Sand und nichts als Sand und Hitze. Die Teneré-Wüste im Norden Nigers. Hier sollen Zehntausende Migranten und Flüchtlinge von algerischen Sicherheitskräften einfach ausgesetzt worden sein. Ohne Wasser, Nahrung ihrem Schicksal überlassen. Das berichtet die Nachrichtenagentur AP, die mit Überlebenden gesprochen hat. Die erzählen von stunden- und tagelangen Märschen in Todesangst – inmitten der Wüste. Sie laufen immer Richtung Horizont, ohne Gewissheit, ob bald das rettende Dorf auftaucht.
Ju Dennis ist einer von denen, der noch am Leben ist. Er hat das Ganze mit seinem Handy aufgenommen. Seine Videos kursieren jetzt in den Medien.
"Ich berichte hier direkt aus der Wüste zwischen Algerien und Niger", sagt Dennis, während er auf einem proppenvollen Konvoi durch die Wüste braust.
Wenig später werden sie ausgesetzt. Die, die Glück haben, kommen in Assamaka an – ein kleines Wüstendorf im Niger, in dem es Wasser und Hilfe gibt. Niger ist ein Hotspot für Migration. Von hier aus versuchen Migranten, aus der Subsahara per Schleppertransport über Libyen oder Algerien nach Norden den Weg Richtung Europa zu finden.
Geld und Handys abgenommen
Nach Assamaka schaffen es aber nicht alle. Weil sie dehydriert und desorientiert sind – die algerischen Sicherheitskräfte hätten ihnen teilweise auch Geld und Handys abgenommen, erzählen einige.
"Wir waren in der totalen Wildnis", erzählt Flüchtling Ju Dennis weiter, "wir sind sechs, sieben Stunden gelaufen. Ich habe meine Beine nicht mehr gespürt. Ich war völlig am Ende."
Was gerade für empörte Schlagzeilen sorgt, beobachtet die internationale Organisation für Migration IOM schon seit Längerem. Pressesprecherin Florence Kim.
"Ich spreche von Menschen, die ausgesetzt wurden, 30 Kilometer entfernt von jeglicher Zivilisation. Seit September haben wir allein 10.000 Nigerianer gezählt. Das ist alarmierend. Wir sehen nicht nur Männer, sondern auch schwangere Frauen, Kinder, unbegleitete Minderjährige, Flüchtlinge. Sie sind in schrecklichen Zuständen. Viele sterben."
"Mein Baby ist tot - es wurde getötet"
Ihr Kollege vor Ort Alhoussan Adouwal fährt regelmäßig die Grenze zu Algerien ab, auf der Suche nach Menschen, die Hilfe brauchen. Kopfschüttelnd zeigt Adouwal auf den Horizont Richtung Wüste.
"Es sind sogar Babys und Schwangere dabei. Sie kommen zu Tausenden. Ich habe so etwas noch nicht erlebt. Es ist eine Katastrophe."
So wie Jante Kamara. Sie hat überlebt. Sie hatte eine Fehlgeburt.
"Mein Baby ist tot – es wurde getötet. Auf dem Weg sind so viele Frauen und Männer gestorben. Es gab kein Wasser. Sie sind verdurstet und einige sind verloren gegangen, weil sie den Weg nicht gefunden haben."
Behörden bestreiten Menschenrechtsverletzungen
Die Behörden in Algier bestreiten, Menschenrechte zu verletzen. Dort heißt es: Algerien handele nach dem Gesetz, Algerien respektiere die Würde des Menschen. Rückführungen von Migranten würden im Einvernehmen mit den Nachbarstaaten geschehen. Immer wieder wird Algerien von Menschenrechtsorganisationen für seinen harten Umgang mit Migranten und Flüchtlingen im Land kritisiert. Algeriens harte Hand ist eine Antwort auf die steigenden Flüchtlingszahlen im Land. Seit die libysche Grenze so gut wie dicht ist, kommen mehr Menschen nach Algerien und stranden hier. Das gefährde die Sicherheit und die öffentliche Ordnung, heißt es.
Vorgehen Algeriens in Brüssel bekannt
Während der Aufschrei in den internationalen Medien groß ist, bleibt die Antwort von Europas politischer Elite nahezu aus. In Brüssel heißt es, sei das Vorgehen Algeriens bekannt. Souveräne Staaten könnten Migranten aber ausweisen, solange sie sich an internationales Recht hielten.