Susanne Schrammar: Ende April, also kurz vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen, will die Alternative für Deutschland, die AfD, ihren Bundesparteitag in Köln abhalten im Maritim-Hotel. Dagegen gab es schon viel Gegenwehr: Bekannte Kölner Karnevalstars kritisierten, dass der fremdenfeindlichen Partei hier in Köln eine Bühne geboten würde, und die Hotelkette erlebte im Internet einen wahren Shitstorm – sie musste sich also viele Beschimpfungen und sogar Drohungen gefallen lassen. Jetzt wird der Protest friedlich ausgeweitet: 170 Kölner Kneipenwirte und Clubbesitzer legen derzeit rund 200.000 Bierdeckel mit der Aufschrift "Kein Kölsch für Nazis" aus und veranstalten Konzerte und Lesungen. Zu mir ins Studio gekommen ist Markus Hemken, einer der Organisatoren.
Markus Hemken: Guten Tag! Hallo!
Schrammar: Hallo, Herr Hemken! "Kein Kölsch für Nazis" – was versprechen Sie sich denn von dieser Aktion?
Hemken: Na ja, auf jeden Fall dieser provokante Titel soll zum Nachdenken anregen. Wir möchten Leute dazu mobilisieren, gegen die AfD zu demonstrieren beim Bundesparteitag, aber auch im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen und Bundestagswahlen zur Wahl zu gehen, also die Leute aufzufordern, an die Urne zu gehen und dann das Kreuzchen bitte nicht bei den Rechten zu machen, sondern woanders.
Schrammar: Sie schreiben auch in Ihrem Aktionsaufruf, Sie wollen der AfD die Show stehlen. Was genau haben Sie denn da geplant?
Hemken: Nun, diese Rechtspopulisten sind überall in den Medien und versuchen es auch mit geschickten Tricks, immer wieder reinzukommen. Wir haben Clubs und Kneipen und werden mit Veranstaltungen dagegen wettern und versuchen, so viele Leute bei uns reinzuziehen, damit sie nicht auf diese Propaganda der AfD reinfallen.
Informationsmaterial über die AfD liegt auch aus
Schrammar: Wie kann man das mit einem Konzert oder einer Lesung machen?
Hemken: Also es wird Informationsmaterial ausgelegt in den Kneipen, die Leute sollen zum Nachdenken angeregt werden. Es gibt zum Beispiel diese wunderbare Broschüre vom Jugendclub Courage, die hier in Köln gedruckt worden ist, die über die AfD aufklärt, und das kann man sich mal zu Gemüte führen.
Schrammar: Was hat Sie persönlich als Wirt dazu motiviert, hier mitzumachen?
Hemken: Das ist selbstverständlich. Also in Anbetracht der Wahlergebnisse dieser Rechtspopulisten, in Anbetracht der brennenden Flüchtlingsheime, der steigenden Gewalt gegen Ausländer und Flüchtlinge, muss man einfach was tun. Man kann es nicht immer nur der Politik überlassen. Man muss auch selber mal bürgerliches Engagement zeigen.
"Mit Populismus-Vorwurf tut man Stammtischen Unrecht"
Schrammar: Populistisches Gedankengut wird ja oft auch als Stammtischparolen bezeichnet…
Hemken: Da tut man den Stammtischen Unrecht!
Schrammar: Ja, ich wollte gerade sagen: Sind vielleicht sogar Kneipen besonders gut geeignete Orte, um darüber zu diskutieren oder –
Hemken: Auf jeden Fall.
Schrammar: – um hier auch ein Bewusstsein zu schaffen? Was ist Ihre Erfahrung?
Hemken: Also wenn Sprüche kommen, die gegen Ausländer gehen oder die rechts sind, steht dann meistens nicht viel hinter. Man kann mit diversen gewissen Argumenten durchaus dagegensteuern und Leute sagen, ja, stimmt, so habe ich das gemeint. Ich glaube, das bewirkt schon was.
Schrammar: Erleben Sie das eigentlich oft in Kneipen, dass darüber diskutiert wird?
Hemken: Ja, natürlich. Also Flüchtlingskrise, natürlich war das ein Thema in Kneipen.
Erfolgreiche Aktion gegen "Pro Köln"
Schrammar: Sie haben bereits 2008 eine ähnliche Aktion gemacht, damals gegen die rechtsextreme Bürgerbewegung "Pro Köln". War das damals ein Erfolg?
Hemken: Ja. Also der Kongress wurde verhindert, fand nicht statt. Es waren tausende von Menschen auf den Straßen, und die "Pro Köln"-Organisation oder -Partei ist quasi gar nicht mehr vertreten. Das ist ganz gut.
Schrammar: Ich habe es gesagt, das Herzstück Ihrer Aktion sind die 200.000 Bierdeckel mit dem Spruch "Kein Kölsch für Nazis" – wie kommt denn die Aktion an?
Hemken: Gut, also wir haben bisher ja noch keine Wirte gefragt, wir sind noch nicht rumgegangen. Die kamen quasi auf uns zu, als die ersten Medienberichte erschienen. Aber auch der direkte Kontakt mit den Gästen, das war positiv. Es gab natürlich auch über die sozialen Medien einige Hassmeldungen – strafrechtlich relevant, das werden wir anzeigen, und den Rest kann man löschen.
Schrammar: Sie sagen es gerade, von der AfD selber gab es auch schon Reaktionen. Wie haben die reagiert?
Hemken: Also wir haben von der AfD Baden-Württemberg einen Link zugestellt bekommen, wo sie unseren Bierdeckel genommen haben und drauf hingewiesen haben, dass 150 Wirte sowas unter Toleranz verstehen.
Schrammar: Aber es gab auch bundesweite Resonanz von anderen. Es gibt Bestrebungen, das nicht nur in Köln zu belassen, oder?
Hemken: Wie ich gehört habe, planen Wirte in anderen Städten, sowas nachzumachen. Find ich super. Also wenn Frankfurt zum Beispiel sagt, "Kein Äppelwoi für Nazis" – finde ich das prima.
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