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Algeriens Präsident
Mach's noch einmal, Boutef!?

Gesprochen hat er länger nicht, jedenfalls nicht öffentlich. Algeriens Präsident, Abdelaziz Bouteflika, ist körperlich schwer angeschlagen. Immer wieder wird er nach Frankreich zu Krankenhausbehandlungen gebracht. Und doch soll er noch einmal als Staatschef antreten.

Von Stefan Ehlert |
    Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika.
    Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika. (imago/ITAR-TASS)
    In Algeriens alter Garde erwägt man tatsächlich, den 81-jährigen Präsidenten Bouteflika 2019 zur fünften Amtszeit zu tragen. Die Bevölkerung kann es kaum glauben und äußert sich entsprechend.
    Für die Opposition ist der Vorschlag der seit 1962 regierenden Nationalen Befreiungsfront (FLN) eine Steilvorlage. Sie moniert Stillstand und fordert für Algerien als präsidiale Republik einen aktiveren Präsidenten. Bouteflika sitzt seit Jahren im Rollstuhl und tritt selten öffentlich auf. Ob er dem Vorschlag seiner Wiederwahl zustimmen würde, ist nicht bekannt. Seine Nachfolge ist bislang nicht geregelt.
    "Que Dieu nous préserve notre cher président Abdelaziz Bouteflika. Que Dieu lui accorde une bonne santé et une longue vie. Que Dieu lui bénisse sa santé et sa vie. Que Dieu le rends parmi ses fidèles serviteurs."
    Der Imam betet für die Gesundheit seines Präsidenten. Hinfällig wirkt dieser bei der Zeremonie, die das Staatsfernsehen überträgt. Versunken in seinem schwarzen Mantel, festgeschnallt auf dem Rollstuhl. Die Wangen noch eingefallener als bei vorigen Auftritten. Beim Gebet zu Ehren der Märtyrer der Befreiung erhebt er immerhin die Hände, bewegt die Lippen im Takt der Verse: Abdelaziz Bouteflika, 81 Jahre alt, seit 20 Jahren Präsident des größten afrikanischen Staates. Und auch künftig an der Spitze Algeriens?
    Nationale Befreiungsfront ohne Alternative
    "Wenn wir von den Präsidentschaftswahlen sprechen: Die FLN hat keine Wahl. Die Wahlen 2019 - da sage ich als Generalsekretär: Niemand anders ist der starke Mann der Partei als Abdelaziz Bouteflika."
    Wir haben keine Wahl - mit diesen Worten eröffnete Djamel Ould Abbès, Generalsekretär der regierenden Befreiungsfront FLN jetzt die offizielle Debatte darum, ob der alte nicht auch der neue Präsident sein könnte. Stellt dieser sich im kommenden April zur Verfügung, dann wirkt das so, als ob Helmut Kohl in seinem letzten Jahr noch mal als Kanzler angetreten wäre.
    Abdelaziz Bouteflika wird im Rollstuhl von einem Mann geschoben, hinter ihm weitere Männer und ein Junge
    Der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika wird im Rollstuhl zur Stimmabgabe gefahren (picture alliance / dpa / Adel Sehrei)
    Für die oppositionelle Sammlungsbewegung für Kultur und Demokratie RCD wäre Bouteflikas Kandidatur eine Steilvorlage im Wahlkampf. Aber, sagt der RCD-Abgeordnete Ahmed Maazouz, er glaube nicht, dass es soweit komme:
    "Sie wollen uns ein fünftes Mandat aufzwingen. Aber die jüngsten Bilder des Staatschefs zeigen uns einen Staatchef, der nicht gerade stehen kann, der nicht mal aufrecht im Rollstuhl sitzen kann. "
    "Verachtung gegenüber der Bevölkerung"
    Die Schwäche des Machthabers aber, sagt Maazouz, eröffne seinem korrupten Umfeld ein freies Feld. So angesehen er auch ist, Bouteflika, kurz "Boutef", der Versöhner nach dem Bürgerkrieg, der Mann, der es wagte, das Militär in die Schranken zu weisen und Generäle zu feuern – doch trotz aller Anerkennung, den Vorschlag einer fünften Amtszeit lehnen viele Algerier vehement ab:
    Schon die dritte Amtszeit fand ich eine zu viel, sagt etwa der Soziologe Abdelwahab Fersaoui vom Jugendverband Action Jeunesse. Bouteflika jetzt noch mal ins Rennen zu schicken, zeuge von Verachtung gegenüber der Bevölkerung.
    Algerien, Regionalmacht, Nachbar Europas, großer Energieexporteur. Gesegnet mit Rohstoffen, einer jungen Bevölkerung und einem großen Potenzial tritt seit Jahren wirtschaftlich und politisch auf der Stelle. Wer wirklich die Macht innehat und Entscheidungen trifft, weiß kein Mensch. Le Pouvoir, die Macht - das ist das Synonym für den Apparat und die Elite, die sich bislang noch immer nicht auf einen Nachfolger Bouteflikas einigen konnte. Sein Bruder oder der Premier? Ein Militär oder ein Wirtschaftsführer?
    Inzwischen werden die Spannungen mehr als deutlich. In Protesten junger Menschen, die Arbeit fordern. In einem Parlament, in dem die Mehrheit den eigenen Vorsitzenden davonjagt, weil er sein Amt zu deutlich missbraucht haben soll. Bouteflikas Zeit ist zu Ende, sagen die Bürger. Viele haben ihr Vertrauen in den Staat gänzlich verloren:
    "Nun ja, die Verfassung erlaubt das, mich würde auch ein sechstes Mandat nicht überraschen. Ich glaube weder an diesen Staat noch an die Republik, weder an Bouteflika noch an die anderen."
    Stillstand und Stillschweigen
    Doch ob die Stimmung in der Bevölkerung ganz oben jemanden interessiert, scheint fraglich. Inzwischen zeichnet sich ab, dass noch weitere Spitzenpolitiker erst mal Bouteflika ins Spiel bringen werden. Ganz lang ist es ja nicht mehr hin bis April, und irgendetwas müssen sie ja sagen, um das Terrain zu sondieren, bis jemand anders sich vorwagt.
    Bouteflika selbst ergriff jüngst beim Festakt für die toten Helden nicht das Wort. Es ist auch nicht klar, ob er das noch könnte. Und zu seiner möglichen Kandidatur bewahrt er selbst bislang, was man von Le Pouvoir, den Machthabern in Algerien, gewohnt ist: Stillschweigen.