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Albtraum für die Arktis?

Rund um den Nordpol vermuten Experten riesige Öl- und Gasvorkommen. Der Ölmulti Exxon und der russische Konzern Rosneft wollen gemeinsam Öl und Gas in der Karasee fördern – trotz der Risiken. So steht bei Unfällen in der Arktis keine ausgebaute Infrastruktur zur schnellen Bekämpfung eines Ölteppichs zur Verfügung.

Alexander Budde im Gespräch mit Theo Geers |
    Theo Geers: Die Arktis ist eine Schatzkammer, die manche gerne plündern würden. Denn rund um den Nordpol vermuten Experten riesige Öl- und Gasvorkommen, an deren Förderung bislang kaum zu denken war. Doch der Klimawandel, der die Eispanzer schmelzen lässt, der technische Fortschritt in der Bohrtechnik, vor allem aber der Energiehunger der Welt in Zeiten, in denen die leichter zugänglichen Ölfelder allmählich zur Neige gehen, sorgen dafür, dass nun der Run auf die unwirtlichen Plätze dieser Erde losgeht. Gestern vereinbarten der Ölmulti Exxon und der russische Staatskonzern Rosneft, gemeinsam Öl und Erdgas zu fördern, und zwar in der Karasee, einem Randmeer des Nordpolarmeeres. Umweltschützer sind alarmiert, denn Ölkatastrophen im Eismeer – das wäre ein Albtraum. Alexander Budde in Stockholm – welche Risiken sind damit verbunden?

    Alexander Budde: Das fängt mal damit an, dass die Geophysiker noch sehr wenig wissen über die Geologie dieser angepeilten Reservoire. Enorme Lagerstätten werden vor der Küste Sibiriens vermutet. Aber das ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten: da geht es bislang um Vergleiche von Bodenprofilen, um Interpretationen, wie Hydrokarbone überhaupt entstehen.

    Denn allein schon die Einsammlung der seismischen Daten ist extrem schwierig:
    Man hat Eisgang, die Kabel mit den Hydrophonen, die hinter den Erkundungsschiffen hergeschleppt werden, die können sich im Eis verfangen, dann geht die Ausrüstung verloren. Man hat im Nordpolarmeer genau wie im Golf von Mexiko kilometerdicke Salzschichten im Untergrund dieser Reservoirs. Man ist also fast blind wenn man dort hineinbohrt. Das sind die technischen Probleme.

    Geers: Und die Risiken der Förderung?

    Budde: Laut Statistik werden die meisten Unfälle vom Personal auf Bohrinseln verursacht, oder im Zusammenhang mit Helikopterflügen. Davon will man weg. In arktischen Gewässern könnten ferngesteuerte Anlagen zum Einsatz kommen, die man auf dem Meeresboden installiert. Und dann Öl und Gas über eine gemeinsame Leitung über hunderte Kilometer an Land oder zu schwimmenden Verladeterminals transportieren. Man denkt auch über schwimmende Produktionsanlagen nach, die sich in der Not vom Pipelinestrang abkoppeln können, etwa um einem Eisberg auszuweichen.

    Aber auch hier sind die Risiken trotz der technologischen Entwicklung enorm. So genannte Gashydrate können im eiskalten Wasser die Leitungen sprengen. Und hinzu kommt die schleichende Vergiftung durch austretende Schadstoffe wie Phenole, durch Lecks in Leitungen oder in ausgedienten Bohrlöchern, in die man diese Chemikalien verklappt.

    Geers: Was wäre bei einem Unfall in der Arktis?

    Budde:Die Havarie der Deepwater Horizon hat uns ja vor Augen geführt, mit welcher Urgewalt Öl und Gas im schlimmsten Fall an die Oberfläche strömen, wenn man beim Bohren auf eine Gasblase stößt. Dringt Gas bis auf die Plattform, dann fehlt nur noch ein Funke zur Explosion. Dann muss man die Turbinen stoppen. Ohne Stromversorgung kann man keine Pumpen betreiben und keine Brände bekämpfen. Um das zu verhindern gibt es strenge Auflagen. Die aber oft nicht eingehalten werden, weil man unter Zeitdruck eine Menge Geld sparen kann. Und eine weitere Gefahr sind natürlich die zunehmenden Tankertransporte entlang der arktischen Küsten.

    Geers: Was wäre wenn Öl austräte?

    Budde:Ein Ölteppich kann sich innerhalb von 24 Stunden um das 100-Fache seiner ursprünglichen Größe ausbreiten. Deshalb muss man schnell reagieren. In der Arktis gibt es aber noch wenig Infrastruktur, keine Nothäfen, keine Helikopter, keine Schiffe, die sich dauerhaft auf See in Bereitschaft halten. Hinzu kommt: das Gebiet ist im Winterhalbjahr kaum zugänglich. Man hat vielerorts starke Strömungen. Eis, Sturm und meterhohe Wellen. Es ist finster. Das würde die Bekämpfung eines Ölteppichs erschweren wenn nicht unmöglich machen. In der Kälte funktionieren die Maschinen nicht und die Bindemittel bleiben wirkungslos. Das Öl setzt sich dauerhaft unter dem Eis fest.

    Nur ein Beispiel: Es ist ja gerade einmal 20 Jahre her dass die Exxon Valdez im Prinz William Sund vor Alaska auf Grund lief. Dort räumt man bis heute auf. Und die Spätfolgen für Plankton, Larven, Jungfische und natürlich auch die Seevögel sind enorm. Die haben bis heute Probleme mit der Reproduktion.