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Alle unter einem Dach?

Die Hauptschule in Bornheim nahe Köln gehört zu den 17 Versuchsschulen, die dauerhaft zu Gemeinschaftsschulen werden könnten. Allerdings stößt jenes Schulmodell nicht selten auf Ablehnung der Eltern. Ihre Angst: Leistungsschwache Kinder könnten stärkere Mitschüler bremsen.

Von Karl-Heinz Heinemann | 15.02.2011
    "Wenn wir hier nicht in einer Verwaltung wären, die natürlich alkoholfrei arbeitet, würde ich sagen, hier sind die Sektkorken geknallt. Wir haben uns richtig riesig gefreut, denn es ist tatsächlich die Chance für mehr und besseres gemeinsames Lernen und das ist die Chance, weniger zu sortieren beim Schüleraufkommen. Das ist unser Ziel, gerechter zu werden beim Lernen."

    Bornheim, eine Landgemeinde zwischen Köln und Bonn. Markus Schnapka von den Grünen ist als gewählter Beigeordneter für die Schulen der Gemeinde zuständig. Er und die Schulleiterin der einzigen Hauptschule am Ort haben seit Monaten darauf hingearbeitet, dass ihre Hauptschule nicht geschlossen wird, sondern sich in eine Gemeinschaftsschule umgewandelt wird. Nun ist sie unter den genehmigten 17 Versuchsschulen.

    "So, dann würde ich abstimmen lassen über den Punkt eins des Beschlussentwurfs ... gibt es hier Gegenstimmen? Die FDP-Fraktion. Enthaltungen? Ist nicht der Fall ... dann ist das auch mit großer Mehrheit so angenommen."

    Außer den vier Mitgliedern der FDP-Fraktion stimmten alle Ratsmitglieder für die Eröffnung einer Gemeinschaftsschule. Auch die stärkste Fraktion im Rat, die CDU, ist für eine Schulform, die von ihrer Partei im Landtag immer noch heftig bekämpft wird. Gabriele Kretschmer, die schulpolitische Sprecherin der CDU im Bornheimer Rat, ist überzeugt, dass die Hauptschule sich nicht mehr halten lässt.

    "Die Schule leidet seit Jahren unter sinkenden Anmeldezahlen, die aus der wegbrechenden Akzeptanz der Hauptschule als Schulform resultieren."

    "Eltern von heute suchen nach optimalen Möglichkeiten, um ihren Kindern die besten Ausgangspositionen für das anstehende Leben zu ermöglichen."

    Deshalb soll diese Hauptschule in eine Schule umgewandelt werden, in der nicht schon im fünften Schuljahr entschieden wird, wer das Abitur bekommen kann und wer nicht.

    Dass ein Zwei-Säulenmodell – hier das Gymnasium, dort eine wie auch immer heißende niedrigere Schulform kommen wird, das hält auch der FDP-Ratsherr Hans Martin Siebert für unvermeidlich. Aber als pensionierte Gymnasiallehrer lehnt er das pädagogische Konzept der Gemeinschaftsschule ab. Dort sollen nämlich die Schüler mindestens bis zum neunten Schuljahr gemeinsam unterrichtet werden, egal, ob sie mit dem Hauptschulabschluss abgehen werden oder auf die gymnasiale Oberstufe des Gymnasiums oder der Gesamtschule wechseln sollen. Das kann nicht funktionieren, meint er:

    "Ich sehe keinen Fortschritt, insbesondere für die leistungsstarken. Sondern die Leistungsstarken werden in ihren Entwicklungsmöglichkeiten gebremst."

    Auf Elternabenden in den Grundschulen warben Schuldezernent Schnapka und die Leiterin der Hauptschule, Henriette Heitmann, für ihr Konzept. Sie nimmt die Bedenken ernst, die der FDP-Ratsherr auf den Elternabenden vorträgt.

    "Ich glaube, diese Angst ist sehr groß der Elternschaft, dass man glaubt, schwache Kinder ziehen die starken Kinder nach unten. Aber ich denke, da steckt vielleicht auch die Illusionen hinter, dass es homogene Gruppen gibt, also Gruppen, die gleich stark sind. Und das ist eine Illusion, meines Erachtens. Die haben Sie nirgendwo. Das heißt, Sie haben immer die Aufgabe, zu schauen, wo stehen die einzelnen Kinder und versuchen, durch eine individuelle Förderung diese Kinder zu höchstmöglichen Leistungen zu bringen."

    In Bornheim melden Jahr für Jahr 360 Eltern ihr Kind an der seit Jahrzehnten existierenden Gesamtschule an, die Hälfte wird wegen Platzmangels abgelehnt. Es gibt also genügend Eltern, die davon überzeugt sind, dass gemeinsames Lernen funktionieren kann. Eine Mutter:

    "Ich persönlich habe einfach ein Problem mit diesem alt eingesessenen Dreistufensystem, vor allem in dem gymnasialem Zweig, wo die Kinder wirklich getriezt werden, und sie müssen dann über diese Latte springen, und wenn sie es nicht schaffen, werden sie aussortiert und das finde ich ganz schrecklich. Allein deswegen würde ich auch ein Kind, das möglicherweise eine gymnasiale Empfehlung bekommt, auf eine solche Schule schicken."

    Die neue Gemeinschaftsschule wird längst nicht alle 180 abgewiesenen Gesamtschüler aufnehmen, sondern sie soll nur drei Parallelklassen haben, also 69 Schülerinnen und Schüler. Nicht alle Eltern, deren Kinder von der Gesamtschule abgelehnt wurden, sehen die neue Gemeinschaftsschule als vollwertige Alternative an. Markus Schnapka:

    "Wir haben jetzt die Möglichkeit des längeren gemeinsamen Lernens, aber komplett ist es eigentlich in der Gesamtschule besser verwirklicht. Das ist zurzeit so. Die Gemeinschaftsschule stellt für mich einen Fortschritt dar, aber auch einen Übergang."

    Nun laufen die Anmeldungen für die weiterführenden Schulen. In Bornheim jedenfalls werden sicher genügend Eltern ihre Kinder an der neuen Schulform anmelden.