnachten das Wasser fast bis zu den Treppen gestanden, hätte alles überflutet, wenn unser Schulleiter nicht gekommen wäre und alles gerettet hätte. Hier ist der Bücherkeller gleich um die Ecke und früher war hier das Schularchiv, das konnte zum Glück gerettet werden."
    Ein modrig-fauliger Geruch liegt in der Luft. Das Grundwasser hat bereits vor Jahrzehnten die Bodenplatte der 1908 erbauten Schule gesprengt, seitdem drückt das Wasser nach oben. Der zuständige Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg weiß schon lange Bescheid, sagt Hausmeister Andreas Borkenhagen und zeigt auf die schwarz-gräuliche Wand.
    "Schwarzschimmel, mehrere Pilzsorten sind dabei. Und wir hatten das schon gehabt, da war eine Verwaltungsangestellte hier zur Begehung. Die hat sehr stark allergisch reagiert. Die musste ich nach oben bringen, auf den Hof, damit sie mir hier unten nicht zusammenklappt."
    Viele bauliche Missstände an der Andreas-Schule
    Das Andreas-Gymnasium hat aber nicht nur eine Quelle zu bieten, auch einen Schutt-Hügel auf dem hinteren Schulhof. Nach einer Schadstoffsanierung wurde der Bauschutt dort aufgetürmt, aber nie abgefahren.
    "Der Hügel selber blieb. Wurde dann als Andreas-Hügel bezeichnet, unser heiliger Berg quasi hier."
    Elternsprecher Johannes Schwarz nimmt es mit Galgenhumor. Was soll man auch machen. Das Positive: Der Andreas-Hügel, von dem keiner weiß, welche Schadstoffe er enthält, wurde inzwischen begrünt.
    Hinauf auf den Turm. Hier befinden sich drei Klassenzimmer, die dringend gebraucht werden, aber leer stehen. Der Grund: Es führt nur eine schmale Treppe nach oben, die Bauaufsicht hat den fehlenden Fluchtweg moniert. Da waren allerdings schon 300.000 Euro ausgegeben, seufzt Elternsprecher Schwarz.
    "Das war auch so ein Husarenstück, weil tatsächlich zunächst angefangen wurde, zu bauen. Und dann hat man plötzlich festgestellt, huch, da fehlt ja was. Und dann wurde so eine Art Schweigebann verhängt über diese Aktion."
    Nachdem Schulleitung, Elternvertreter und Schülersprecher lange Jahre für eine Sanierung ihres Gymnasiums gekämpft hatten, hat der Bezirk jetzt 4,2 Millionen Euro bewilligt. Diese Summe dürfte allerdings nicht für den ebenfalls benötigten Anbau reichen, sagt Schulleiterin Birgit Strohmeier.
    "Also sehr dringlichst bräuchten wir neue Fenster. Wir brauchen dringend einen trockenen Keller, um einfach weitere Aufenthalts- und Unterrichtsmöglichkeit zu schaffen. Wir brauchen aber auch eine Mensa und eine Schulbibliothek, um einfach auch am Nachmittag Möglichkeiten für die Schüler zu eröffnen."
    Nicht immer ist das fehlende Geld das Problem
    Wer wie das Berliner Andreas-Gymnasium auf die dringend notwendige Sanierung einer Schule aufmerksam machen will, der kann das ab heute tun. Bis zur Bundestagswahl stellt die Kampagne "Einstürzende Schulbauten" eine marode Schule vor, sagt Daniela von Treuenfels von der Stiftung Bildung.
    "Die Leute können uns einen Text schicken, können uns Bilder schicken. Und wir werden jeden Tag ein Beispiel aus einer Schule veröffentlichen. Dazu bitten wir Experten aus verschiedenen Bereichen um ein Statement, um ihr Expertenwissen, um mal eine Diskussion darüber anzuregen, wie kommen wir raus aus dieser Geschichte."
    Die Stiftung Bildung will in den nächsten Wochen eine interaktive Karte ins Netz stellen, um auch grafisch den schlechten Zustand der Schulen in Deutschland zu verdeutlichen. Nicht immer sei fehlendes Geld das Problem.
    "Das liegt zum Teil am Planungsrecht und zum Teil, das kann man in Berlin gut beobachten, an der Vielzahl der Stellen, die involviert sind, wenn es darum geht, eine Schule zu planen und zu bauen."
    Der Bund legt gerade ein Sieben-Milliarden-Paket zur Unterstützung finanzschwacher Kommunen auf. Mit diesem Geld, das voraussichtlich ab Sommer zur Verfügung steht, können auch marode Schulen saniert werden.
    Die Stiftung Bildung ist der Ansicht, Städte und Gemeinden seien mit dieser Sanierung überfordert. Der Bund müsse auch einzelnen Schulen direkt helfen können, fordert Daniela von Treuenfels.