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Aleppo
In den Trümmern ist wieder Leben

Im Dezember entschied sich der jahrelange Kampf um Aleppo. Etwa ein Drittel der syrischen Stadt ist teilweise oder vollständig zerstört. Doch heute wohnen dort wieder mehr als 250.000 Menschen - und täglich werden es mehr. Eindrücke aus Aleppo nach einem halben Jahr Frieden.

Von Carsten Kühntopp |
    Bilder des zerstörten Aleppo.
    Immer mehr Menschen kehren in das vom jahrelangen Krieg zerstörte Aleppo zurück. (picture alliance / MAXPPP / dpa)
    Es ist Leben in diesen Trümmern. Vier junge Männer stehen an einem Tisch und hacken Zwiebeln, im Akkord und säckeweise. Einen Tisch weiter vierteln Freiwillige Tomaten, schneiden Karotten, wässern Reis in Plastikwannen, es wird viel gelacht. Etwa 30 junge Leute sind im Hof dieser ehemaligen Moschee zusammengekommen, heute kochen sie.
    Die Lebensmittel sind Spenden, jeden Tag werden daraus 13.000 Mahlzeiten für die Verteilung an Bedürftige. Während des Kampfes um Aleppo wurde die Moschee zerstört, im Gebetsraum liegt das Rohr einer Rakete aus russischer Produktion. Jahrelang belagerten Regierungskräfte den Ostteil der Stadt, im vergangenen Dezember mussten die Rebellen dort aufgeben und abziehen. Etwa ein Drittel von Aleppo liegt in Trümmern.
    Viele Assad-Anhänger
    An einer Straßenecke ein älterer Mann, in seinen Händen alles, was von seiner Wohnung und dem Hausstand übrig blieb: ein Koran, ein Deckchen, ein Foto seines Sohnes, ein paar Papiere.
    Herrn Kazmouz geht es besser: Er sitzt vor dem Rolltor seines kleinen Geschäftes und steckt Wasserpfeifen zusammen. 35 Jahre lang betrieb er ein Café, jetzt will er wieder öffnen - hier, zu Füßen der Zitadelle, auf einer Plaza, wo täglich einst tausende Touristen flanierten und die dann zur Front wurde. Herr Kazmouz lobt den Einsatz der Armee unter Führung von Präsident Assad zur Vertreibung der Milizen.
    Dass jeder, mit dem man spricht, Assad anzuhängen scheint, dürfte weniger daran liegen, dass ein Mitarbeiter des Informationsministeriums bei jedem Interview zuhört. Vielmehr haben die Gegner des Präsidenten, die im Osten belagert wurden, die Stadt im Dezember verlassen.
    Immer mehr Menschen ziehen in die Ruinen
    Etwa 55.000 Menschen blieben dort jedoch zurück. Und seit die Regierung den Osten wieder unter Kontrolle hat, sind mehr als 200.000 dorthin gezogen, um in den Ruinen zu leben, Tendenz steigend. Jorge de la Mota Martinez von den Vereinten Nationen in Aleppo nennt das ermutigend:
    "Die Menschen in Aleppo haben eine starke Bindung an ihre Geschichte, an ihre Altstadt. Ihnen liegt sehr viel daran, dass alles wieder so wird wie früher."
    Gemeinsam mit syrischen NGOs stellen die UN Trinkwassercontainer und Generatoren an Straßenecken, geben das Nötigste, damit sich die Menschen irgendwie in den Trümmern in Ostaleppo einrichten können. Hungern muss niemand, selbst einige Schulen wurden wieder geöffnet. Der Wiederaufbau geht langsam, die Regierung hat kein Geld. Als große Herausforderung für Assad in Aleppo gelten nun bewaffnete Banden.
    "Nach jedem Krieg gibt es Kriminelle"
    Der örtliche Abgeordnete Fares al-Shehabi: "Wir müssen das Verbrechen bekämpfen. Nach jedem Krieg gibt es Kriminelle, die von der Rechtlosigkeit profitieren. Zum Glück ist die Regierung da hart, weil sie begriffen hat: Wenn man das jetzt nicht stoppt, wird es so groß, dass man es später nicht mehr stoppen kann."
    Die Küchen-Schicht von Ghaith, 31, in der einstigen Moschee ist vorbei. Bevor er in seinen uralten VW-Bus steigt, um nachhause zu fahren, will er einen Appell loswerden.
    "Die ganze Welt muss sich um die Menschen hier kümmern. Es gab so viele Opfer, hunderttausende, eine Tragödie. Aber wir sind hier in der Stadt, wir leben, und wir versuchen, Aleppo wieder mit Leben zu füllen."