Archiv

Allan Lichtman
Der Mann, der alle Wahlergebnisse voraussagt

Seit 1984 hat Allan Lichtman den Ausgang sämtlicher Präsidentschaftswahlen korrekt vorhergesagt. Diesmal stand er mit seiner frühen Festlegung, Donald Trump würde die Wahl gewinnen, allein auf weiter Flur - und behielt wieder recht. Für die Zukunft Trumps hat er nun ebenfalls eine interessante Prognose abgegeben.

Von Thilo Kößler |
    Allan Lichtman, Professor an der American University
    Allan Lichtman, Professor an der American University, hat seit 1984 den Ausgang sämtlicher Präsidentschaftswahlen in den USA korrekt vorausgesagt (AFP/ Paul J. Richards )
    Eigentlich wollte er Medizin studieren, sagt Allan Lichtman. Aber dann fiel er in Ohnmacht, als er Blut sah. Und auch im Labor stellte er sich nicht richtig geschickt an.
    "I fainted when I saw blood and I was clumsy in the laboratory."
    Das brachte ihn zu den Geschichtswissenschaften – ein Fach mit vielen Möglichkeiten.
    "I chose history. Maybe because as a historian you can study anything."
    Vor allem, wenn man die Geschichtswissenschaften mit der Neigung zu mathematischer Systematik verbindet. So nahm sich Allan Lichtman als Junghistoriker alle amerikanischen Präsidentschaftswahlen seit 1860 vor. Er entwickelte ein System aus 13 Schlüsselkriterien, die es ihm ermöglichten, aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen und den Ausgang von Präsidentschaftswahlen vorauszusagen. Lichtmans Grundthese lautet: Diese Wahlen sind ein Urteil über Erscheinungsbild und Stärke derjenigen Partei, die gerade den Präsidenten im Weißen Haus stellt.
    "It is primarily driven by the thesis that presidential elections are essentially judgement on the strength and performance of the party holding the White House."
    Strukturelle Kriterien
    Sein System der Schlüsselkriterien bei der Prognose von Präsidentschaftswahlen wurde zu seinem ganz persönlichen Schlüssel zum Erfolg. Seit 1984 hat Allan Lichtman den Ausgang sämtlicher Präsidentschaftswahlen vorhergesagt – und lag dabei immer richtig. Auch in diesem Jahr. Allen Lichtman war wohl der einzige Wahlexperte, der bereits im September die Prognose abgab, dass Donald Trump ins Weiße Haus einziehen werde. Weil für ihn alle strukturellen Kriterien darauf hindeuteten, dass die Demokraten die Wahl dieses Mal verlieren würden.
    "That is not turned on polls or day-to-day events of the campaign but on the underlying structure of elections."
    Allan Lichtman hält nichts von den tagesaktuellen Erhebungen der Meinungsforschungsinstitute. Auf seiner Skala der strukturellen Kriterien sah er mehr als sieben Gründe für eine Wahlniederlage der Demokraten: Den Rückschlag bei den Zwischenwahlen 2014 zum Beispiel, den erbitterten Kampf um die Kandidatur zwischen Bernie Sanders und Hillary Clinton, die Obstruktionspolitik der Republikaner, die dafür sorgten, dass Barack Obama keinerlei innenpolitischen Erfolg mehr einfahren konnte und seine ganze zweite Amtszeit hindurch im Grunde handlungsunfähig war – als eine Art Langzeit-"lame-duck".
    "When you're dealing with human systems like elections you have to exercise historical judgement and interpretation."
    Der Blick des Historikers
    Wenn man sich mit einem menschengemachten System wie Wahlen auseinandersetzt, sagt Allan Lichtman, muss man mit dem Blick des Historikers an die Sache herangehen. Das genau sei der Fehler bei den sogenannten polls – bei den Meinungsumfragen der Forschungsinstitute und Think tanks. Nate Silver zum Beispiel, ein amerikanischer Wahl-Spezialist mit Guru-Status, sagte in seinem Umfrageportal "Five Thirty eight" mit einer Wahrscheinlichkeit von 71,5 Prozent voraus, dass Hillary Clinton Präsidentin würde. Lichtman hält diese Prognosen für völlig bedeutungslos – denn sie basierten lediglich auf einer Zusammenschau verschiedener Umfragen: Lichtman nennt das "den Trugschluss falscher Präzision".
    "I call this the fallacy of false precision. These probabilities are meaningless. They are not real, they are based upon a compilation of polls."
    Deshalb fällt Lichtman über Leute wie Nate Silver ein ausgesprochen harsches Urteil – sie gäben nur vor, wissenschaftlich zu arbeiten. Leute wie Nate Silver seien Buchhalter.
    "Nate Silver doesn't do scientific analysis. Nate Silver is a clerk."
    Trumps lockeres Verhältnis zu Recht und Gesetz
    Jetzt hat Allan Lichtman eine neue Prognose abgegeben – und stützt sich dabei allerdings ausdrücklich auf sein Bauchgefühl. Er sagt der Präsidentschaft Donald Trumps ein jähes Ende voraus – durch "impeachment", durch ein Amtsenthebungsverfahren. Erstens habe Donald Trump immer ein recht lockeres Verhältnis zu Recht und Gesetz gehabt, was er nicht nur durch seine Geschäftspraktiken bewiesen habe.
    "First of all throughout his life Donald Trump has played fast and loose with the law."
    Zweitens wären auch viele Republikaner heilfroh, wenn nicht Donald Trump, sondern sein Vizepräsident Mike Pence im Oval Office säße – Trump sei für die Republikaner schlicht unkontrollierbar.
    "He is not controllable and that makes republicans nervous because they are very concerned with control."
    Aber wie gesagt: Auf diese Vorhersage will Allan Lichtman nicht seinen guten Ruf verwetten - als unfehlbarer Prognostiker von amerikanischen Präsidentschaftswahlen.