Es ist Freitag, der 22. Februar, als sich in Algerien der erste Massenprotest gegen die Machthaber auf den Weg macht.
Bürger aus dem Stadtviertel Bab el Oued marschieren singend ins Zentrum der Hauptstadt Algier. Sie singen von "Freiheit".
Die Demonstranten haben Plakate geschrieben: "Bouteflika – Nein zur fünften Amtszeit", das steht auf vielen Schildern. Auf anderen einfach nur: "Haut ab!"
Von "Freiheit" singen Demonstranten nicht nur in der Hauptstadt. Der Protest flammt überall in Algerien auf. Jeder Freitag, Tag des muslimischen Gebetes, wird zum Jour fixe der Demonstrationen. Hunderttausende verlangen, dass das Regime abtritt.
Algeriens Machthaber reagieren darauf zunächst mit Schweigen. Dann, nach jeder neuen Demonstration, folgen Ankündigungen. Die Kandidatur des greisen und kranken Präsidenten Abdelaziz Bouteflika für eine fünfte Amtszeit wird zurückgezogen. Die für Mitte April vorgesehenen Präsidentschaftswahlen werden verschoben. Nebulös ist von Reformen die Rede. Aber: Präsident Bouteflika sollte einfach weiter im Amt bleiben. Die Proteste nehmen daraufhin zu.
Vergangene Woche meldet sich dann Armeechef Ahmed Gaid Salah, zu Wort:
"Es muss eine Lösung geben, die einen Ausweg aus der Krise garantiert und die berechtigten Forderungen des algerischen Volkes berücksichtigt. Eine Lösung die es erlaubt, die Vorstellungen aller in Einklang zu bringen, die von allen akzeptiert wird. Diese Lösung findet sich in der Verfassung und sie ist der Artikel 102."
Unfähig, Funktionen auszuüben?
Dieser Artikel 102 erlaubt es, den Präsidenten zu entmachten. Vorausgesetzt er ist wegen schwerer und dauerhafter Krankheit völlig unfähig, seine Funktionen auszuüben. Genau diese Diagnose hatten Oppositionspolitiker und Vertreter der Zivilgesellschaft dem amtierenden, schwer kranken, 82jährigen Präsidenten Bouteflika schon mehrfach gestellt. Die Regierenden hatten hingegen versichert, der Staatschef sei bei bester Gesundheit und durchaus in der Lage zu regieren. Bis jetzt.
Die Forderung der Armeechefs, Bouteflika zu entmachten, löst eine neue Ankündigung aus. Diese Woche veröffentlichte das algerische Präsidialamt ein Statement. Staatschef Bouteflika werde sich bis spätestens zum 28. April aus dem Amt zurückziehen. Bis dahin, so heißt es weiter, werde er noch wichtige Entscheidungen zu treffen haben. Welche – das bleibt offen. Wann genau Bouteflika abtreten wird, ebenfalls.
Auf den Straßen der Hauptstadt Algier reagieren die Menschen daraufhin teils amüsiert, teils vorsichtig:
"Ich glaube denen nichts", sagt ein Mann, "sie sagen schon lange alles Mögliche. Aber die Entscheidung der Bevölkerung ist klar: Sie müssen alle weg, wir warten nicht, bis Bouteflika selbst gegangen ist." Ein anderer meint, Bouteflika sei doch ohnehin viel zu krank, um diese Entscheidungen zu treffen:
"Bouteflika ist doch nicht verantwortlich", sagt er, "die Regierung, die Leute in Bouteflikas Umfeld – die sind das Problem."
Der algerische Politologe Naoufel Brahimi El Mili von der Universität Scienes Po in Paris beobachtet die Massenproteste jeden Freitag und die Reaktionen des Regimes darauf:
"Das ist ein Szenario, in dem sich dauernd neue Schubladen öffnen. Immer freitags, wenn die Demonstranten den Druck auf das Regime aufrechterhalten. Man fährt auf Sicht, tastet herum."
El Mili konstatiert einen Machtkampf. Abdelaziz Bouteflika, der Präsident, gegen Ahmed Gaid Salah, den mächtigen Armeechef. Gaid Salah hatte zwei Mal gefordert, den Staatschef für amtsunfähig zu erklären. Jetzt hat Bouteflika seinerseits den nächsten Schritt getan. Aber der Politologe Naoufel Brahimi El Mili mahnt zur Vorsicht:
"Bouteflika ist nicht zurückgetreten. Er hat es nur angekündigt. Das ist wichtig. Denn es gab diese Kraftprobe zwischen ihm und Gaid Salah. Der General fürchtet, Bouteflika könnte ihn in Pension schicken. Es gibt also zwei Machtkämpfe: Einen der Machtclans untereinander und einen mit der Protestbewegung auf der Straße."
Diese Protestbewegung fordert aber schon längst nicht mehr nur den Abgang des greisen Präsidenten Bouteflika. Meistens beantworten die Demonstranten die Frage nach ihrem Ziel mittlerweile so wie diese Frau in der Hauptstadt Algier:
"Damit sie alle abhauen – ohne Ausnahme!" Auf die Frage, wer denn dann Algerien führen solle, sagt sie.
"Alle hier – es gibt genug kluge Leute in der Bewegung."
Millionen protestierender Bürger
Seit sechs Wochen geht das jeden Freitag so: Millionen protestierende Bürger fordern im ganzen Land das Ende des Regimes. Der größte Flächenstaat Afrikas, strategisch wichtig, politisch ein Schwergewicht in der Region, versinkt im Protest: in Algier, in Constantine, in Tizi Ouzou oder in der Hafenstadt Oran. Videos in den sozialen Medien sollen zeigen, wie protestiert wird:
"Hau ab, FLN," rufen die Demonstranten in diesem Video. Die FLN ist die Nationale Befreiungsfront, die Partei, die in Algerien seit der Unabhängigkeit von Frankreich die dominierende Rolle spielt – gemeinsam mit dem Militär. Die Demonstranten schreien ihre Wut auf "das System" Algeriens heraus. Viele äußern sich angewidert und verächtlich über die Regierenden und über diejenigen, die ihrer Meinung nach im Hintergrund die Fäden ziehen.
"Das ist ein Mafia-System, dass das Land und die Hoffnungen der algerischen Jugend ruiniert hat."
Dabei waren das Militär und die Nationale Befreiungsfront FLN diejenigen, die Algeriens Unabhängigkeit erkämpften. Die Soldaten der algerischen Volksarmee hatten 1962 die Kolonialmacht Frankreich bezwungen. Für dieses historische Verdienst hat sich das Militär selbst einen Heiligenschein verliehen. Aber nicht nur das Militär: Die Partei FLN, die Nationale Befreiungsfront, ebenfalls. Abdelaziz Bouteflika ist ihr Ehrenvorsitzender. Auch die FLN begründete ihren Machtanspruch immer mit ihrer Rolle im Unabhängigkeitskampf.
Das Vertrauenskapital von Militär und FLN bei der Bevölkerung ist mittlerweile offenbar vollkommen aufgebraucht. Ebenso wie das von Abdelaziz Bouteflika, der seit 20 Jahren "das System" repräsentiert. Bouteflika war einst beliebt. Bouteflika hatte schon als Jugendlicher politische Erfahrung gesammelt: Im Unabhängigkeitskrieg gegen die Franzosen - er galt als Held. Mit 26 Jahren schon wurde er Außenminister, später verschwand er lange von der politischen Bühne. Erst 1999 tauchte er wieder auf und bewarb sich als Staatspräsident.
Bouteflika galt immer als gewiefter Taktiker in der Politik: listig, einfallsreich, durchsetzungsfähig. Wie dieser Abdelaziz Bouteflika allerdings sein Volk und sich selbst sah, das war schon im Präsidentschaftswahlkampf 1999 zu hören. Im Interview mit einem französischen Fernsehsender machte Bouteflika klar, dass er einen haushohen Sieg wollte:
"Wenn ich keine klare, massive Unterstützung des Volkes habe – dann gehe ich davon aus, dass das Volk wohl glücklich ist in seiner Mittelmäßigkeit. Ich bin ja nicht verpflichtet, mich um sein Glück zu kümmern. Ich kann mich auch zurückziehen, das habe ich bereits in den letzten 20 Jahren bewiesen. Ich suche nicht die Macht!"
Bouteflika bekam 1999 die Macht. Er blieb 20 Jahre lang. Vom sogenannten "arabischen Frühling" 2011 blieb er unbehelligt. Und auch jetzt will oder kann Bouteflika immer noch nicht gehen.
Als Bouteflika im April 2014 zum vierten Mal vereidigt wurde, saß er in einem Rollstuhl. Ein Schlaganfall hatte ihn monatelang ans Krankenbett gefesselt. Dann kam er wieder – sichtbar geschwächt.
Wer regiert Algerien wirklich?
Schon zu diesem Zeitpunkt fragten viele: Wer regiert Algerien wirklich? Die Antwort haben in den zurückliegenden Wochen hunderttausende Demonstranten auf den Straßen Algeriens zum Ausdruck gebracht: Ihrer Meinung nach ist es nicht Abdelaziz Bouteflika. Und sie wollten auch nicht, dass der 82-Jährige noch einmal kandidiert. Der Präsident sprach nicht mehr zu seinem Volk, er existierte praktisch nur noch als Foto. Kamel Daoud, einer der prominentesten Schriftsteller und Journalisten Algeriens, schildert das:
"Man zeichnete ein Foto mit Ehrungen aus. Das Parlament versammelte sich um ein Foto. Bei den Paraden zum Unabhängigkeitstag erhoben sich die Regierungsmitglieder und der Armeechef - um ein Foto zu grüßen."
Das Foto des kranken Machthabers Abdelaziz Bouteflika. Für viele war dieses Foto nur das Bild eines kranken Regimes. Ja, es wurde noch gewählt in Algerien. Aber nur eine Minderheit der Wahlberechtigten gab zuletzt die Stimme ab. Viele sind davon überzeugt, dass die Wahlen manipuliert wurden, ganz gleich ob es ums Parlament oder um den Präsidenten ging.
Aber wer regiert in Algerien wirklich?
Omar Benderra ist Wirtschaftsexperte, hat früher selbst für die algerische Regierung gearbeitet und kennt das System von innen. Seine Antwort auf die Frage, wer wirklich die Macht hat, lautet:
"Das ist ein Netzwerk von Geschäftsleuten sowie von Generälen der Armee und der politischen Polizei."
Omar Benderra und viele andere Experten beschreiben dieses Netzwerk als grundsätzlich korrupt. Ziel sei es, unterschiedliche Interessen zu bedienen: Dem Regime Bouteflika gehe es darum, seine politische Macht zu erhalten, gemeinsam mit dem Militär und der politischen Polizei. Um das zu finanzieren, würden sie mit einem Kreis von Geschäftsleuten zusammen arbeiten, die ihrerseits viel Geld verdienen wollten. Das so entstandene Netzwerk hat die eigenen Interessen fest im Blick – nicht aber die des Staates und der Bevölkerung, meint Omar Benderra. Das Resultat beschreibt er so:
"Wir haben keine Unternehmer, die in der Lage wären, wirtschaftliche Entwicklung und Investitionen in Gang zu bringen. Von dem enormen Reichtum, der sich seit Beginn der 2000er Jahre entwickelt hat, profitierten die Importeure."
Die Importeure sind die Geschäftsleute, die von den Machthabern Einfuhrlizenzen bekommen haben. Denn weil in Algerien selbst so wenig produziert wird, muss importiert werden: Rohstoffe, Industrieprodukte, Medikamente, Nahrungsmittel, Konsumgüter. Wer eine bestimmte Import-Lizenz hat, kontrolliert die Preise in diesem Markt. Das müssen sowohl der Staat als auch die Bevölkerung teuer bezahlen.
Großes wirtschaftliches Potenzial
Dabei hat Algerien eigentlich so viel wirtschaftliches Potenzial: Riesige Erdöl- und Erdgas-Vorkommen brachten über Jahrzehnte Milliarden in die Staatskasse. Weil aber das politische und das wirtschaftliche System des Landes so undurchschaubar sind, weiß eigentlich niemand so recht, wo all dieses Geld geblieben ist. Fest steht: Es floss offensichtlich nicht ins Gesundheitssystem oder ins Bildungswesen. Auch nicht in Forschung oder Industrialisierung. Auch nicht in eine strategisch angelegte Modernisierung der Infrastruktur.
Abdelaziz Bouteflika hatte zu Beginn seiner Präsidentschaft Reformen und einen Umbau des Landes versprochen. Er trat extrem selbstbewusst auf und vermittelte den Eindruck, nicht mal das mächtige algerische Militär könne seine Position schwächen:
"Ich vertrete das algerische Volk. Keine Institution des Landes, auch wenn es das Militär wäre, wird so leicht mit mir fertig. Ich bin ganz Algerien, ich bin die Inkarnation des algerischen Volks."
Das war vor fast genau 20 Jahren. Der Algerien-Experte Hasni Abidi forscht am Institut für Studien der arabischen Welt in Genf. Er bilanziert die Amtszeiten Bouteflikas so:
"Bouteflika hatte anfangs sehr viele Sympathien, in Algerien und im Ausland. Er hat immer nur von Reformen gesprochen: In der Bildung, im Staatswesen, in der Justiz – nichts davon wurde gemacht. Und vor allem nicht in der Wirtschaft. Wenn man so viel Geld zur Verfügung, so viele Währungsreserven angesammelt hat – dann kann man doch wirtschaftliche Reformen einleiten. Dann kann man auch einen demokratischen Übergang gestalten. Er hat´s verpasst, er wollte nicht."
Viele Algerier empfinden ihr Land als rückständig, durchzogen von Korruption. Sie haben diese Zustände lange ertragen, erduldet und gewissermaßen auch hingenommen. Als dann aber die Öl-Preise am Weltmarkt absackten, die Regierung Sparmaßnahmen verordnete, gleichzeitig aber wiederum Reformen und eine glorreiche Zukunft versprach – da begann es zu gären. "Haut ab" – schallt es deshalb millionenfach durch Algerien.
Aber natürlich haut ein solches Machtsystem nicht einfach ab. Deshalb stellt sich die Frage, wie aus den Massenprotesten ein zielgerichteter Übergang zu einem neuen politischen System, zu einer zweiten algerischen Republik werden kann.
Für den Algerien-Experten Hasni Abidi steht fest.
"‘Haut ab‘ ist kein Angebot für einen Wandel", sagt Abidi. "Alle Algerier haben jetzt ihre Rolle zu spielen. Auch diejenigen, die Mitglieder in den Parteien sind, die das System getragen haben. Dort Mitglied zu sein bedeutet ja nicht, per se gegen Algerien zu sein. Wir erleben jetzt, dass ganz Algerien protestiert und eine Veränderung will. Da ist jetzt Platz für alle, sich dieser Bewegung anzuschließen. Ich glaube, alle einzubeziehen - das ist der Schlüssel zum Erfolg bei jedem demokratischen Übergang."
Abidi sieht alle politischen Akteure – sowohl die bisher regimetreuen als auch die oppositionellen Parteien -in der Pflicht, sich zu reformieren. Sie müssten jetzt Programme erarbeiten, die einen Ausweg aus der Krise eröffnen. Politische Angebote, die den Erwartungen der Bevölkerung gerecht werden.
Das ist leichter gesagt, als getan. Bisher hat der algerische Massen-Protest keine führenden Vertreter, kein Programm. Das ist auch so gewollt: Die Menschen befürchten, jede Führungsfigur, jede Formulierung konkreter politischer Forderungen, all das würde sofort ins Visier des Regimes geraten.
Gelähmtes Land
Aber Algerien steckt in einer gravierenden Krise. So dynamisch der Protest auch wirken mag – das Land ist tatsächlich gelähmt.
Das Regime hat die Präsidentschaftswahl vertagt. Die neue Übergangsregierung, ohne Beteiligung von Oppositionspolitikern, wurde am vergangenen Sonntag vereidigt. Eine versprochene "nationale Versammlung", die eine neue Verfassung entwerfen und dann einen Wahltermin festlegen soll, existiert bisher nicht. Jetzt wurde Bouteflikas Rücktritt bis spätestens zum 28. April verkündet. Klar ist nur: Das Regime möchte die Kontrolle behalten.
Im Ausland schaut man ziemlich besorgt Richtung Algerien. Die Zusammenarbeit der Europäer mit Algeriens Machthabern stand immer unter der Überschrift "Stabilität" – angesichts der schwierigen Lage in Tunesien oder dem Chaos in Libyen setzte Europa darauf, dass das algerische Regime im eigenen Land die Zügel fest in der Hand hatte. Deutschland verkauft Algerien viele Waffen und setzt in der Sicherheitspolitik, bei der Terrorismusbekämpfung und der Migrationspolitik auf Algerien. 200 deutsche Firmen sind vor Ort aktiv. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel im September vergangenen Jahres in Algier war, gab es viele freundliche Worte und nur eine milde Ermahnung:
"Wir haben über die wirtschaftliche Entwicklung gesprochen und ich habe auch zum Ausdruck gebracht, dass im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung sicherlich auch eine möglichst vielfältige und offene Zivilgesellschaft sinnvoll ist."
Wie zu erwarten, versicherte der damalige Premierminister Ahmed Ouyahia der Kanzlerin und den Journalisten vollmundig: Algerien werde die Wirtschaftskrise bewältigen, Reformen seien im Gange. Solche Botschaften bekamen ausländische Staatsgäste oft. Ob sie sie glaubten, ist eine andere Frage. Aber das algerische Regime setzt seit Jahrzehnten darauf, seinen Partnern glatte, leicht verdauliche Statements zu präsentieren.
So auch jetzt, angesichts der Massenproteste im Land. Ende März ging der zu diesem Zeitpunkt designierte Außenminister Ramtane Lamamra auf Reisen. In Rom, Moskau und in Berlin wollte er offenbar beruhigen und gleichzeitig um Unterstützung für den Kurs der Regierung werben. In Berlin stellte Lamamra die Lage so dar: Algerien, meinte er, werde gestärkt aus der aktuellen Situation hervorgehen, das Land sei geeinter als je zuvor.
"Der algerische Staat ist nicht nur bereit zum Dialog, im Gegenteil, ihm ist der Dialog mit der Opposition und der Zivilgesellschaft willkommen – innerhalb der neuen Regierung, die gerade zusammengestellt wird."
Jetzt ist diese neue Regierung zusammengestellt. Ramtane Lamamra, also ausgerechnet der Mann, der das Ausland beruhigen sollte, taucht darin nicht mehr auf. Aber Ahmed Gaid Salah bleibt Chef der Armee und er bleibt auch stellvertretender Verteidigungsminister. Obwohl er forderte, Präsident Bouteflika müsse für amtsunfähig erklärt werden. Mit der Zustimmung angeblich amtsunfähigen Präsidenten behält Gaid Salah nun seine einflussreichen Ämter. Damit dürften vorerst seine Machtinteressen gewahrt sein.
Schutz für Bouteflika
Abdelaziz Bouteflika, seine Berater, sein ganzes politisches Umfeld, wollen ebenfalls ihre Interessen absichern. Aus Sicht des Politologen Naoufel Brahimi El Mili geht es dabei um Schutz für die Zeit nach Bouteflika:
"In der Rücktrittsankündigung, die von Bouteflika oder in seinem Namen verbreitet wurde, steht: Wichtige Maßnahmen werden bis zum Rücktritt notwendig sein. Die Frage ist: Klar. Aber wichtige Maßnahmen für wen? Für Bouteflikas Clan oder für sein Volk? Er will den Absturz verhindern, seine Geheimnisse bewahren. Es geht um Schutz, um Zusicherungen, nicht juristisch verfolgt zu werden. Für ihn und für sein Umfeld."
Das könnte dann die Aufgabe der neuen Regierung sein, die noch hastig am vergangenen Sonntag präsentiert wurde. Denn die bleibt vorerst im Amt. Von Reformen, von einer neuen Verfassung, von Dialog mit Opposition und Zivilgesellschaft ist nicht mehr die Rede. Algeriens Regime scheint vollkommen mit sich selbst und seinen inneren Machtkämpfen beschäftigt zu sein.
Spätestens am kommenden Freitag wird die Protestbewegung des Landes darauf antworten. Sie will immer noch die Macht des ganzen Regimes brechen, friedlich und singend:
Der Machtkampf zwischen Volk und Regime geht vorerst weiter. Der Ausgang dieses Konflikts ist völlig offen.