"Lang lebe Israel", rufen die Demonstranten und: "Antisemitismus – raus aus den Köpfen".
Sie stehen hinter einer Polizeiabsperrung auf dem Kurfürstendamm, am Adenauerplatz. Die 300 Demonstranten, die meisten von ihnen unter 30, gehören zu einem linken antifaschistischen Bündnis.
Einer von ihnen ist Michael Wassmann von der "Links-Jugend" aus Sachsen-Anhalt. Er geht an diesem Nachmittag auf die Straße, "weil auf der anderen Seite Leute heute dem Ruf des iranischen Regimes folgen, um für die Vernichtung Israels zu demonstrieren, und das mitten in Deutschland, mitten in Berlin. Und das erfreut sich leider keiner großen Öffentlichkeit, obwohl es ein riesiger Skandal ist, dass die Vernichtung Israels und die Vernichtung jüdischen Lebens hier offen propagiert werden kann."
Auf der anderen Seite der Kreuzung Adenauerplatz stehen etwa 900 Menschen, sie schwenken iranische, palästinensische und deutsche Fahnen. Viele tragen Palästinensertücher mit Bildern vom Felsendom in Jerusalem, der Stadt, die sie "Al Kuds" nennen.
Ein Demonstrant verlässt die Menge, tritt auf die Kreuzung und hält schreiend eine Rede über die Unterdrückung der Palästinenser durch den Staat Israel. Sofort wird er von Polizisten umkreist und daran gehindert, die Menge weiter aufzustacheln. Auch einer der Veranstalter versucht, ihn zu beruhigen.
Dann werden die Rufe aggressiver. Eine Gruppe junger Leute breitet eine palästinensische Fahne aus, so breit wie eine Fahrspur des Kurfürstendamms. Sie skandieren "Freiheit für Palästina" und "Kindermörder Israel". Die Rufe werden lauter, die Stimmen heiser. Einer der Rufe: "Israel sind Terroristen – töten Kinder und Zivilisten".
Demonstrant spricht Israel das Existenzrecht ab
An der Spitze des Demonstrationszugs steht Aisch Al-Sanadi. Er stammt aus dem Jemen, lebt seit Jahrzehnten in Flensburg – und ist extra nach Berlin gefahren, um die israelische Politik anzuprangern.
"Was macht ihr in Palästina? Ihr tötet unschuldige Menschen, ihr tötet die Kinder, ihr zerstört die Häuser. Und wir wollten, dass das Regime der internationalen Gemeinschaft etwas gegen das Regime sagt."
"Aus Ihrer Sicht: Hat Israel das Recht auf Existenz? Darf Israel bestehen?"
"Nein, darf nicht Existenz."
"Aus Ihrer Sicht: Hat Israel das Recht auf Existenz? Darf Israel bestehen?"
"Nein, darf nicht Existenz."
400 Meter weiter östlich, am George-Grosz-Platz, versammelt sich die zweite Gegendemonstration eines Bündnisses jüdischer Organisationen, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des Lesben- und Schwulenverbandes und anderer Gruppen.
Mit Verbot der Hisbollah wäre die Rechtslage anders
Unter den etwa 700 Protestierenden gegen Antisemitismus und für Solidarität mit dem Staat Israel befindet sich Berlins Innensenator Andreas Geisel. Er hatte die Al-Kuds-Demonstration nicht verboten, obwohl der Zentralrat der Juden in Deutschland es gefordert hatte.
"Sie können das am Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum NPD-Verbot sehen. Die NPD ist nicht verboten worden. Das Verfassungsgericht hat eindeutig gesagt, dass die verfassungsfeindlich sind. Sie sind aber zu schwach, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu stürzen oder auch nur zu gefährden. Und deshalb gelten Artikel 5, Artikel 8 des Grundgesetzes, also Meinungs- und Versammlungsfreiheit, höher als unser moralischer Anspruch, solche Demonstrationen hier zu verbieten."
Anders wäre die Lage, sagt Geisel, wenn die Bundesregierung die pro-iranische Hisbollah verbieten würde, die zu den Drahtziehern der Al-Kuds-Demonstration gehört. Wenn auch der politische Arm der Hisbollah illegal wäre, könnte er als Innensenator auch die jährlich stattfindende Al-Kuds-Demonstration verbieten.