"Wir staunen in diesem Land über den dynamischen Selbstfindungsprozess einer ganzen Religionsgemeinschaft. Da geschieht etwas Neues. Bis 1989 war das Alevitentum praktisch unbekannt."
Der Islam-Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Friedmann Eißler, staunt über die Entwicklung der Alevitischen Gemeinde in Deutschland. Mehr als 500.000 Aleviten gehören ihr mittlerweile an. Die alevitische Kulturwoche 1989 in Hamburg war die erste Veranstaltung überhaupt, in der Aleviten als eigenständige Glaubensgemeinschaft auftraten. Vorher legten sich die Aleviten stets Takiya, das Verbergen ihrer Religion, auf. Grund war der Schutz vor der Unterdrückung im Osmanischen Reich und in der türkischen Republik.
"Das Anliegen war, das Verbergen zu beenden und seine Anerkennung als Religion zu fordern. Und in jener berühmten Eröffnungsansprache sage Ismail Kaplan: Ich möchte, dass alle, die es wollen, sagen können: Ich bin ein Alevit."
Ein Bekenntnis, das in Deutschland seitdem relativ gefahrlos ausgesprochen werden kann. Hierzulande gelten die Aleviten als gut integriert. Ein großer Erfolg ist etwa die Etablierung eines eigenen Religionsunterrichtes in mehreren Bundesländern. In der Türkei jedoch sind die Aleviten massiver Unterdrückung ausgesetzt. Sie folgen nicht den Lehren des sunnitischen Mehrheitsislams. Weder beten Aleviten fünf Mal am Tag, noch treten sie die Pilgerfahrt nach Mekka an oder halten den Ramadan. Weder der Koran noch die Hadithe werden als heilige Schriften anerkannt. Der Genuss von Alkohol ist erlaubt und Frauen wie Männer feiern und beten im Cem-Haus gemeinsam. Dagegen versucht die Türkei, die Aleviten zu assimilieren oder eben brutal zu unterdrücken. Islam-Experte Friedmann Eißler erinnert an die neueste Leidensgeschichte.
"Es sind staatlich organisierte oder geduldete Verbrechen an Alevitinnen und Aleviten. Zwischen 1937 und 1939 kamen während Strafexpeditionen der türkischen Armee rund 70.000 Menschen zu Tode. 1978 wurden in Maras in Südost-Anatolien mehrere Hundert Menschen massakriert. Und dann kam auch ein früher Julitag 1993 in Sivas. Im Rahmen eines Kulturfestivals kamen am 2. Juli 1993 37 Menschen ums Leben, darunter Kulturschaffende, Künstler und Musiker alevitischen Glaubens. Das Gericht in Ankara stellte die Verfahren gegen die Drahtzieher des Massakers im vergangenen Jahr ein. Die von der regierenden AKP dominierte Justiz erklärte die Massaker für verjährt."
Ein von Islamisten aufgehetzter Mob von mehreren Tausend Menschen griff das Hotel an, in dem das alevitische Kulturfest stattfinden sollte. Polizei und Feuerwehr sahen tatenlos zu. Der Musiker Hasret Gültekin gehörte zu den Opfern. Seine Witwe Yeter erinnert sich.
"Zum ersten Mal wurden auch Kinder, Intellektuelle acht Stunden lang eingekesselt, belagert das Hotel, wo sie alle waren, weil man ihnen sagte, am sichersten seien sie im Hotel und sie sollten zusammenbleiben. Acht Stunden lang wurden sie gesteinigt, Hilfe kam nicht, und die Nebengebäude waren alle zu. Sie durften nicht in das Nebengebäude, weil sie Aleviten waren. Sonst wären wohl gar nicht so viele umgekommen."
Mehrere Attentäter sollen heute sogar in Deutschland leben und sich ihrer Tat brüsten, prangert die alevitische Gemeinde an. Aber der türkische Staat hat kaum ein Interesse an der juristischen und politischen Aufarbeitung der Geschehnisse. Die alevitische Gemeinde aber sucht bis heute Zeugen und sammelt Beweise, um die Täter vor Gericht zu stellen. Denn Sivas ist den Aleviten Verpflichtung, sich nicht mehr zu verstecken und zu schweigen, sagt der Berliner Gemeindevorsitzende Ahmet Taner.
"Ich bin ein Ergebnis von Sivas. Der kulturelle Schatz der Aleviten muss in die Öffentlichkeit getragen werden. Heute nach Sivas 1993 hat Sivas die alevitische Bewegung, die alevitischen Menschen dazu gebracht, dass sie sich organisieren. Und wir denken als Diaspora sind wir für die türkischen Aleviten ein sehr wichtiger Kooperationspartner, der den türkischen Aleviten Hoffnung und auch Mut gibt."
Der Islam-Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Friedmann Eißler, staunt über die Entwicklung der Alevitischen Gemeinde in Deutschland. Mehr als 500.000 Aleviten gehören ihr mittlerweile an. Die alevitische Kulturwoche 1989 in Hamburg war die erste Veranstaltung überhaupt, in der Aleviten als eigenständige Glaubensgemeinschaft auftraten. Vorher legten sich die Aleviten stets Takiya, das Verbergen ihrer Religion, auf. Grund war der Schutz vor der Unterdrückung im Osmanischen Reich und in der türkischen Republik.
"Das Anliegen war, das Verbergen zu beenden und seine Anerkennung als Religion zu fordern. Und in jener berühmten Eröffnungsansprache sage Ismail Kaplan: Ich möchte, dass alle, die es wollen, sagen können: Ich bin ein Alevit."
Ein Bekenntnis, das in Deutschland seitdem relativ gefahrlos ausgesprochen werden kann. Hierzulande gelten die Aleviten als gut integriert. Ein großer Erfolg ist etwa die Etablierung eines eigenen Religionsunterrichtes in mehreren Bundesländern. In der Türkei jedoch sind die Aleviten massiver Unterdrückung ausgesetzt. Sie folgen nicht den Lehren des sunnitischen Mehrheitsislams. Weder beten Aleviten fünf Mal am Tag, noch treten sie die Pilgerfahrt nach Mekka an oder halten den Ramadan. Weder der Koran noch die Hadithe werden als heilige Schriften anerkannt. Der Genuss von Alkohol ist erlaubt und Frauen wie Männer feiern und beten im Cem-Haus gemeinsam. Dagegen versucht die Türkei, die Aleviten zu assimilieren oder eben brutal zu unterdrücken. Islam-Experte Friedmann Eißler erinnert an die neueste Leidensgeschichte.
"Es sind staatlich organisierte oder geduldete Verbrechen an Alevitinnen und Aleviten. Zwischen 1937 und 1939 kamen während Strafexpeditionen der türkischen Armee rund 70.000 Menschen zu Tode. 1978 wurden in Maras in Südost-Anatolien mehrere Hundert Menschen massakriert. Und dann kam auch ein früher Julitag 1993 in Sivas. Im Rahmen eines Kulturfestivals kamen am 2. Juli 1993 37 Menschen ums Leben, darunter Kulturschaffende, Künstler und Musiker alevitischen Glaubens. Das Gericht in Ankara stellte die Verfahren gegen die Drahtzieher des Massakers im vergangenen Jahr ein. Die von der regierenden AKP dominierte Justiz erklärte die Massaker für verjährt."
Ein von Islamisten aufgehetzter Mob von mehreren Tausend Menschen griff das Hotel an, in dem das alevitische Kulturfest stattfinden sollte. Polizei und Feuerwehr sahen tatenlos zu. Der Musiker Hasret Gültekin gehörte zu den Opfern. Seine Witwe Yeter erinnert sich.
"Zum ersten Mal wurden auch Kinder, Intellektuelle acht Stunden lang eingekesselt, belagert das Hotel, wo sie alle waren, weil man ihnen sagte, am sichersten seien sie im Hotel und sie sollten zusammenbleiben. Acht Stunden lang wurden sie gesteinigt, Hilfe kam nicht, und die Nebengebäude waren alle zu. Sie durften nicht in das Nebengebäude, weil sie Aleviten waren. Sonst wären wohl gar nicht so viele umgekommen."
Mehrere Attentäter sollen heute sogar in Deutschland leben und sich ihrer Tat brüsten, prangert die alevitische Gemeinde an. Aber der türkische Staat hat kaum ein Interesse an der juristischen und politischen Aufarbeitung der Geschehnisse. Die alevitische Gemeinde aber sucht bis heute Zeugen und sammelt Beweise, um die Täter vor Gericht zu stellen. Denn Sivas ist den Aleviten Verpflichtung, sich nicht mehr zu verstecken und zu schweigen, sagt der Berliner Gemeindevorsitzende Ahmet Taner.
"Ich bin ein Ergebnis von Sivas. Der kulturelle Schatz der Aleviten muss in die Öffentlichkeit getragen werden. Heute nach Sivas 1993 hat Sivas die alevitische Bewegung, die alevitischen Menschen dazu gebracht, dass sie sich organisieren. Und wir denken als Diaspora sind wir für die türkischen Aleviten ein sehr wichtiger Kooperationspartner, der den türkischen Aleviten Hoffnung und auch Mut gibt."