Der türkische Botschafter in Albanien, Hidayet Bayraktar, ist ein bekannter Mann in Tirana. Wenig diplomatisch, sondern in scharfen Worten fordert er immer wieder öffentlich, Albanien möge unverzüglich alle Institutionen - zum Beispiel Schulen - schließen, die der Organisation des türkischen Predigers Fethullah Gülen nahestehen. Denn in ihm sieht die türkische Regierung den Drahtzieher für den Putsch vom Juli 2016. Der Botschafter im albanischen Fernsehen:
"Die Familien sollten die Kinder von diesen Schulen fernhalten, sie sollten sie nicht ins Feuer werfen. Albanien kann sich der aufrichtigen Liebe der Türkei sicher sein, ihr müsst diese Organisation in eurem Land zerstören, es ist die gleiche Organisation, die gleiche Funktion. Wir alle waren Zeugen des 15. Juli 2016. Wer will garantieren, dass die gleichen Waffen nicht auch in Albanien abgefeuert werden?"
Die Türkei will Ihren Einfluss in Albanien ausdehnen
Auch der türkische Präsident Erdogan wandte sich an Tirana. Anstelle der Gülen-Schulen würde die türkische Bildungsorganisation Maarif neue Einrichtungen im Ausland finanzieren, die die Gülen-Institutionen ersetzen sollen.
Der Politikwissenschaftler Enri Hide von der Europäischen Universität in Tirana sieht neben dem Kampf gegen den früheren Erdogan-Vertrauen Gülen das deutliche Streben der Türkei, ihren Einfluss in Albanien und auf dem West-Balkan auszuweiten:
"Ein anderes Werkzeug ist Soft-Power und da wird mit der Geschichte gespielt. Es geht um die gemeinsame Zeit im Osmanischen Reich, deswegen seien wir Brüder, hätten das gleiche Blut, hätten so viele Gemeinsamkeiten. Die Türkei ermuntert uns, viel mit ihr gemeinsam zu unternehmen, wissend, dass es mit unserem Nachbarn Griechenland nicht so gut läuft. Die Türkei stößt in diese Lücke."
Überall in Tirana schießen neue Gebäude in die Höhe. Auf der größten Baustelle mitten im Zentrum der albanischen Hauptstadt entsteht die neue Moschee, finanziert durch die türkische Regierung. Enri Hide:
"Das hat mit der neuen Strategie der Türkei zu tun, die ein wahrnehmbarer Akteur in der Region sein möchte. Dafür entert die Türkei die Wirtschaft in Albanien, Kosovo, Mazedonien und Bosnien mit sehr gut platzierten Investitionen in entscheidenden Zweigen wie Energie, Telekommunikation, der Gewinnung von Naturressourcen und im Finanzsystem."
Auch die Muslime in Albanien spüren den Druck aus Ankara
Den Druck aus der Türkei bekommt auch die Muslimische Gemeinde Albaniens zu spüren. Deren Vize-Chef Gazmend Aga berichtet, dass es seit gut anderthalb Jahren keinerlei Kooperation mehr mit der türkischen Regierung gibt. Den Vorschriften aus Ankara wollen sich die Muslime Albaniens nicht beugen, sagt er:
"Unser Widerstand besteht darin, weiterzumachen."
Der 35jährige hat in der Türkei studiert, dort seine Frau kennengelernt. Seit gut einem Jahr hat er das Land nicht mehr besucht. Zehn Schulen, zwei Universitäten, Kliniken sowie Nichtregierungsorganisationen soll die Gülen-Bewegung laut dem türkischen Botschafter in Tirana in Albanien unterhalten. Geschlossen wurde bislang keine einzige Einrichtung. Aber die Trägerschaft oder die Repräsentanten so mancher Institution hätten durchaus gewechselt. Im Stillen, ohne dass in den Medien etwas bekannt wurde, sagt der Politikwissenschaftler Enri Hide. Gazmend Aga von der Muslimischen Gemeinde unterstützt das lautlose Vorgehen:
"Wir mögen es in Albanien nicht, Lärm zu schlagen. Was ich an unseren Religionsführern wirklich sehr schätze ist, dass sie den Kommunismus bekämpft haben, ohne dass das Land im Chaos versunken ist. Es hätte einen Bürgerkrieg geben können. Sie haben Widerstand geleistet, haben die Zerstörung aller Gotteshäuser erlebt. Wir sehen gerade etwas Ähnliches: Die Türkei bedroht immerzu die muslimische Gemeinde, der türkische Botschafter macht das grundsätzlich über die Medien. Was können wir tun? Auch Lärm schlagen? Wir wollen uns nicht auf diese Weise auseinandersetzen und wir werden uns nicht für ein paar Tausend Euro kaufen lassen, auch nicht von der Türkei."
Wie er das sagt, wirkt er weniger kämpferisch als vielmehr gelassen.