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Album „Genesis“ der Band XIXA
Das Innere des Kaktus

Die Stadt Tucson liegt in der Sonora-Wüste mit ihren ikonischen Saguaro-Kakteen und ist Heimat der Band amerikanischen Band XIXA. Seinen tex-mex-Western-Sound vermischt das Sextett neuerdings sogar mit Elektronik - und einem Kinderchor aus Grönland.

Von Anke Behlert | 07.03.2021
Sechs dunkelgekleidete Männer stehen in einer Berglandschaft. Zwei Männer tragen einen Hut.
Brian Lopez, Hikit Corbel, Winston Watson, Jason Urman, Efren Cruz Chavez. Gabriel Sullivan (v.l.n.r.) (Puspa Lohmeyer)
Musik: "Land where we lie"
Wie sang einst schon John Lennon in seinem Song "Beautiful boy": Leben ist, was passiert, während man damit beschäftigt ist, Pläne zu machen. Und wenn einem das Leben dann manchmal ein unerwartetes Geschenk vor die Nase setzt, tut man gut daran, es anzunehmen. Das haben die beiden Musiker Gabriel Sullivan und Brian Lopez getan und deshalb singt auf dem zweiten Album ihrer Band XIXA unter anderem auch ein grönländischer Kinderchor, sagt Lopez.
Brian Lopez: "Gabe und ich haben das Album produziert und sind die einzelnen Songs durchgegangen. Bei "Land where we lie " dachte ich: ein Kinderchor, wie in dem Film "Lost Boys", wäre ein super Outro. Wir haben dem Tucson Boys Chorus eine Email geschrieben und sind dann Mittag essen gegangen. Dabei haben wir zufällig unsere Freundin Nive Nielsen getroffen, eine grönländische Musikerin, die gerade mit dem Uummannaq Greenland Children's Choir in der Stadt war. Und sie waren von der Idee begeistert, bei dem Song mitzusingen. Wir sind also zusammen ins Studio und sie haben uns umgehauen. Also haben wir sie gleich noch für zwei andere Stücke eingesetzt."
Musik: "Land where we lie"
Die eisig wirkenden Kinderstimmen tragen zum düsteren Unterton bei, der die Musik von XIXA immer durchzieht. Das 2016er Debütalbum heißt "Bloodline", die Songs "Killer" oder "Dead man". Biblische Symbolik und mystische Bildsprache finden sich in fast jedem Song. Das setzt sich auch dem zweiten Album fort, das den bedeutungsschweren Titel "Genesis" trägt.
Musik: "Genesis of Gaea"
Aufgenommen haben XIXA die neuen Songs wieder im eigenen Studio namens "Dust & Stone". Dort lassen sie sägend-verzerrte Gitarrenmelodien, kraftvolle Percussions, Cumbia-Rhythmen und neuerdings vermehrt ätherisch schwebende oder bebende Synthesizer und andere elektronische Elemente in ausgefeilten Arrangements zusammenfließen. Zu denen man auch tanzen kann.
Musik: "Eclipse"
Beim Schreiben und Arrangieren haben sich Lopez und Sullivan unter anderem von ihrer Vorliebe für 80er Gothic- und Synthiepop-Bands wie XTC oder Depeche Mode inspirieren lassen. Den Text zum Song "Velveteen" hat Lopez geschrieben, weil ihn das Wort fasziniert hat.

Ein Text für ein Wort

"Ich habe das Buch "Lush Life" von Richard Price gelesen. In einem Abschnitt spricht er über ein heruntergekommenes Gebäude in New York und die velveteen curtains, also die samtigen Vorhänge darin. Und ich dachte nur: Wow, velveteen, ich habe das Wort noch nie geschrieben gesehen. Als wir an dem Song arbeiteten, hatten wir zunächst nur eine Melodie. Und ich habe entschieden, dass ich den ganzen Text um dieses eine Wort schreiben will."
Musikalisch ist "Velveteen" eine Hommage an Bananaramas Hit "Cruel Summer". Auch wenn man das nicht unbedingt hört.
Musik: "Velveteen"
Beim Song "Eve of Agnes" sind XIXAs Wüstenbrüder von der algerischen Band Imarhan mit von der Partie, die ihren nordafrikanischen Tuareg-Blues in den Sound einbringen.
"Imarhan waren auf Tour in den USA, sie hatten ein paar Tage frei und wir haben sie ins Studio eingeladen. Bei XIXA machen wir alles oftmals spontan und schnell, also hatten wir nur ein paar basic Tracks aufgenommen, damit Imarhan den Vibe des Songs verstehen. Es ist erstaunlich: wir können uns mit Sprache nur schwer verständigen, aber sobald wir zusammen Musik machen, ist es ganz einfach. Der Sänger Sadam hat also den Refrain gesungen und alle haben sich ums Mikro gestellt und sind mit eingestiegen. Und fertig war der Song."
Musik: "Eve of Agnes"
Auf ihrem Debütalbum "Bloodline" haben XIXA die physischen Elemente des von ihnen bewohnten Grenzlandes eingefangen, mit "Genesis" bewegen sie sich auf die metaphysische Ebene. Das wird auch beim Album-Cover deutlich, das Inhalt und Atmosphäre der Platte perfekt widerspiegelt. Gestaltet hat es der Künstler Daniel Martin Diaz: Ein goldenes Mandala auf schwarzem Grund mit christlichen, alchemistischen und masonischen Symbolen und UFOs.

Licht und Schatten

Zwei Mal wurde das Veröffentlichungsdatum verschoben, aber das in XIXAs Musik stets mitschwingende Unbehagen passt auch jetzt. Was nicht heißen soll, dass man beim Hören von "Genesis" schlechte Laune bekommt, im Gegenteil. Die inspirierte Sicht auf Licht und Schatten ihrer Heimatregion ist erfrischend und unerwartet.
"Ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat, aber man nimmt den Saguaro-Kaktus und kehrt das Innere nach außen, sodass man das Skelett und das ganze Innenleben sieht. Es ist immer noch dasselbe Land, derselbe Kaktus, es ist nur eine andere Perspektive."
Und die findet man bei XIXA und ihrem wilden, grenzüberschreitenden Sound ganz sicher.