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Alle gegen Mugabe

Mit Bussen, Privatautos und Sammeltaxis machen sich dieser Tage tausende Simbabwer, die in den Nachbarländern leben, auf den Weg in ihr Heimatland. Die Gegner von Robert Mugabe brauchen jedes Kreuz, um zumindest eine kleine Chance auf den Wahlsieg zu haben.

Von Philippe Schlüter, ARD-Korrespondent Südafrika |
    "Heute fahre ich mit dem Bus von Südafrika in meine Heimat Simbabwe. Aus einem Grund: Ich muss wählen! Wirklich. Ich muss dieses Kreuz auf dem Wahlzettel machen."

    Andrew Lunga steht am Busterminal der Park Station, dem größten Bahnhof Johannesburgs. Er hat eine sechzehnstündige Busfahrt vor sich. Davon vermutlich zwei bis drei Stunden Wartezeit an der Grenze.

    Je nach Schätzung zwischen eineinhalb und drei Millionen Simbabwer haben ihr Land in den vergangenen Jahren verlassen, so wie Andrew. Vor allem wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage. Aber auch, weil sie politisch verfolgt werden. Tausende von diesen Simbabwern machen es in diesen Tagen wie Andrew: Sie nehmen eine lange Reise auf sich, um zu wählen.

    "Es ist unglaublich wichtig, dass all die Simbabwer aus Südafrika, Mosambik, Sambia, Swasiland oder sogar Europa nach Hause kommen, um zu wählen. In der Verfassung steht, dass wir nicht aus dem Ausland wählen dürfen. Wir brauchen aber jede Stimme, um diese Wahl zu gewinnen."

    Im dritten Anlauf will Premierminister Morgan Tsvangirai endlich den diktatorischen Präsidenten Robert Mugabe besiegen. Der greise Mugabe hat das Land in den 33 Jahren seiner Herrschaft komplett heruntergewirtschaftet. Nach inoffiziellen Zahlen haben mehr als 80 Prozent der Simbabwer keinen festen Job. Die Landwirtschaft des einstigen Brotkorbs des Kontinents schafft es nicht einmal mehr, die eigene Bevölkerung ausreichend zu ernähren. Aber Mugabe wäre nicht Mugabe, würde er sich nicht dennoch siegessicher zeigen:

    "Am 31. Dieses Monats wählt das ganze Land ZanuPF wieder an die Macht! Zurück an die Macht – in einer friedlichen Atmosphäre."

    Friedliche Atmosphäre? Die Stimmung im Land ist nicht so explosiv wie bei der Wahl vor fünf Jahren, das schon. Damals hatte Robert Mugabe seine klare Wahlniederlage nicht akzeptiert. Marodierende Milizen haben mehr als 200 seiner Gegner getötet. Diese offensichtliche Gewalt gibt es bislang nicht. Aber eine friedliche Atmosphäre sehe anders aus, meint der Bürgerrechtler Joy Mabenge.

    "Gewalt existiert nicht nur dann, wenn man tote Körper auf der Straße sieht. Wir haben viele Meldungen über Einschüchterungen bekommen. Aber diese Einschüchterungen sind so spitzfindig, dass man sie kaum erkennen kann. Wenn zum Beispiel Soldaten in Gemeinden geschickt werden, dann müssen die gar nichts tun. Die pure Anwesenheit ist einschüchternd. Denn die Menschen wissen aus der Vergangenheit genau, wozu die Soldaten fähig sind."

    Und Mugabe und seine Clique haben offenbar eine andere Taktik als vor fünf Jahren: Statt brutaler Gewalt setzen sie auf massive aber subtile Manipulation. Die englische Zeitung "Daily Mail" hat ein streng geheimes Dokument zugespielt bekommen. Darin listet der simbabwische Geheimdienst detailliert auf, wie der Sieg für Robert Mugabes Partei ZanuPF gesichert werden soll: Unter anderem soll eine israelische Firma die Wählerverzeichnisse manipulieren - und dafür rund zehn Millionen Euro bekommen.

    Demnach werden jüngere Wähler, die potenziell eher für einen Wechsel stimmen, aus den Listen gestrichen. Stattdessen werden Mugabe-Unterstützer doppelt registriert. Unabhängige Bürgerrechtsorganisationen haben herausgefunden, dass 110.00 Menschen über 100 Jahren registriert sind. In einem Land, in dem die durchschnittliche Lebenserwartung bei 51 Jahren liegt. Vor diesem Hintergrund meint der Politikanalyst Gideon Chitanga von der Universität Johannesburg:

    "Über freie und faire Wahlen brauchen wir doch gar nicht mehr reden. Wir haben ja gesehen, wie betrogen wird. Die chaotische Vorwahl vor zwei Wochen hat außerdem gezeigt, dass die Wahlkommission nicht ausreichend vorbereitet ist. Es wird lange Schlangen an den Wahlurnen geben. Das wird die Menschen frustrieren. Ich denke, dass viele, die eigentlich wählen wollen, dadurch nicht in der Lage sein werden, ihre Stimme abzugeben."

    Die Gegner von Robert Mugabe brauchen also jedes Kreuz, um zumindest eine kleine, theoretische Chance auf einen Wahlsieg zu haben. Deshalb bezahlt die Partei MDC bis zu 20.000 ihrer Mitglieder aus Südafrika die Reise nach Hause zu den Wahlen. So wie Andrew aus Johannesburg:

    "Das Busticket nach Simbabwe kostet 550 Rand, etwa 42 Euro. Die MDC bezahlt uns das, damit wir sie wählen können."

    Mit Bussen, Privatautos und Sammeltaxis machen sich dieser Tage Tausende von der simbabwischen Diaspora auf den Heimweg. Andrew ist optimistisch, dass die Mugabe-Gegner gewinnen. Aber egal wie die Wahl ausgeht: Er und die meisten anderen Simbabwer werden danach wieder nach Südafrika kommen. Dorthin, wo sie und ihre Familie mittlerweile zu Hause sind.