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Albtraum für Rosa Elefanten

Wenn es um Homophobie im Sport geht, diskutieren Funktionäre und Medien vor allem über Fußball und das mögliche Coming-Out des ersten Profikickers. Doch Schwulenfeindlichkeit ist Alltag vieler Sportarten, auch im Freizeitbereich, zum Beispiel im Bowling.

Von Ronny Blaschke |
    Michael Relling lebt ihn Berlin offen schwul. Auch in seinem Lieblingssport Bowling wollte er für Toleranz werben, mit Freunden gründete er vor zwei Jahren die Rosa Elefanten, das erste bekennend homosexuelle Bowling-Team in der Hauptstadt. Aus einem Hobby ist ein Albtraum geworden. Die Rosa Elefanten wurden von der Fachvereinigung Bowling anfangs auf Probe aufgenommen. Sie sollten nur schwarze Kleidung tragen, Symbole der Schwulenbewegung waren ihnen untersagt. Mehrfach wurden die Rosa Elefanten von ihren sportlichen Gegnern verunglimpft und diskriminiert. Michael Relling:

    "Mir ist es selbst passiert, dass ich bedroht worden bin hier unten im Umkleideraum von einem, der gesagt hat, ich wäre ein Arschloch und ich soll mich endlich verpissen, sonst würden sie uns hier von der Bahn prügeln. Wir sind hier nicht erwünscht, wir würden hier nur Stress machen, wir wären diejenigen, die ganz viel Aufruhr bringen in eine normale Welt. Entweder halten wir uns zurück und wir halten endlich die Klappe oder wir sollen uns endlich verziehen."

    Die Rose Elefanten haben in einer Bowling-Halle im Bezirk Wedding begonnen, dort erhielten sie meist die Außenbahnen. Weil die Spieler auf dem Heimweg oft beschimpft wurden, verlegten sie ihr Training nach Schöneberg, wo viele Lesben und Schwule leben. Doch auch in Schöneberg fanden sie kaum Sponsoren und mussten sich immer wieder rechtfertigen. In einer Sportart, in der Männer das Sagen haben und Nachwuchs schwer zu finden ist.

    "Wir haben es sogar schon gehabt, dass wir Leute dabei haben, die gesagt haben, sie würden gerne mit uns spielen, aber wegen des Namens können sie das nicht, weil sie Angst haben, dass andere Leute denken könnten, sie sind auch schwul. Wir haben einen dabei, der hat sogar ein Kind, also ein heterosexueller Mann mit Kind. Und es hat, glaube ich, die Bahn hier gesprengt, als der sein Kind mitgebracht hat. Da haben sie gedacht: Oh, mein Gott, haben die sich jetzt schon vermehrt? Das war für die ganz verwirrend, dass da Normale in Anführungsstrichen mit uns spielen."

    Michael Relling und die Rosa Elefanten haben bei den Verbandsfunktionären nachgefragt, differenzierte Antidiskriminierungsrichtlinien gibt es nicht. Für ein Interview standen weder die Funktionäre aus Berlin noch diejenigen aus der übergreifenden Deutschen Bowling-Union zur Verfügung. Michael Relling hat in einem Internetportal nach neuen Vereinsmitgliedern gesucht, mehr als 120 Spieler haben seine Anzeige aufgerufen, gemeldet hat sich niemand. Hin und wieder hört er von Mitgliedern anderer Teams, die ihre Homosexualität verstecken und biografische Fakten erfinden, um nicht aufzufallen.

    "Wir haben uns sogar schon überlegt, den Namen zu ändern und abzukürzen, um rauszukommen aus der Sache. Man denkt sich doch, habe ich die Leute provoziert? Habe ich durch meine Art Stress gemacht, was überhaupt nicht stimmt? Also man fühlt sich automatisch als Täter, obwohl man Opfer ist, das ist ein ganz, ganz schlimmes Gefühl, das macht einen auf jeden Fall ängstlich."

    Mike Krause kennt diese Gedanken, er ist Vorsitzender des GBC, des Gemeinschaftlichen Bowlingclubs Berlin. Dreißig Prozent seiner Mitglieder sind homosexuell, auch Krause. Schon nach der Vereinsgründung im Juli 2012 wurde den heterosexuellen Spielern von ihren Gegnern eine Rechtfertigung abverlangt: Wie können sie bloß in einem solchen Verein spielen? Ein A-Lizenz-Schiedsrichter bezeichnete das Team pauschal als "Schwuchteln". Der Schiedsrichter, der zugleich einem anderen Verein vorsteht, wollte ein Talent des GBC abwerben, während eines laufenden Wettbewerbes. Er hatte das Talent vor künftigen "Verbalattacken" bewahren wollen. Mike Krause wandte sich an den zuständigen Verband: den BBV, den Berliner Bowling-Verein.

    "Sie wollen es unter den Tisch kehren, sie sind nicht bereit, überhaupt Stellung zu beziehen. Uns wurde sogar das Wort entzogen, wir durften nicht einmal in einer Mitgliederversammlung das Thema Diskriminierung ansprechen. Da fehlt einem jedes Wort, wenn man das Verhalten sieht, wie sie Abstand nehmen, wie sie um Gottes Willen noch nicht einmal Guten Tag sagen müssen oder wollen. Oder gar nicht angesprochen werden möchten."

    Mike Krause fühlt sich von den Bowling-Funktionären im Stich gelassen. Er hat sich an den Landessportbund Berlin gewandt, an den Senat, die Schwulenberatung, die Antidiskriminierungsstelle. Und er hat Strafantrag gegen den Schiedsrichter gestellt, der den GBC verunglimpft hatte. Behörden und Politik loben den Mut Krauses, doch innerhalb der Bowlingszene hat seine Mannschaft einen schweren Stand.

    "Wenn man einen Strike hat, klatscht man auch den Gegner ab. Es gibt Sportskameraden von den anderen Vereinen, die klatschen ganz normal ab, und andere klatschen nur ganz sanft, ganz kurz, als ob sie uns um Gottes Willen bloß nicht berühren wollen. Aber weil es sportliche Fairness ist, klatschen sie mit Hängen und Würgen ab."

    Mike Krause geht es nicht nur um die Sanktion von Schmähungen, er möchte Prävention stärken. So findet am 18. Mai, am Samstag vor Pfingsten, ein Bowlingsportfest gegen Homophobie statt. In Schöneberg sollen Spieler, Initiativen und Politik ins Gespräch kommen. Finanzielle Unterstützung erhalten die Organisatoren von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Die Bowlingverbände haben dagegen einen Zuschuss verweigert. Auf der letzten Jahreshauptversammlung hatte Mike Krause den Antrag gestellt, eine Sanktionsmöglichkeit gegen Diskriminierung in die Verbandssatzung aufzunehmen. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.