Für die Algerier ist das Wahlergebnis keine Überraschung: Präsident Abdelaziz Bouteflika hat sich eine neue Amtszeit gesichert - und damit, glauben viele Algerier, werden die Probleme des Landes die alten bleiben. Der 77-Jährige gilt nicht gerade als Hoffnungsträger. Schon gar nicht, wenn es um die Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption geht. Algeriens immense Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung flössen direkt in die Taschen der Mächtigen, kritisiert der Volkswirt Kamal Osmane.
"Algerien ist paradox: Es ist ein reiches Land mit einer armen Bevölkerung. Wir haben Milliarden von Dollar, aber wenn man auf die Straße geht, sieht man Menschen, die vor Hunger sterben. Ich finde das skandalös."
"Ein reiches Land mit einer armen Bevölkerung"
Eine wachsende Bevölkerung, zunehmende soziale Spannungen und ein erstarkender Terrorismus - das sind nur einige der Herausforderungen, die Algerien in den kommenden Jahren meistern muss. Doch Bouteflika und seine Entourage haben zuletzt kaum noch etwas bewegt. Viele Algerier sind unzufrieden mit ihrer politischen Führung. Doch das Trauma des Bürgerkriegs in den 1990er-Jahren ist den meisten noch so deutlich in Erinnerung, dass sie keinen Regierungswechsel erzwingen wollen – auch nicht im Zuge des arabischen Frühlings. Das komme der algerischen Machtelite zugute, meint der Journalist Faycal Metaoui von der Tageszeitung El Watan:
"Das Regime spielt mit dem, was in der arabischen Welt passiert ist. Tunesien und Libyen sind unsere Nachbarländer. Das Chaos in Libyen, aber auch die Lage in Ägypten, in Syrien, im Jemen und im Irak zeigen, wie instabil diese Region ist. Das Regime spielt die Karte der Angst. 'Vorsicht!', sagen sie. 'Ihr wollt etwas verändern? Wenn ihr auf die Straße geht, gibt es einen arabischen Frühling.' Und der ist in Algerien ein Schreckgespenst."
Herausforderer wirft Bouteflika massive Wahlfälschung vor
Viele Menschen in Algerien sind erleichtert, dass die Präsidentenwahl überwiegend ruhig und friedlich verlaufen ist – wenn auch nicht unbedingt frei und fair. Bouteflikas wichtigster Herausforderer Ali Benflis wirft dem Regime massive Wahlfälschung vor. Doch dagegen, meint Kamal Osmane, werde der ehemalige Premierminister kaum vorgehen können. Damit sich Algerien aus seinem Stillstand befreien könne, brauche das Land vor allem ein unabhängiges Rechtswesen, meint Osmane. Erst dann werde sich die Staatsführung verbessern:
"Eine unabhängige Justiz bedeutet für mich, dass alle algerischen Bürger, unabhängig von Rang und ihrer Funktion, der Justiz unterworfen sind - vom Präsidenten der Republik über den Beamten bis zum Normalbürger. An dem Tag, an dem es eine Justiz gibt, die unabhängig ist und nicht mehr von der Exekutive abhängt, werden wir eine deutliche Verbesserung der Staatsführung erleben."
Algerier hoffen auf sanften politischen Übergang
Ein radikaler Bruch mit dem politischen System sei dafür nicht nötig, sagt Osmane. Wie viele Algerier setzt er auf einen sanfteren Übergang - und hofft, dass es der politischen Führung gelingt, die Wirtschaft des Landes auf eine breitere Basis zu stellen:
"Heute ist Algerien ein Land, das vom Erdöl abhängt. Wir essen sozusagen Öl. Wir exportieren Öl und Gas und importieren sozusagen alles. Die Wirtschaft des Landes muss jetzt diversifiziert werden, damit wir produzieren und Reichtum zu schaffen. In der Landwirtschaft, im Tourismus - diese Branchen stellen für mich die Zukunft Algeriens dar."
Davon ist das Land noch weit entfernt. Politische Stabilität bedeutet in Algerien eben auch Stillstand.