Weidel und Musk auf X
Wahlkampfhilfe oder Bärendienst für die AfD?

US-Milliardär Elon Musk bot der AfD eine Bühne: Im Live-Gespräch mit Alice Weidel auf X ging es um Migration, Energie und mehr – mit jeder Menge Falschbehauptungen. Nutzt das der AfD oder schadet es ihr? Und was treibt Musk an?

    Elon Musk und die AfD Vorsitzende Alice Weidel treffen sich virtuell zu einem Dialog und sprechen gemeinsam auf der Plattform X.
    Die Organisation Lobbycontrol hält den gemeinsamen Live-Auftritt von Elon Musk und Alice Weidel für politische Wahlwerbung und damit für eine illegale Parteispende aus dem Ausland. (picture alliance / Flashpic / Jens Krick)
    Schon vor dem Live-Gespräch zwischen Alice Weidel und Elon Musk auf der Plattform X war klar: Das wird kein klassisches Interview. Weder Weidel noch Musk sind Journalisten, und keiner von ihnen sucht den kritischen Austausch. Hunderttausende hörten zu bei der 75-minütigen Unterhaltung auf Englisch, die wie ein öffentliches Telefonat wirkte – gespickt mit Falschdarstellungen zu Themen wie Atomkraft, Bildungspolitik und sogar Adolf Hitler, den Weidel als "Kommunisten" bezeichnete.

    Inhalt

    Worum ging es in dem Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel?

    Bei ihrem Online-Gespräch bestätigten sich AfD-Chefin Alice Weidel und der US-Milliardär Elon Musk immer wieder gegenseitig, wie ähnlich sie die Welt sehen. „Ja, absolut“, sagte Weidel mehr als einmal zu ihrem Gesprächspartner auf der Musk-eigenen Plattform X. Und Musk wiederholte: „Nur die AfD kann Deutschland retten“. Eine Aussage, die seit Wochen scharfe Kritik auslöst.
    In mehr als einer Stunde spannten Musk und Weidel einen gewaltigen Bogen: vom angeblichen Niedergang Deutschlands, einer deindustrialisierten Landschaft, auf der die Politik ein Irrenhaus errichtet hat, bis zur Erkundung des Mars und zur Frage nach Gott.

    Fakten spielen kaum eine Rolle

    Fakten spielen in diesem Gespräch eine untergeordnete Rolle. So behauptet Alice Weidel unter anderem, dass die jungen Menschen in Schule und Unis nichts mehr lernten – nur noch Gender-Studies. Eigentlich, sagt Elon Musk, hatte er einen guten Eindruck vom deutschen Bildungssystem mit seinen strengen Gymnasien. Doch jetzt sei auch Deutschland wohl vom „Woke-Mind-Virus“ infiziert, so Musk.
    Migration, sagt Weidel, schaffe unhaltbare Zustände – sowohl in den USA als auch in Deutschland. Erneuerbare Energien? „Schlecht“, findet Weidel. Musk hingegen hält sie für „prinzipiell ganz gut“. Beim Thema neue Atomkraftwerke sind sich die beiden einig. Ebenso als Weidel sagt, der nationalsozialistische Machthaber Adolf Hitler sei nicht rechts gewesen, sondern ein „Kommunist“.
    „Hitler als Kommunisten zu bezeichnen - dazu bedarf es schon sehr großer Geschichtsklitterung“, sagt der Dresdner Politologe Hans Vorländer. „Frau Weidel wollte darauf hinaus, dass die AfD etwas ganz anderes ist als rechtsextremistisch. Sie hat Hitler als Kommunisten und Sozialisten dargestellt, um sich selbst als wirklich konservativ und libertär zu identifizieren. Das ist der Versuch, die Geschichte umzudeuten, um sich vom Vorwurf des Rechtsextremismus zu befreien.“
    In dem Gespräch habe es viele unsinnig formulierte Standpunkte gegeben, die schlecht vorbereitet waren, meint Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. „Eigentlich ein Leerstück des Antijournalismus - also ein Gespräch ohne wirkliche Klärungsenergie.“ Es habe gemeinsames Schimpfen, Gerede gegeben. „Ein bisschen Staatsverachtung, ein bisschen Apokalypse, ein bisschen Anti-Gender-Attacken. Ohne, dass der (...) Punkt, den man gemeinhin die Realität nennt, ausreichend vorkommt“, so der Medienwissenschaftler.

    Nützt der AfD das Gespräch oder schadet es ihr eher?

    Das Gespräch war sicher versuchte Wahlkampfhilfe, meint Bernhard Pörksen. Das Entscheidende sei aber nicht der Inhalt des Gesprächs, sondern die Meta-Botschaft. „Sie lautet für die AfD, seht her, einer der mächtigsten Menschen der Welt, Schattenpräsident in den USA, findet uns richtig gut. Und davon kann man profitieren", so Pörksen.
    Musks Unterstützung bringe der AfD Aufmerksamkeit, glaubt auch Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy Institute in Berlin. Doch: „Wenige Deutsche werden für die AfD stimmen, nur weil ein US-Milliardär für sie wirbt.“ Umgekehrt werde Empörung über Musks Hilfe AfD-Wähler auch nicht groß beeinflussen, so Benner. 
    Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke ist der Meinung, dass das Gespräch der AfD mehr geschadet als genützt hat. Manch einer dürfte nach dem Gespräch „doch sehr am Verstand von Alice Weidel und an ihrer geschichtspolitischen Einschätzungsfähigkeit“ gezweifelt haben, so von Lucke. Besonders ihre Behauptung, Hitler sei ein Kommunist gewesen, bezeichnet der Politologe als „völlig absurde Position“, die selbst bei Rechtsradikalen für Irritationen sorgen dürfte.
    Weidel hat laut von Lucke im Gespräch deutlich gemacht, dass die AfD eine fundamental wirtschaftsliberale, libertäre Politik verfolgt. Nach Ansicht des Politologen dürften das bei vielen AfD-Wählern im Osten negativ ankommen. Diese seien „keineswegs so staatsfeindlich“. Wiedels Positionierung in dieser Frage spiele Sahra Wagenknecht mächtig in die Hände.
    Zusätzlich schrecke Weidels Sympathie für Musk und Trump die Putin-freundliche AfD-Wählerschaft im Osten eher ab. Das gilt laut von Lucke auch für Weidles Position, die Rüstungsausgaben zu erhöhen. Der Politikwissenschaftler glaubt, dass das Gespräch Weidel „massive Kritik“ einbringen wird. „Gedient hat es der Reputation von Alice Weidel mit Sicherheit nicht“, so von Lucke.
    Auch Politologe Hans Vorländer glaubt, dass Weidels Auftritt eher negativ wirken könnte. „Frau Weidel hat ihre Chance nicht genutzt“, sagt er. Sie habe unvorbereitet gewirkt und sich zu sehr darum bemüht, Musk zu gefallen, besonders mit einem libertären Staatsbild.

    Warum mischt sich Musk erneut im deutschen Wahlkampf ein?

    Musk hatte bereits in den vergangenen Wochen mehrfach öffentlich zur Wahl der AfD aufgerufen – und tat es auch in diesem Gespräch wieder. Medienwissenschaftler Pörksen sagt, dass es sich bei der AfD um eine Partei handele, die in Teilen rassistisch und antisemitisch sei, den menschengemachten Klimawandel leugne und für die sich Elon Musk als Steigbügelhalter empfehle.
    Musk hat die Mitglieder der Bundesregierung beleidigt, auf X und in der "Welt am Sonntag" zur Wahl der AfD aufgerufen auf und der AfD-Kanzlerkandidatin nun die ganz große Digitalbühne verschafft. Dabei habe man im Gespräch deutlich gemerkt, wie völlig ahnungslos Musk dafür war, was die AfD anbelangte, so Politologe von Lucke.

    Wirtschaftliche Interessen

    Musk sei „in erster Linie Unternehmer, der an maximalen Profiten interessiert ist“, sagt der Potsdamer Soziologe Roland Verwiebe. „Es wird Musk strategisch darum gehen – so auch (Mark) Zuckerberg mit Meta -, dass weder in den USA, noch in Europa die Kräfte überhand gewinnen, die eine stärkere Einhegung der digitalen Plattformen erreichen wollen.“ Dieses Ziel verfolgt die Europäische Union mit dem Digital Services Act, der das Geschäft der Plattformen regulieren und illegale Inhalte, Waren und Dienstleistungen eindämmen soll. Die AfD will den DSA mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit abschaffen.
    „Musk hat globale wirtschaftliche Interessen“, so Politologe Vorländer. „Staatliche Regulierung steht ihm da im Wege. Er nutzt rechtspopulistische und rechtsextreme politische Kräfte, um Hindernisse aus dem Wege zu räumen. Und mit seinem globalen Plattformkapitalismus gewinnt er zugleich politisch-kommunikative Macht, die sich autokratisch nutzen lässt.“

    Warum prüft der Bundestag das Gespräch zwischen Musk und Weidel?

    Die Organisation Lobbycontrol hält den Live-Auftritt für politische Wahlwerbung und damit für eine illegale Parteispende aus dem Ausland. Musk stelle auf seiner Plattform X Reichweite zur Verfügung, die das Unternehmen sonst für sehr viel Geld verkaufe. Der Bundestag prüft nun das Gespräch, wie ein Sprecher mitteilte: „Die Bundestagsverwaltung führt im vorliegenden Fall derzeit eine Sachverhaltsklärung durch.“
    Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck warf die Frage der Chancengleichheit im Wahlkampf auf. „Sind die Algorithmen, die die Plattform X benutzt, so ausgerichtet, dass es einen einseitigen Vorteil für bestimmte Inhalte gibt - in diesem Fall die der AfD oder die von Elon Musk und der AfD?“, fragte Habeck auf Fragen von RTL/ntv und „Welt“.
    AfD-Chefin Weidel wies später bei RTL/ntv den Verdacht zurück, das Gespräch mit Musk könnte als geldwerter Vorteil für ihre Partei gewertet werden. Es sei lediglich ein Dialog auf einer Plattform gewesen, erklärte sie, und daran sei nichts auszusetzen, wenn sich zwei Leute unterhalten.
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