Als Warpaint vor ein paar Wochen die erste Single "New Song" aus dem neuen Album veröffentlichten, da kratzte sich so mancher ungläubig am Kopf. So poppig hatte man die Band noch nie gehört. Und wollte man das? "New Song" ist ein nettes Liebeslied, catchy und mit Mitsummpotenzial. Aber wo ist die dunkle und psychedelische Seite geblieben, für die die vier Frauen von Warpaint bisher geschätzt wurden? Bassistin Jenny Lee Lindbergh hat den Song geschrieben.
"Wir sind Kinder der 1980er. Ich habe damals viel Pop gehört, man konnte ja gar nicht anders. Und das ist hier eingeflossen. Vielleicht ist das der poppigste Song, den wir je geschrieben haben. Ich mag das schnelle Tempo, das animiert mich total rauszugehen. Wir spielen sonst immer um die 98 Beats per Minute, und wenn dann ein Song mal 123 Beats per Minute hat wie "New Song", dann will ich irgendwas tun, tanzen oder joggen gehen.
"New Song" gibt also die neue Richtung vor, denn die Direktive für Warpaints neues Album "Heads Up" war genau das: mehr Pop, mehr Tempo, mehr Tanzbarkeit.
"Lasst uns offener sein für neue Ideen, mit mehr Stimmen singen. Lasst uns die Sachen machen, die wir auch live machen, also mehr Gesang. Oder die Gitarren übernehmen andere Instrumentenparts, damit es mehr Energie bekommt. Das war unser Masterplan von Anfang an: Lasst uns eine Art Live-Album machen."
Schneller und dynamischer
Schneller und dynamischer sind die elf Songs, keine Frage. Es fällt nun noch viel mehr auf, welch hervorragende Schlagzeugerin Stella Mozgawa ist, die immer das passende rollende Rhythmusbett findet und sich bei aller Banddisziplin eine gewisse Verspieltheit bewahrt hat, so wie ihre Bandkollegen auch. Und diesen gewissen Warpaint-Touch, die Melancholie, das Ausloten von Dark California, dieser düsteren, dystopischen Seite der Heimat von Hollywood und Silicon Valley – diesen Touch haben sich Warpaint zum Glück bewahrt. Aber wie ist ihr typische Sound überhaupt entstanden und wie viel hat er überhaupt mit Kalifornien zu tun? Jenny Lee Lindbergh war mit ihrer Schwester Shannyn Gründungsmitglied.
"Wir kommen aus Reno, Nevada, einer kleinen Stadt, düster und etwas unheimlich. Und als wir nach LA zogen, die ist zwar auch eine sehr dunkle Stadt, aber trotzdem war das wie eine Offenbarung. So viele Optionen, so viele Menschen zum Kennenlernen, so viel Kunst und Musik. Und zum ersten Mal spürte ich, das ich mich unbedingt künstlerisch ausdrücken wollte – in Los Angeles. Also spielt die Stadt schon eine Rolle in unserer Musik."
Kleinstädtische Teanager-Angst als Motor für Kreativität
Kleinstädtische Teenager-Angst als Motor der Kreativität also. Aber diesem Alter sind die Bandmitglieder natürlich längst entwachsen, sie sind alle über 30. Nach der letzten Tour fühlte sich die Band ausgebrannt, es folgte eine längere Pause und die alten Strategien wurden überdacht. Für "Heads Up" haben sich die vier Frauen eine besondere Arbeitsweise einfallen lassen. Bei den bisherigen Alben herrschte Konsenspflicht, alle mussten jedem Einfall zustimmen - eine demokratische, aber sehr zeitraubende Methode. In diese Falle der Überanalyse wollten sich die vier nicht noch einmal begeben, der Live-Gedanke stand im Vordergrund.
"Für dieses Album haben wir viel spontan aufgenommen. Eine von uns hat immer on the fly aufgenommen, also, was ihr in dem Moment einfiel. Wenn zwei das Grundgerüst für einen Song geschrieben hatten, dann hieß es, jetzt bist du dran, nimm deinen Part auf. Und so gab es immer eine Person, die dem Song etwas völlig Neues zugefügt hat. Und so haben wir die Spontanität eingefangen."
Diesen Mut zum intuitiven Handeln hört man heraus. Alles klingt sehr organisch und in sich ruhend. Dafür ist auch der mehrstimmige Gesang verantwortlich, den Warpaint live schon immer viel eingesetzt haben, und nun verstärkt auch auf Platte.
"Heads Up" ist ein warmes, ein geschmeidiges Album, das thematisch einmal mehr die zwischenmenschliche Beziehungsproblematik verhandelt. Eine sehr erwachsene Band, die ihre Popader entdeckt und diese gut in ihren charakteristischen Sound integriert hat. Es darf getanzt werden, aber die Melancholie schwingt immer noch mit.