Den Wettbewerb um den schönsten Titel hat Alexandra Stahl in diesem Bücher-Frühjahr für sich entschieden: "Männer ohne Möbel". Das klingt verheißungsvoll und abschreckend zugleich. Im Roman erweisen sich die besagten Exemplare als durchschnittliche Männer auf der Durchreise. Männer, die sich aus Mangel an Talent und Zeit nicht niederlassen und in Folge dessen auch nicht häuslich einrichten. Auf solche Männer scheint Ellie abonniert.
Ellie ist eine junge Frau in Berlin, die im Schreibkurs "Mein Happy End bin ich!" an der Volkshochschule lernt, sich selbst wie eine Romanfigur zu betrachten. Da sich ihr Leben ohnehin anfühlt, als liege ihm das falsche Manuskript zugrunde, ist das nur folgerichtig. Auch ohne Corona führt Ellie ein Leben im mentalen Lockdown.
Noch ein Berlinroman
Ihre Aufmerksamkeitsspanne weist sie als Digital Native aus, was sich im Buch in Minikapiteln und viel Weißraum niederschlägt. Kaum schleicht sich ein Gedanke an, ist er auch schon ausgedacht. Ellie vertändelt ihre Tage in Cafés und bei diversen Ärzten, die Nächte schlägt sie sich in Bars und sonst wo um die Ohren. In kurzen Szenen rekapituliert die Autorin ihre Begegnungen und beweist dabei Witz, Dialogfestigkeit und eine sensible Beobachtungsgabe. Der Wiedererkennungseffekt ist groß:
"Das Café ist wirklich hübsch, und kinderfreundlich auch. Neben mir halten Männer mit Vollbärten Babys auf ihren tätowierten Armen. Sie sehen aus, als hätte man sie um eine Zukunft als Seefahrer beraubt. Auf dem Meer hätten sie Hering essen und Karten spielen können, hier gibt es Avocado-Mash."
Der Roman spiegelt das heutige Berlin, weswegen er in weiten Teilen in einem einfachen Englisch daherkommt. Die anderen Sprachen sind Deutsch und herrliches Kauderwelsch. So radebrechen sich Argentinier und Römer in Ellies Herz. Ihr ganzes Elend schlägt sich schon im ersten Satz des Romans nieder: "Wenn ich es mir recht überlege, bin ich schon mein ganzes Leben unzufrieden." Diese Unzufriedenheit und ein Leben, das sich zuweilen so schal anfühlt wie ein halbleeres Glas abgestandenes Bier, teilt Ellie mit den Protagonistinnen der Romane von Stefanie Sargnagel und Rebekka Kricheldorf, "Dicht" und "Lustprinzip".
Wie gelingt Leben?
Auch in "Männer ohne Möbel" geht es ums Erwachsenwerden und um die Frage nach dem gelingenden Leben. Und es geht um Liebe, die eine große, und die vielen kleinen Tode, die den Weg zu ihr weisen mögen.
In besagtem VHS-Seminar lernt Ellie, aus ihrem Leben eine Geschichte zu formen. Kursiv gesetzter Text beleuchtet ihr fiktives Leben, das sich nicht großartig von ihrem eigenen unterscheidet. Diesmal redet sie nicht in Ich-Form, sondern schaut auf sich wie auf eine Fremde. Daraus ergibt sich ein Roman im Roman oder besser: ein Romänchen im Romänchen. Das Personal bleibt sich gleich, nur die Blickrichtung ist eine andere. Hier wie da fokussiert sie ihre eigene Generation und hadert mit ihren Zukunftsaussichten:
"Die einen fuhren nach Südamerika und nahmen Drogen, die anderen nach Neuseeland und pflückten Kiwis. Am Ende lagen alle wieder auf dem Sofa ihrer Eltern in Stuttgart und lasen alte Neon-Ausgaben."
Kalauer lugt schon um die Ecke
Einfache Sätze, knackige Pointen. Alexandra Stahl besitzt das Talent, mit schmalen Sätzen zu glänzen. "Ich klappte das Internet zu" ist so ein Satz. "Der Sex dauerte ein Lied" ein anderer. Eine Kapitelüberschrift lautet "Ein Duschgel Lebensfreude später", eine andere "Alles kaputt". Vieles ist sehr lustig in diesem Buch, vieles auch nur lesebühnenlustig, die Pointe immer fest im Blick und der Kalauer lugt meist schon um die Ecke:
"Ich glaube, die dramatische Grundfrage ist: Geht Liebe? Und was machen wir, bis wir sterben? In dem Rezept stand, dass Buttergebäck darüber hinwegtröste, dass man auf die entscheidenden Fragen des Lebens meistens keine Antwort bekommt."
Ein sehr kleiner Kuchen
Beziehungs-Klein-Klein füllt die Seiten, der großen Liebe widmet sich das Buch mit kalter Romantik. Ellie erweist sich darin als eine abgekämpfte bedürftige Frau, die sich bloß nicht anmerken lassen möchte, bedürftig und abgekämpft zu sein. Den Wettbewerb um das schönste Cover dieses Bücher-Frühjahrs hat Alexandra Stahl beziehungsweise ihr Verlag Jung und Jung übrigens auch gewonnen. Darauf zu sehen ist eine Frau, die einen mit rosafarbener Soße bekleckerten Gugelhupf köpft wie ein Ei. Eine herrliche Sauerei, und ein sehr kleiner Kuchen, der diesen zwar kurzweiligen, aber wenig nahrhaften Roman-Quickie toll illustriert.
Alexandra Stahl: "Männer ohne Möbel"
Jung und Jung, Salzburg und Wien, 231 Seiten, 22 Euro
Jung und Jung, Salzburg und Wien, 231 Seiten, 22 Euro