Auspuffsound des Truck-Campers "Also das ist der Klang des Highways?"
Keith Friendship: "Nein, der ist ein bisschen lauter."
Auf einem Parkplatz am Südrand von Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon Territory lassen zehn Zylinder mit 6,2 Liter Hubraum den Auspuff heißer grummeln. Der Kundebetreuer Keith Friendship erklärt den brandneuen PS-starken Truck-Camper.
"Er hat ungefähr 400 PS. Viel Kraft, viel Drehmoment, aber nicht so viel Geschwindigkeit."
Rund 2,5 Tonnen wiegt der Pick-up-Truck mit der aufgesetzten Camper-Box. Um so ein Gewicht über Bergpässe zu bringen, braucht es einen bärenstarken Motor. Auf der 1.700 Kilometer langen Rundreise vom Pazifik im Süden bis zur Goldgräberstadt Dawson im Norden gibt es über weite Strecken nur unberührte Wildnis mit Wald, Seen, Bächen, Bären und Elchen – und zumeist keinen Handyempfang. Da ist es schon ganz gut, wenn man alles Notwendige und außerdem auch noch einigen Luxus mit an Bord hat.
"Wenn du im Schlamm stecken bleibst, schaltest du auf Vierradantrieb um und dann kommst du wieder raus..In dem Fach hier sind zwei Propangasflaschen. Wenn du Heizung, Herd, Ofen und Kühlschrank jeden Tag benutzt, halten sie für drei oder vier Wochen."
Keith erklärt detailliert alle Handgriffe (Atmo) an dem Truck-Camper. Und für den Highway hat er auch noch einige Tipps.
"Am schwierigsten ist der Top of the World Highway. Er ist nicht geteert. Ein bisschen Regen reicht, damit er mehrere Tage gesperrt wird. Und wenn es viel regnet, wird der Highway weggespült."
Bergpässe und schlechtes Wetter mit 400 PS bezwingen
Nicht nur das Wetter muss man bei einer Reise durch den Yukon beachten. Das größte Risiko sind die Tiere auf dem Highway. Keith empfiehlt:
"Fahr‘ nicht zu schnell. In einen Elch reinzufahren, ist als würdest du in eine Mau er donnern."
Und dann sind da noch die großen Trucks, die Steine aufschleudern.
"Das Problem sind nicht die Laster vor dir, sondern der Gegenverkehr."
Mit all den guten Ratschlägen im Gepäck kann es dann endlich losgehen.
Im Yukon Territory, das etwa so groß ist wie Spanien gibt es 18 Ampelkreuzungen. Die meisten davon in Whitehorse. So dauert es ein wenig bis die Stadtgrenze erreicht ist. Auf dem Alaska Highway geht es nach Südosten. 90 km pro Stunde sind maximal erlaubt.
Erst 1942 bekam der Yukon durch den Bau des Alaksa Highways Anschluss an das moderne Nordamerika. Mit der 2.300 Kilometer langen Schotterstraße durch den Yukon bis hinauf nach Fairbanks wollten die USA Alaska militärisch gegen Russland absichern. Für die Stämme der Athabaska-Indianer, die seit Jahrtausenden im Yukon als Jäger und Sammler lebten, veränderte diese Straße quasi über Nacht alles.
Kilometer 17: Südwärts nach Alaska
Nur ein paar Kilometer südlich von Whitehorse geht es vom Aalska Highway ab auf den Klondike Highway. Vorbei am türkisschimmernden Emerald Lake, der gerne in der Tourismus-Werbung benutzt wird, vorbei an der Carcross Desert, einer sandigen Dünenlandschaft, vorbei am Lake Bennet, an dem Frederick Trump Anfang des 20. Jahrhunderts ein Hotel betrieb, in dem es Zimmer für Prostituierte gab. So schreibt Gwenda Blair in ihrer Familienhistorie "The Trumps. Three Generations of Builders and a Presidential Candidate". Die Kundschaft von Donald Trumps Großvater waren die Glücksritter, die 1898 durch den Klondike-Goldrausch in den Yukon gelockt wurden. Zehntausende wollten der Depression entrinnen, die an der amerikanischen Westküste damals die Menschen in Armut und Not stürzte. Sie packten ihre Sachen und machten sich auf den Weg, nichts ahnend, was sie im Norden erwartete.
Kilometer 143: Mit dem Zug an die Küste
In Fraser lädt die White Pass & Yukon Route zu einer spektakulären Zugfahrt ein. Sie führt steil bergab vom 1.000 m hohen Whitepass hinunter an die Pazifikküste zum Küstenstädtchen Skagway. Dabei geht es über die Grenze von Yukon nach Alaska.
Zuggeräusche und Zugsprecher:
"Auf der Fahrt wird es schaukeln und holpern. Das ist nichts, worüber Sie sich sorgen müssen. Das gehört zu diesem Zug."
Jacqueline Taylor-Rose: "Die Zugstrecke wurde vor 120 Jahren gebaut, während der Klondike Goldrausches. Sie überwindet fast 1.000 Höhenmeter. Dabei geht es durch Tunnel, über Brücken und durch eine herrliche Landschaft, die von den Gletschern geformt wurde."
Jacqueline Taylor-Rose ist von klein auf mit der Whitepass Yukon Railroad vertraut.
"Meine Familie arbeitet in der dritten Generation für die Bahn. Erst mein Großvater, dann mein Vater und jetzt ich. Auch Cousine, meine Schwester und mein Mann gehören zur Firma."
Jaqueline, die als Marketing-Managerin für die Whitepass Yukon Railroad arbeitet, kennt die ganze Geschichte der historischen Eisenbahnstrecke.
"Der Bau begann 1898 und wurde 1900 abgeschlossen. Die Eisenbahn wurde die Versorgungslinie für den Yukon. Transportiert wurden Waren und Passagiere. Und all das Erz, das im Yukon abgebaut wurde, kam mit dieser Bahn nach Skagway, von wo es verschifft wurde."
Die historische Eisenbahnstrecke führt von Yukon nach Alaska über den Whitepass
"Der Tiefseehafen von Skagway ist das ganze Jahr über offen. Zusammen mit dem Zug entstand so der perfekte Transportweg in den Norden. Später kam dann der Tourismus. Die Bahn wurde saniert und generalüberholt. Seit der Wiedereröffnung 1988 wurde die Strecke sehr wichtig als Landausflug für den wachsenden Kreuzfahrttourismus."
Der Zug rumpelt quietschend über originale Brückenkonstruktionen hoch über dem Tal und durch stockfinstere Tunnel.
"Es ist absolut dunkel hier drin. Aber am anderen Ende wird es schon wieder hell. Von dort gibt es einen tollen Blick ins Tal."
Nach einer Talbiegung kommt ganz weit unten eine Meeresbucht mit Skagway in Sicht.
"Das dort unten ist kein See. Es ist der Lynnfjord, an dem Skagway liegt."
Kilometer 177: Glücksritter und Kreuzfahrer in Skagway
Zwei riesige Kreuzfahrschiffe liegen im Hafen von Skagway. Die Kreuzfahrer fluten durch die Hauptstraße, in der sich Geschäft an Geschäft reiht. Die Häuser sehen noch original aus wie zur Zeit des Goldrausches. Nach einem Landausflug mit der Whitepass-Bahn stöbern hier die Kreuzfahrer nach Mitbringseln, vor allem in den zahlreichen Gold- und Juweliergeschäften, oder sie besuchen das Klondike Gold Rush Visitor Center. Dort erzählt Parkrangerin Cassie Anderson von der beschwerlichen Reise der goldgierigen Glücksritter, die Ende des 19. Jahrhunderts in den Yukon zogen.
"Es waren Stadtmenschen, die keine Ahnung hatten, wie man in der Wildnis überlebt. Die Küstenberge versperrten ihnen den Weg ins Landesinnere. Es gab nur zwei Wege hinüberzukommen, entweder von Skageway oder vom 9 Meilen entfernten Deyea aus. Von Skageway stiegen sie über den Whitepass, aber das war ein sehr steiler, schlammiger Pfad. Und die Leute konnten ihre Pferde nicht ordentlich bepacken. So starben 3.000 Pferde auf diesem Weg. Die zweite Möglichkeit von Dyea auf dem Chilkoot Trail die Berge zu übersteigen, war auch nicht leichter. Die Ausrüstung der Goldsucher wog eine Tonne. So mussten sie den Trail 30 bis 40 Mal gehen, und der ist über 50 Kilometer lang!"
Die ersten Goldsucher waren Stadtmenschen, sie hatten keine Ahnung von der Wildnis
Nachdem die Goldsucher ihre Ausrüstung über die Berge gebracht hatten, waren sie erst am Lake Bennet, jenem See, an dem Frederick Trump sein Establishment betrieb. Bis zum Klondike waren es immer noch 800 Kilometer. Die konnten sie nur auf dem Yukon River zurücklegen. Sie mussten ein Boot oder Floß bauen und damit die Stromschnellen des Flusses bezwingen. Cassie erzählt von der Vergeblichkeit all der Plagerei.
"Wenn sie das überlebten, hatten sie endlich die Goldfelder erreicht. Aber es war zu spät. Alle guten Claims hatten sich schon die gesichert, die zuerst gekommen waren. Die Zehntausende, die nachher kamen, gingen leer aus."
In Skagway legen nicht nur die riesigen Kreuzfahrschiffe an, sondern auch die Fähren die die Küstenorte bis hinunter nach Vancouver miteinander verbinden. Das Städtchen ist der nördlichste Hafen dieser Inside Passage genannten Fährroute.
Für die weitere Rundreise muss der Truck-Camper auf die Autofähre verladen werden. Die Überfahrt von Skagway über den Fjord zur anderen Seite dauert eine Stunde. Der Zielhafen ist Haines.
In Haines hat es einen der modernen Glücksritter an den Strand gespült, die es heute in den Norden zieht. Teilweise kommen sie noch immer wegen des Goldes. Viele kommen aber aus ganz anderen Gründe. So wie Roland Roberts, Bauunternehmer und Musiker. Zuletzt hat er in Denver gelebt, jetzt sucht er hier oben einen Neuanfang.
"Den Song habe ich heute Morgen geschrieben. Hier am Strand. Manchmal spiele ich für ein bisschen Geld, aber meistens einfach so zum Spaß. Aus Denver bin ich weg, weil ich dieser Riesenstadt einfach müde war."
So verkaufte er alles, was er besaß, und kam nach Alaska. Hier sucht er Ruhe, und er schätzt die gelassene Lebensweise.
"Niemand hat’s besonders eilig hier, und du kannst von überall im Ort zu Fuß ans Meer spazieren, den Wellen lauschen, auf die Berge schauen, und den Wind in den Haaren spüren."
Die Bewohner Alaskas schätzen vor allen Dingen die Ruhe und die Natur
Es geht weiter: von der Küste zurück in die Berge, von Alaska zurück in den Yukon. Zunächst entlang des Chilkat Rivers, an dem sich zum Lachszug tausende Weißkopfseeadler versammeln. Dann hinauf auf den 1.000 m hohen Chilkat Pass. Der saftig grüne Küstenwald bleibt zurück. Stattdessen winterlich verschneite Berggipfel über einer kargen Hochebene, die vom Highway weithin zu überblicken ist. Die gewaltige Gebirgslandschaft des Kluane Nationalparks taucht am Horizont auf: fast 6.000 m hohe Gipfel mit riesigen Gletschern und dem größten nichtpolaren Eisfeld der Erde. 80 Prozent der Parkfläche sind von Schnee und Eis bedeckt. Es ist eine kaum zugängliche, unberührte Bergwildnis so groß wie Hessen. In dem Park leben Wolf, Vielfraß, Elch und Bär - viele Bären. Hier gibt es die dichteste Grizzly-Population in Nordamerika.
Kilometer 363: "Versteinerter" Gletscher
Nationalpark-Guide Amber Bertrand-Althouse führt über den Rock Glacier, einem gewaltigen, staubtrockenen Steinhaufen. Bei jedem Schritt klirrt es, als ginge es über Scherben. (Atmo). Es ist ein Gletscher aus Steinen und ganz wenig Eis, das sich in vielen Metern Tiefe verbirgt. Kaum einen Kilometer vom Highway entfernt kann man von diesem seltsamen Gletscher ein weites Tal überblicken. In der Ferne rollt ein einzelnes Wohnmobil über den Highway, der hier über 70 Kilometer die Ostgrenze des Parks markiert. Alles Land jenseits des Highways steht unter der Selbstverwaltung der Champagne Aishihik First Nation.
"Der Kluane Nationalpark wird gemeinsam verwaltet von der kanadischen Nationalparkbehörde und von den beiden First Nations, deren traditionelle Gebiete sich mit dem Nationalparkgebiet überschneiden."
So viel Mitspracherecht gab es für die First Nations lange Zeit nicht. Amber, die selbst indigene Wurzeln hat, erzählt von der Vorgeschichte und den Anfängen des Nationalparks.
"Das hier war alles völlig unberührtes Land, in dem die Menschen nomadisch lebten, bis der Highway gebaut wurde. Die Straße änderte alles. Die Menschen wurden gezwungen, sich anzupassen."
Die Indianer hatten immer nachhaltig gejagt und nur so viele Tiere erlegt wie nötig. Durch den Straßenbau wurde das Gleichgewicht zerstört.
"Über 30.000 Arbeiter kamen hierher, um die Straße zu bauen. Alle brauchten zu essen, und so wurde gejagt. Als die Überjagung offensichtlich wurde, richtete die Regierung 1943 das Kluane Game Sanctuary ein, in dem überhaupt nicht mehr gejagt werden durfte."
Man merkt Amber an, wie emotional das Thema ist. Kein Wunder, für die Indianer wurde nicht nur ihr altes Leben mit einem Schlag umgekrempelt, es begann für sie auch noch eine lange Zeit des Leidens.
"Was wurde aus den Menschen, die hier seit Jahrtausenden auf die Jagd gingen? Ihr Überleben hing davon ab. Und auf einmal war ihnen die Jagd verboten."
Die First Nations haben nachhaltig gejagt und das Gleichgewicht der Natur erhalten
Plötzlich gab es eine Regierung und Gerichte, die den Indianern vorschrieben, wie sie zu leben hatten. Sie mussten sich anpassen, ihr altes Leben aufgeben und eine neue Sprache lernen. Am schlimmsten war aber, dass ihnen die Kinder genommen wurden. Sie kamen in Internate und Heime oder zu Pflegefamilien. Noch bis in die 1980er Jahre hinein wurden die Familien auf diese Weise zerrissen.
Kilometer 482: Silvercity Airport
Pilot Charles Phillips gibt Gas. Nach kurzem Anlauf hebt die kleine Maschine ab. Charles hat drei Gäste an Bord, die er ins Herz des Kluane Nationalparks fliegt. Es ist eng, ein bisschen wie in einem fliegenden Fiat 500, aber die Aussicht ist überragend. Charles zeigt auf einen kleinen verwilderten Feldweg.
"Unten links die kleine Straße, das ist der ursprüngliche Alaska Highway. Dort drüben sieht man die Reste der Brücke, die über den Fluss führte."
Nach ein paar Flugminuten taucht hinter einer Talbiegung der erste Gletscher auf.
"Da links vorne kann man den Kaskawulsh Gletscher sehen. Sein Schmelzwasser fließt in den Slims River und zum Kluane Lake."
Wenig später überfliegt das winzige Flugzeug den Gletscher und steigt immer höher dem gewaltigen Eisfeld im Herzen des Kluane Nationalparks entgegen. Es ist eine riesige Eis- und Schneefläche umrahmt von schneebedeckten 5.000ern.
"Hier sieht es aus, als wären wir in der Arktis. Unser Gletschercamp ist gerade vor uns. Dort landen wir. Normalerweise lande ich hangaufwärts und starte hangabwärts. Aber auch der Wind ist wichtig. Man versucht immer gegen den Wind zu landen und zu starten."
In der vollkommen weißen Landschaft ist die Orientierung schwierig. Nur der größer werdende Schatten des Flugzeugs verrät, dass Charles zur Landung ansetzt. Sanft senkt er die Maschine auf den 300 m dicken Eispanzer und bringt sie bei einem kleinen Zeltdorf mitten in der Schneewüste zum Stehen.
Eine Gruppe Bergsteiger und Skifahrer ist gerade zu Gast in dem Camp. Sie verbringen einige Tage auf dem Gletscher und machen Touren zu den umliegenden Gipfeln. Die Dimension der Landschaft lässt sich kaum ermessen. Mount Logan, Kanadas höchster Berg, scheint zum Greifen nah, vielleicht drei oder vier Kilometer entfernt. Charles weiß es besser. Es sind in Wahrheit über 30 Kilometer bis zu dem Berg. Nach einem kurzen Besuch in dem Camp drängt Charles zum Aufbruch. Man weiß nie, ob das Wetter umschlägt.
"Schnallt eure Sicherheitsgurte an. Dann kann es losgehen."
20 Minuten später landet Charles wieder auf dem Silver City Airport. Unwirklich schnell ist der Wechsel von der endlosen Eiswüste zu der staubigen Landebahn, auf die die Sonne brennt. Direkt daneben, gerade den Flugzeughangars gegenüber stehen die Baracken einer ganz besonderen Forschungsstation. Genutzt wird die Handvoll kleiner Gebäude mit Laboren und Büros von Wissenschaftlern, Studenten und Schülern. Stationsmanager Dr. Harry Penn betreut die Gäste der Kluane Lake Research Station.
"Die Station ist das ganze Jahr in Betrieb. Das wissenschaftliche Spektrum reicht von Hydrologie über Glaziologie, Ökologie und Biologie bis hin zu Landwirtschaft und Meteorologie."
Was das Gebiet für Wissenschaftler so attraktiv macht, ist die Vielzahl unterschiedlicher Ökosysteme.
"Zwischen der Forschungsstation hier am Kluane Lake und dem Eisfeld liegen sieben verschiedene Ökozonen mit unterschiedlichem Klima, unterschiedlicher Flora und Fauna. Eben ganz unterschiedliche Lebensräume. Deshalb ist die Station für ganz Kanada so einzigartig."
Sieben Klimazonen liegen zwischen dem Gletscher und dem Kluane Lake
Gerade sind einige Biologen zu Gast in der Station. Mit Radiotelemetrie erforschen sie Schneeschuhhasen und Luchse. Sam Sonnega von der Trent University interessiert sich für den Zusammenhang zwischen Jäger und Beutetier:
"Die Hasenpopulation verändert sich in Zyklen. Erst nimmt sie zu bis zu einem Maximum , und dann bricht die Population ein. Ein Zyklus dauert 10 bis 12 Jahre. Die Luchspopulation folgt diesem Hasenzyklus mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren. Der Hauptgrund für den Zusammenbruch der Hasenpopulation ist, dass die Luchse alle Hasen erbeuten."
Tatsächlich hoppeln die weißfüßigen Hasen oft an den Highways entlang. Einen der scheuen Luchse zu sehen, ist jedoch ein seltener Glücksfall.
200 km nördlich der Forschungsstation wird der Highway rauer. Schlaglöcher schütteln den Truck Camper durch. Orange Fähnchen und Schilder am Straßenrand warnen vor Schäden und geflickten Stellen. Es gibt mehr und mehr Straßenschäden durch auftauenden Permafrostboden. Dadurch wird der Untergrund weich und die darauf gebaute Straße kommt regelrecht ins Schwimmen.
Kilometer 705: Kühlung für die Straße
Seltsame Röhren ragen aus der Straßenböschung. Sie gehören zu einer aufwendigen Versuchsanlage zur Be- und Entlüftung des Straßenuntergrundes. Damit soll dieser gekühlt werden, um das Tauen des Permafrostbodens zu verhindern.
Ein kurzes Stück weiter kreuzt der Highway die Grenze nach Alaska. Hinter der Grenze erstreckt sich ein riesiges Feuchtgebiet. In einem Besucherinformationszentrum wird über verschiedene Indikatoren des Klimawandels informiert, jenen Klimawandel, den der US-amerikanische Präsident Donald Trump für ein Märchen hält.
Kilometer 874: Erste Kreuzung
An der ersten echten Kreuzung seit 450 km geht es vom Alaska Highway ab auf den Taylor Highway, geradewegs nach Norden. Die schneebedeckten Gipfel des Küstengebirges verschwinden im Rückspiegel. Sanftwellige Hügel mit borealem Nadelwald reichen bis zum Horizont. Es ist ein endloses Heer schmächtiger Fichten von kümmerlichem Wuchs. Über viele Kilometer haben Waldbrände nur noch kahle Baumstämme zurückgelassen.
Nach 105 km kommt Chicken, der erste und einzige Ort am Taylor Highway. Benannt ist die Goldgräbersiedlung nach dem seinerzeit hier häufig vorkommenden Alpenschneehuhn. Die alten Goldgräber hatten aber Probleme mit der richtigen Schreibweise des englischen Namens Ptarmigan, geschrieben mit stummen P am Anfang. So kam es zu dem orthografisch deutlich einfacheren Namen "Hühnchen".
Die ehemalige Goldgräbersiedlung Chicken, die einzige Ortschaft am Taylor Highway
In dem Ort am Rand der bewohnten Welt produziert das amerikanische Fernsehen gerne Sendungen über das Leben der Goldgräber. Robin Hammond, die in Chicken das Postamt verwaltet, findet, dass bei den Reality Shows aber eher nur Unsinn erzählt wird:
"Fake, fake, fake!"
"Das halbe Jahr über kannst du hier nicht so leicht Auto fahren, weil es keinen Schneepflug gibt. Wir müssen alles selbst machen, unser eigenes Wasser, unseren eigenen Strom, einfach alles."
Zweimal pro Woche landet ein Postflugzeug in Chicken. Auf dem Luftweg bekommt Robin frische Lebensmittel. Entsprechend teuer ist alles. Wenn sie im Sommer selbst etwas einkaufen will, fährt sie nach Anchorage oder Fairbanks. Das bedeutet sechs Stunden bzw. acht Stunden Fahrt one way. Im Winter bleibt nur die Versorgung durch das Postflugzeug, zumindest so lange es nicht zu kalt wird. In Chicken kann das Thermometer auf minus 55 °C fallen. Schnee gibt es aber überraschenderweise nicht so viel.
"Wir bekommen höchstens einen Meter Schnee. Es ist hier wie eine kalte Wüste, sehr kalt und sehr trocken."
Im Winter verlassen die meisten Goldgräber den Ort und verbringen die kalten Monate irgendwo im Süden. Robin schickt ihnen dann die Briefe nach.
Die Lebensgrundlage von Chicken ist das Gold. Wie die moderne Goldsuche abläuft, erklärt Mike Busby, der seit über 40 Jahren Gold aus dem Boden holt.
"Gold ist schwer. Bei der Goldgewinnung spielt deshalb die Schwerkraft die entscheidende Rolle. Wir benutzen Wasser, um das goldhaltige Sediment zu bewegen und durch den Gewichtunterschied das Gold auszuwaschen."
Nachdem das feinere, goldführende Material von dem groben Geröll abgetrennt ist, wird es über Gitter gespült. Das Gold und andere Schwerminerale bleiben darin hängen.
"Das Ergebnis ist eine Mischung aus verschiedenen Schwermineralen. Daraus muss dann das Gold ausgefiltert werden. Es hat eine Reinheit von 75 bis 90%. Der Rest ist zumeist Silber. Deshalb schmelzen wir es zum Schluss noch, um schließlich reines Gold zu bekommen."
40 bis 50 Tonnen Sediment laufen pro Stunde bei Mike durch die Waschanlage. Den Nachschub für die Maschinerie bereitzuhalten, ist ein hartes Stück Arbeit, denn um an die goldführende Schicht zu kommen, muss Mike bis zu 25 Meter überlagernde Sedimente abtragen. Dieses Material und auch das goldführende Geröll sind durch den Permafrost betonhart gefroren.
"Deshalb müssen wir das Zeug auftauen oder mit dem Bagger abkratzen. Das macht einen Großteil der ganzen Arbeit aus. Wir bewegen mindestens zehnmal so viel Material, wie wir am Ende durch die Waschanlage schicken."
Ostwärts von Chicken, dort wo Mikes Claim liegt, verwandelt sich der Highway in eine schmale, kurvige Schotterpiste, hügelauf und hügelab. Wenn es stärker regnet, wird diese Route schnell zum Abenteuer. Hier beweist der vierradgetriebene GoNorth Truck Camper seine Zuverlässigkeit und Robustheit, besonders an steilen Passagen. Seine 400 PS treiben das 2,5-Tonnen-Gefährt problemlos jede Steigung hoch. Kurz vor der Grenze sind ein paar Kilometer neu geteert. Sie führen hinauf über die Baumgrenze auf den Top of the World Highway. Die Grenzstation zwischen Alaska und Yukon liegt auf 900 m Seehöhe. Östlich davon geht es in dieser Höhe auf einer Schotterpiste weiter. Der Blick reicht 60 Kilometer und mehr in die bergig-hügelige Landschaft. Wohnmobile und Motorradfahrer sind bei schönstem Wetter und guten Straßenbedingungen unterwegs - bergauf und bergab über den kahlen, baumfreien Höhenrücken. Nach und nach wird es wieder grüner. Bäume am Straßenrand zeigen, dass der Highway etwas an Höhe verliert. Schließlich geht es hinunter nach Dawson City. Die berühmte Goldgräberstadt liegt an der Einmündung des legendären Klondike Rivers in den Yukon River.
Kilometer 1.153: Abgefrorene Zehe und Diamantenzahn
Mit rund 2.200 Einwohnern ist Dawson der zweitgrößte Ort im Yukon und für hiesige Verhältnisse eine Metropole. Im Diamond Tooth Gerties, Kanadas nördlichster Spielhalle, wird jede Nacht gerockt und gezockt - Roulette, Black Jack, einarmiger Bandit.
Die Nacht ist im Sommer taghell. Die Sonne verschwindet kaum drei Stunden unter dem Horizont. Kreuzfahrer, die von der Küste mit Bussen bis hierher gekarrt werden, drängen an die Spieltische und lassen die Kassen klingeln. Bei ihrem überlangen Landausflug besuchen sie aber nicht nur die Show im Gerties. Sie besichtigen auch die Goldfelder. Zum Standardprogramm gehört ein Ausflug zum Bonanza Creek, wo der Goldrausch von 1898 seinen Anfang nahm. Lokale Guides wie Danny Jette erzählen dort den Gästen die Geschichte von George Carmack, seiner indianischen Frau Kate, ihrem Bruder Skookum Jim und dessen Neffen Dawson Charlie.
Bonanza Creek, hier nahm der Goldrausch 1898 seinen Anfang
"Den ersten Goldfund gab es hier am 16. August 1896, aber es ist unklar, wer es gefunden hat. Die Entdeckung wurde George Carmack zugeschrieben, weil er der einzige Weiße in der Gruppe war, und nur er konnte einen Claim offiziell registrieren lassen."
Heute dürfen Besucher am Claim Number One, dem Discovery Claim selbst ihr Glück mit der Goldpfanne versuchen.
Die Chancen sind aber gering.
"Ich glaube nicht, dass es hier noch Gold gibt. Hier wurde alles wieder und wieder durchwühlt."
"Mining the miners" hieß zur Zeit des Goldrausches, den Goldsuchern das Gold abzunehmen, indem ihnen schlaue Händler überteuerte Waren verkauften, vom Whisky bis zur Schaufel. Heute heißt es in Dawson eher "Mining the tourists", denn Touristen kann man in Dawson allerhand verkaufen. Am kuriosesten wird es in einem urigen Saloon an der Queen Street.
Jeden Abend stehen Touristen hier Schlange, um für 5 Dollar eine ganz besondere Zutat in ihren Trink zu bekommen – einen abgefrorenen Zeh. Der Sourtoe Captain erklärt, wie es geht:
"You can trink it fast or you can trink it slow, but your lips have to touch the toe!"
Der schwarze Stummel, der einst ein menschlicher Zeh war, wird in den Whisky versenkt, und dann muss das Glas so ausgetrunken werden, dass der Zeh die Lippen berührt. Der Sourtoe Captain überwacht alles ganz genau, und er passt auch auf, dass kein Spaßvogel den Zeh verschluckt. Das ist auch schon mal vorgekommen und sehr ärgerlich, denn einen Ersatzzeh gibt es nicht so leicht.
Alles bestens, der Proband erhält als Belohnung für seine Heldentat eine Urkunde.
"So, how does it taste?.... Like a salty toe….."
Der "saure" Zeh wäre bestimmt ganz nach dem Geschmack von Jack London gewesen. Hätte es zu seiner Zeit das Ritual schon gegeben, er hätte sicher darüber geschrieben. Wie seine Werke von seinen Erlebnissen am Klondike inspiriert wurden, erzählt Dawne Mitchell im Jack London Museum, das in einem ruhigeren Winkel von Dawson City liegt.
"Er war 21, als er an den Klondike kam, genau wie alle anderen, hungrig, arm, voller Hoffnung, sein Glück mit Gold zu machen. Er kam über den Chilkoot Pass und mit dem Boot den Yukon herunter. Interessanterweise schrieb er nichts als er hier war. Er hatte kein Papier, aber er war ein guter Zuhörer. Und viele der Geschichten, die er hier hörte, wurden zu seinen Geschichten."
Jack London sammelte Goldgräbergeschichten und schrieb später erfolgreiche Bücher
Im Frühjahr 1898 starb Jack London fast an Skorbut. Er ging nach Dawson, wo er sich im Hospital etwas erholte. Im Sommer machte er sich dann auf den Heimweg nach Kalifornien. Den Traum vom großen Goldfund ließ er zurück, dafür schrieb er über seine Erlebnisse.
"Er wurde der meistgelesene und bestbezahlte Autor seiner Zeit. Er verdiente mehr als eine Million Dollar. Seine Bücher wurden in über 80 Sprachen übersetzt. Er war nur ein Jahr hier, aber diese Erfahrung gab den Anstoß zu einer großen Schriftstellerkarriere."
Auf dem Klondike Highway geht es 500 km zurück Richtung Süden, Richtung Whitehorse. Hinter Dawson säumen zunächst Geröllhalden den Highway. Es sind die Hinterlassenschaften jahrzehntelanger Goldsuche. Weiter südwärts werden die Wälder allmählich dichter, die Bäume größer. Nach der Hälfte der Strecke trifft der Highway wieder auf den Yukon River, der lange der einzige Transport- und Reiseweg durch das Land des Goldes war: erst per Floß oder Ruderboot, später mit dem Raddampfer. Diese Ära dauerte bis in die 1950er Jahre. Überall entlang des Flusses gab es damals Stationen und Holzlager, um die Schaufelraddampfer befeuern zu können. Der Fluss war die Lebensader.
Kliometer 1.639: Mit dem Kanu auf dem Yukon
Das darf bei einer Yukonreise nicht fehlen: Mit dem Kanu dem Yukon hinunter, ganz so wie die Goldsucher des 19. Jahrhunderts. Paddelguide Niall Fink erklärt die Technik.
"Das Paddel senkrecht eintauchen. Mit dem Körper vorwärtsziehen. Und dann ein bisschen Druck nach außen, um das Boot gerade zu halten. Das gilt für die Leute im Heck. Wer vorne sitzt, hält einfach das Tempo. Denkt immer dran: Arme gerade, Zug aus dem Rumpf heraus....Wenn ihr aussehen wollt wie ein sexy Kanadier, dann müsst ihr schöne, sexy Paddelschläge machen…. Schaut immer auf einen Punkt in der Ferne. Das hilft euch, das Kanu gerade zu halten."
Ganz entspannt geht es los, flussab mit dem Strom. Der Wasserstand ist ungewöhnlich niedrig, die Strömung schwächer als normal. Wo es zu flach wird, vor allem an der Innenseite von Flussbiegungen, brodelt und rauscht das Wasser. Sand, der vom Fluss mitgetragen wird, erzeugt am Kanu ein rieselndes Geräusch.
"Der Yukon ist praktisch die Hauptschlagader hier im Nordwesten. Es war die eine und einzige Route durch das Yukon Territory und Alaska. Tausende von Jahren reisten auf dem Fluss die Menschen stromauf und stromab."
Überreste dieser Zeit sind bei der Paddeltour überall entlang des Flusses zu sehen: alte, verlassene Siedlungen, Handelsposten, Wrackteile von Raddampfern, an einer Stelle ist gar noch ein ganzes Schiff erhalten.
"Oh, schau mal, ein Weißkopfseeadler….. Gerd, willst Du den nicht fotografieren…… Ja, der ist riesengroß…."
Immer wieder sind am Fluss Adler zu sehen. Mit dem Fotografieren ist es allerdings ein bisschen schwierig, zu schnell treibt die Strömung das Kanu weiter. Frische Spuren im Ufersand beweisen, dass Bären und Elche in der Nähe sind.
150 Kilometer paddeln auf dem Yukon - das klingt nach viel. In diesem riesigen, fast menschenleeren Land ist es aber fast nichts. Als sich in Whitehorse der Kreis schließt und der große Klondike-Kluane-Loop geschafft ist, stehen gut 2.400 Kilometer auf dem Tacho des Truck Campers. 2.400 Kilometer auf dem Alaska Highway, auf dem Klondike Highway, auf dem Taylor Highway und auf dem Top of the World Highway. Dazu noch die Fahrt mit der White-Pass-Yukon-Eisenbahn über die Küstenberge, die Kanutour auf dem Yukon und ein 300 km weiter Flug mit dem Buschflieger in die unzugängliche Bergwelt. Und dennoch: Wer den Nordwesten bereist, wird immer nur einen kleinen Teil davon sehen. Am Ende versteht man, was damit gemeint ist, dass auf den Willkommenstafeln an den Grenzübergängen steht: Yukon – larger than life.