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Alemannia Aachen
Auf dem rechten Auge blind

Vor knapp zwei Jahren überfielen Mitglieder des rechtsorientierten Aachener Fanklubs "Karlsbande“ antirassistisch eingestellte Alemannia-Fans. Nun gab der Verein der Karlsbande alle Fanprivilegien zurück - weil es angeblich keine rechtsradikale Orientierung der Gruppe mehr gibt.

Von Thorsten Poppe |
    Die Aachener Spieler feiern mit den Fans, hier eine Aufnahme vom 22.Februar 2014.
    Die Mehrheit ist friedlich - aber es gibt auch gewaltbereite und rechts orientierte Strömungen unter den Fans von Alemannia Aachen. (Revierfoto, dpa)
    September 2012: Die antirassistische Fangruppe "Aachen Ultras" wird von den rechts orientierten Anhängern Alemannia Aachens, der "Karlsbande", hinterrücks brutal überfallen. Die Aggressoren waren dabei zahlenmäßig mit ca. 100 Personen mehr als doppelt so stark wie ihre Opfer, auf die sie mit Gürteln, Stangen und Flaschen einprügelten. Nach langem Zögern entzog die Alemannia daraufhin der "Karlsbande" alle Fanprivilegien. Dennoch zogen sich kurze Zeit später die "Aachen Ultras" wegen des anhaltenden Bedrohungsszenarios komplett zurück.
    Aktuell erteilte der Verein jetzt der "Karlsbande" überraschend wieder alle Fanprivilegien. Ein Schlag ins Gesicht für die Aachen Ultras, bis heute bedroht werden. Zum Schutz vor Übergriffen ist die nachfolgende Aussage deshalb nachgesprochen, die Person ist aber der Redaktion namentlich und persönlich bekannt:
    "Die Bedrohungslage für alle Menschen, die mit Aachen Ultras in Verbindung gebracht werden, ist nach wie vor hoch. Wir meiden das Kneipenviertel und sind vor allem an Spieltagen wachsam. Ein Stadionbesuch ist nach wie vor undenkbar. Wir sehen keine positive Veränderung, warum auch? Wir mussten der Karlsbande und rechten Hooligans das Stadion überlassen, das war ihr Ziel und das haben sie mit Hilfe des Vereins geschafft."
    Kein Kommentar
    Warum der Klub der "Bande" ihre Privilegien zurückgibt, verrät er uns nicht. Unsere Interview-Anfrage wird ohne Begründung abgesagt. Doch in der Aachener Zeitung vom 22. September verweist Alemannia-Geschäftsführer Alexander Mronz darauf, dass sich die "Karlsbande" von früheren Denkweisen distanziert habe. So zeigte sich die Gruppe bei einem Spiel mit folgender Aussage auf einem Plakat:
    "Rechtsextremismus und Rassismus haben bei uns keinen Platz! Das einzige was zählt, ist Alemannia!"
    Den Tipp mit diesem Plakat bekam die Karlsbande übrigens vom Alemannia-Geschäftsführer persönlich, um sich in der Öffentlichkeit als geläutert zu zeigen. Da sich die Aussage aber nicht ausdrücklich von Gewalt distanzierte, legte Mronz in der Aachener Zeitung noch einmal nach:
    "Wir haben mit der Polizei und dem Ordnungsamt gesprochen. Es gab keine Hinweise mehr auf eine rechtsradikale Orientierung der Gruppe."
    Das sieht die Aachener Polizei auch ein paar Wochen nach seiner Aussage immer noch komplett anders. Zwar konnte sie auch feststellen, dass es nicht mehr so schlimm bei der Karlsbande ist wie noch vor über zwei Jahren. Aber mit ihr hat seitens des Vereins keiner im Vorfeld darüber gesprochen, wie Hauptkommissar Paul Kemen erläutert:
    "Wir haben nicht mit an einem Tisch gesessen bei dieser Entscheidung, und von daher findet das auch nicht unsere Rückendeckung. Weil die Erkenntnisse, die dort vorgegeben werden, man sei wohl nicht mehr rechtsoffen, das ist uns was wenig. Wir hätten gerne eine klare Abkehr von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus innerhalb und außerhalb der Stadien. Das fehlt uns total."
    Wir zeigen der Polizei unsere Rechercheerkenntnisse. Auf Fotos aus sozialen Netzwerken ist bei einem Konzert der Band "Kategorie C" mindestens ein führendes Mitglied der Karlsbande deutlich zu erkennen. Das Konzert der Band, die in Nazi- und Hooligankreisen Kultstatus besitzt, fand allerdings deutlich nach der Distanzierung der Karlsbande von Rassismus und Radikalismus statt.
    Foto mit Hitlergruß
    Dazu kursiert im Internet noch ein Foto aus dem Sommer, auf dem ein Mitglied der Gruppe eindeutig den Hitlergruß zeigt:
    "Deswegen waren wir über diese Aufhebung dieses Bannerverbotes völlig überrascht. Das ist das falsche Signal zum falschen Zeitpunkt. Das muss man ganz klar herausstellen. Und das ist auch mit der Aachener Polizei so nicht zu machen. Wir haben es deutlich gemacht, und wir können eigentlich nur jedem raten, auf so einen deutlichen Hinweis zu reagieren."
    Dazu kritisiert die Aachener Polizei öffentlich das Vorgehen der Ordner des Vereins beim Spiel gegen den KFC Uerdingen ein Banner mit der Aufschrift „Kein Bock auf Nazis" einkassiert zu haben. Auch das habe allein die Alemannia zu verantworten. Für langjährige Beobachter wie den Vorsitzenden des Sportausschusses der Stadt Aachen, Jonas Paul, ist das alles keine Überraschung. Für ihn fehlt dem Verein im Umgang mit seinen rechten Fans ein überzeugendes Konzept:
    "Es passt vielleicht ein bisschen in das Bild, dass seitens des Vereins immer versucht wird, Ruhe im Stadion zu haben, der Karlsbande jetzt Zugeständnisse zu machen, damit man sie sich ein bisschen ruhig hält, und wieder ins Stadion holt. Ich habe bis jetzt nicht erlebt, das zum Beispiel die Konflikte und die Angriffe auf die Aachen Ultras aufgearbeitet wurden sind. Dass man sich davon klar distanziert hat. Sondern die Ruhe, die auf dem Tivoli bestand, ist meiner Meinung nach darin begründet, dass eine der beiden Gruppen nämlich die Aachen Ultras nicht mehr da sind. Ich glaube, würden sie heute wieder ins Stadion gehen, hätten wir wieder eine ähnliche Situation wie damals."
    Das Beispiel Aachen macht deutlich, woher die rechte Fußballszene zurzeit ihren Rückenwind bekommt. Das Stadion wird für sie vielerorts zur Komfortzone, wo sie ihre Ideologie offen verbreiten kann. Gerade weil viele Vereine sich den Nazis nicht deutlich entgegenstellen.