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Albaner in Serbien

Das Presevo-Tal ist eine der strukturschwächsten Regionen Serbiens mit überwiegend albanischer Bevölkerung. Die Arbeitslosigkeit beträgt 60 Prozent, die Armut ist groß, aber auch der politische Konflikt zwischen der albanischen Bevölkerung und der serbischen Regierung macht den Alltag beschwerlich.

Von Dirk Auer |
    Es ist wenig los im Büro des Reiseunternehmens Mimoza, unweit des Busbahnhofs von Presevo. Ein paar Männer stehen herum und trinken Kaffee - auch Direktor Skender Halimi hat jetzt wieder mehr Zeit, denn der große Ansturm auf Reisen nach Westeuropa ist erst einmal vorbei.

    "Die meisten sind über Weihnachten und Neujahr gefahren, um endlich einmal ihre Verwandten im Ausland zu besuchen. Es ist wunderbar, dass das jetzt so einfach möglich ist. Für uns hier ist die Aufhebung des Visazwangs gerade so, als ob man einen Vogel aus dem Käfig entlässt."

    Die Umstehenden beginnen, zu scherzen: Ja, wenn Du kein Geld hast, kannst Du jetzt ganz einfach nach Belgien oder Schweden gehen. Dort bekommst Du Asyl und gleich auch noch einen Mercedes obendrauf. Skender Halimi verzieht das Gesicht.

    "Die ganzen Geschichten über Asylmissbrauch, das war eine üble Propaganda der Medien. Klar, viele Leute wollen natürlich weg, weil es hier keine Arbeit gibt: Von den 180 Leuten, die ich transportiert habe, sind alle schon wieder zurück – weil sie ganz einfach nur zu Besuch im Ausland waren."
    Und doch war für manche die Versuchung groß: Allein in Schweden soll es seit Jahresbeginn 1200 Asylanträge von serbischen Staatsbürgern gegeben haben – die Mehrheit davon Albaner und Roma aus dem Presevo-Tal. Sima Gazikalovic ist Vizedirektor des Koordinationszentrums für Südserbien:

    "Die Menschen hier sind natürlich nicht politisch verfolgt – es ist die schwierige ökonomische Situation, die sie in die Flucht treibt. Allerdings haben wir jetzt noch einmal ein klares Signal aus Belgrad bekommen: dass wir noch mehr daran arbeiten müssen, damit die Leute hier eine Zukunft haben."
    Das Koordinationszentrum wurde 2001 gegründet, nachdem es auch in Südserbien zu einem gewaltsamen Konflikt zwischen serbischen Sicherheitskräften und einer albanischen Guerilla gekommen war. Die zentralen Aufgaben der staatlichen Behörde: die Sicherung des Friedens in der Region und ihre wirtschaftliche Entwicklung.

    "In den zehn Jahren, in denen ich hier bin, gab es zumindest keine großen Auseinandersetzungen mehr zwischen den Ethnien. Sicher, es gibt immer einmal wieder Zwischenfälle, aber das sind kleine fanatische Gruppen, die es überall auf der Welt gibt."
    Die Zwischenfälle, von denen Sima Gazikalovic spricht, sind Bombenanschläge oder Schüsse terroristischer Gruppen auf serbische Polizeieinheiten, wie zuletzt Mitte Februar. Die serbische Regierung beeilte sich daraufhin, zu betonen: Die Sicherheitssituation im Presevo-Tal sei stabil und die Förderung Südserbiens weiterhin ein wichtiges Anliegen der Regierung. Alles Unsinn, sagt dagegen Ragmi Mustafa, ein ehemaliger Kämpfer der albanischen Guerilla und heute Bürgermeister der Gemeinde Presevo:

    "In Wirklichkeit interessiert die Regierung in Belgrad diese Region hier überhaupt nicht. Wenn Geld fließt, dann vor allem in die Gemeinden, in denen Serben wohnen. Und im Bildungsbereich wurde bislang überhaupt nichts erreicht. Noch nicht einmal die Diplome der jungen Leute werden hier anerkannt."
    Um in ihrer Muttersprache studieren zu können, gehen die meisten jungen Albaner an die Universität Pristina im benachbarten Kosovo. Zurück in Serbien, ist das Diplom aber dann tatsächlich wertlos. Schließlich ist die "Republik Kosovo", die das Zeugnis offiziell ausstellt, ein Staat, der für Serbien gar nicht existiert. Mustafa hat seine eigenen Vorstellungen, wie das Problem gelöst werden könnte.

    "Wir haben ein Referendum von 1991, wo wir Albaner erklärt haben: Wir wollen eine Autonomie für diese Region - mit dem Recht auf Vereinigung mit dem Kosovo. Ich glaube nicht, dass es irgendeine politische Macht schafft, den Wunsch der Albaner nach einer Vereinigung mit dem Kosovo zu unterdrücken."

    Draußen an der Hauptstraße von Presevo: Driton Ameti hat ein paar Plastiktüten mit Spinatpflanzen vor sich aufgebaut. Eine Tüte kann er für 50 Cent verkaufen, sagt er – das bringt ihm vielleicht fünf Euro am Tag:

    "Wenn man keine Arbeit hat, was kann man machen? Schlimm, oder?"
    Auch Driton Ameti ist nach der Schule zum Studieren nach Pristina gegangen. Aber eine reguläre Arbeit hat er noch nie gehabt.

    "Suche ein besseres Leben."
    Vor ein paar Jahren hat auch er deshalb versucht, von hier fortzukommen – war einige Zeit in der Schweiz, bis sie ihn abgeschoben haben. Driton packt seine letzten zwei Tüten zusammen und macht sich auf den Heimweg:

    "Momentan ist kein Krieg, aber wenn man keine Arbeit hat, das ist wie Krieg."