Archiv

Akustik in Elbphilharmonie
"Müssen uns erst an diese Klarheit gewöhnen"

Yasuhisa Toyota habe in der Elbphilharmonie eine "äußerst klare Akustik" geschaffen, sagte der Musikkritiker Christian Wildhagen im Dlf. Für eine bestimmte Art von Musik sei sie passend. Aber man dürfe nicht vergessen, in welchen Räumlichkeiten Sinfonien etwa von Brahms ursprünglich gespielt wurden.

Christian Wildhagen im Gespräch mit Jochen Hubmacher |
    Der Dirigent Thomas Hengelbrock (M) und das NDR Elbphilharmonie Orchester verneigen sich beim Schlussapplaus nach dem Eröffnungskonzert in der Elbphilharmonie in Hamburg.
    Musikkritiker Wildhagen hat einige Einwände gegen die Klangphilosophie Toyotas (picture-alliance / dpa / Christian Charisius)
    Yasuhisa Toyota verteidige das Akustik-Konzept für die Elbphilharmonie und er sei in seiner Argumentation konsequent, so der Musikkritiker Christian Wildhagen. Man habe den Menschen versprochen, mit der Elbphilharmonie einen der zehn besten Säle der Welt zu bauen. "Toyota musste den Bauherren und der Stadt Hamburg von vornherein etwas besonderes versprechen. Und das hat er ohne Frage gebaut. Der Aufwand des Saales, gerade in akustischer Hinsicht, was mit der weißen Haut, dieser Reflektorverkleidung im großen Saal dort getrieben worden ist, der ist ja immens." Diese diene dazu, eine äußerst klare, differenzierte, durchhörbare Akustik zu schaffen. "Wahrscheinlich sogar so durchhörbar, so gut differenziert, dass wir uns tatsächlich erst an diese Art von Klarheit gewöhnen müssen."
    Toyotas Klangphilosophie bezeichnete der Musikkritiker als konsequent. Er habe aber trotzdem einige Einwände. "Eine so klare Akustik kann bei bestimmter Musik sehr hilfreich sein, bei groß besetzter romantischer Sinfonik etwa, aber auch bei kleinen Barock-Ensembles. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, wir leben im Zeitalter der historisch informierten Aufführungspraxis. Und für mich gehört in gewisser Weise der Gedanke daran zu einer Aufführung, in welchen Räumlichkeiten eigentlich diese Sinfonien von Brahms, von Bruckner, von Mahler gespielt worden sind."
    Dabei käme man auf den Gegenentwurf, der in diesem Fall immer herangezogen würde: den goldenen Saal des Musikereins in Wien. Zwischen diesem Saal und jenem der Elbphilharmonie gebe es wahrscheinlich keinen größeren Gegensatz, so Wildhagen. Der erste stehe für eine "abgerundete, auch etwas süffige, sehr warme Akustik" - dem gegenüber stehe die "sehr durchhörbare, transarente Elbphilharmonie".
    "Hamburger vernarrt in Elbphilharmonie"
    Die Hamburger reagierten auf Kritik an der Elbphilharmonie schnell persönlich, so der gebürtige Hamburger Wildhagen. "Die ganze Stadt scheint ja mittlerweile wirklich vernarrt zu sein in dieses Gebäude. Mit gutem Grund." Er selbst habe beruflich weite Teile der Bauzeit dort verfolgt und den Mentalitätswandel gespürt. "Seit die Elbphilharmonie eröffnet ist, spielen Orchester in der Hansestadt, die sonst früher alle fünf oder zehn Jahre einmal dort waren – die kommen jetzt jedes Jahr. Das ist ein eklatanter Zugewinn an Niveau für die Stadt."
    Die Ausstrahlung des Gebäudes reiche weit über die Stadt Hamburg hinaus. Das wecke auch Neid bei Städten, die sich als Konkurrenten Hamburgs verstehen würden, etwa München oder Berlin. "Die Elbphilharmonie als Tatsache wird den Hamburgern so schnell keiner kaputtreden."