Walid schultert seine Kalaschnikow. Immer, wenn er das Haus verlässt, nimmt er seine Waffe mit. Der Familienvater will gewappnet sein – für den Fall, dass wieder Attentäter nach Al-Kaa kommen.
"Ich habe viel Erfahrung aus dem libanesischen Bürgerkrieg. Wenn etwas passiert, was ich nicht hoffe, kann ich vielleicht helfen."
Al-Kaa liegt ganz im Norden des Libanon, gerade einmal zehn Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Normalerweise ist es sehr ruhig in dem christlichen Dorf. Doch Ende Juni sprengten sich hier gleich acht Selbstmordattentäter in die Luft – an einem Tag.
Fünf Dorfbewohner wurden von den Selbstmordattentätern mit in den Tod gerissen, zahlreiche weitere verletzt. Die Angehörigen und Nachbarn der Opfer stehen noch immer unter Schock.
Nachtwache soll Dorfbewohner schützen
In einem der Häuser am Rande von Al-Kaa wohnt Amalia. Die Mutter von drei Kindern sitzt mit ihrer Familie auf der Terrasse – ganz in Schwarz gekleidet, denn Amalia trauert: Sie hat an jenem verhängnisvollen Tag im Ende Juni ihren Mann verloren.
"Mein Mann hatte früh morgens eine Explosion gehört, zog sich um und fuhr mit dem Auto los. Er sagte mir zum Abschied noch: Es dauert bloß eine Minute, ich schaue, was passiert ist und komme sofort wieder zurück. Er ist also gefahren – und wurde vom letzten Anschlag getroffen."
Warum sich die Attentäter gerade in Al-Kaa in die Luft sprengten, weiß keiner. Viele vermuten, dass das Dorf gar nicht ihr Ziel war, dass sie noch weiter wollten, in einen größeren Ort oder eine Stadt. Auch woher die Täter kamen, ist ungewiss. Walid hat deshalb eine Nachtwache organisiert – zusammen mit jungen Männern, die aus dem Dorf stammen.
"Das hier ist eine Gruppe von Jugendlichen. Sie haben ihre Arbeit in Beirut zurückgelassen, um die Dorfbewohner zu unterstützen und sie im Falle eines Angriffes zu verteidigen. Deshalb kommen die Menschen hierher, um das Dorf, seine Bewohner und ihre Verwandten zu schützen."
Bis die libanesischen Behörden die Sicherheitsvorkehrungen in Al-Kaa aufstocken, wollen sich die Einwohner selber verteidigen. Jeden Abend, wenn es dunkel wird, treffen sie sich an strategischen Punkten im Dorf und halten Wache. Sie sitzen auf den Balkons und Terrassen und leuchten mit Scheinwerfern über die Ebene.
Wunsch nach Frieden
Fast alle Männer tragen Waffen bei sich – das kennen sie noch aus dem libanesischen Bürgerkrieg. Über Walkie-Talkies und WhatsApp halten sie miteinander Kontakt, melden ungewöhnliche Bewegungen; eine Gruppe von Männern fährt mit ihren Autos die Wachposten ab.
"Alles, was wir wollen, ist Frieden. Wir können nur ein paar Wochen für Sicherheit sorgen. Dann müssen der Staat und die Sicherheitskräfte die Situation unter ihre Kontrolle bringen."
Hundertprozentige Sicherheit, das weiß Walid, wird es hier direkt an der Grenze zu Syrien nicht geben. Aber für ihn und seine Mitstreiter steht fest: Sie wollen sich nicht aus ihrem Dorf vertreiben lassen – auch nicht von Terroristen.