Archiv


Alle Zeichen auf Wachstum

Heute haben zwei Akteure ihre Konjunkturprognosen vorgelegt, die sich nicht gerade nahe stehen. Das als eher links geltende DIW-Institut aus Berlin und der recht marktliberale Bankenverband. Trotzdem waren sich die beiden heute recht einig darüber, wie es mit Deutschland weiter geht.

Von Stefan Maas |
    Einigkeit herrscht vor allem im entscheidenden Punkt: Die Schwächephase, die der deutschen Wirtschaft zu Jahresbeginn zu schaffen gemacht hat, ist überwunden. Die Wirtschaft wächst. Wie stark? Da sind die Unterschiede graduell:

    Während das DIW, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung für dieses Jahr 0,4 Prozent voraussagt, prognostiziert man beim wenige Fahrradminuten entfernten Bundesverband Deutscher Banken ein Wachstum von 0,6 Prozent. Nächstes Jahr, da ist man sich einig, werden es wohl 1,7 Prozent. Getragen, auch da gibt es keinen Dissens, vor allem von der Inlandsnachfrage. Heißt: In Deutschland wird mehr konsumiert. Das liegt an den guten Rahmenbedingungen, sagt Marcel Fratzscher, der Präsident des DIW:

    "Die positive Binnennachfrage kommt vor allem vom Arbeitsmarkt. Wir haben eine sehr positive Entwicklung gesehen. Eine Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent. Wir erwarten, dass die auch nächstes Jahr sich so weiterentwickeln wird, allerdings die Beschäftigungszahlen weiter leicht nach oben gehen werden. Und diese Entwicklung, stabile Arbeitslosenquote, steigende Beschäftigung, gute Lohnentwicklung, erklärt, weshalb der Konsum nach wie vor die tragende Säule für Deutschland sein wird."

    Denn drum herum sieht es nicht allzu rosig aus, erklären Wirtschaftsforscher und Bankenverband. Vor allem in Industrieländern wie den USA und Japan zieht die Wirtschaft zwar wieder an, dafür aber schwächeln viele Schwellenländer. Und auch wenn die anderthalb Jahre dauernde Rezession im Euro-Raum überwunden ist, die hohen Staatsschulden bleiben ein Unsicherheitsfaktor. Und die wirtschaftliche Lage wird nur langsam besser, sagt Stefan Schilbe, beim Bankenverband Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik:

    "Das ist tatsächlich bestenfalls Tempo 30. Die Erholung verläuft in Trippelschritten. Und wir rechnen damit, dass die Wirtschaft in der Eurozone eher mit Quartalswachstumsraten von 0,2 Prozent wächst. Und wenn man sich die deutschen Zahlen dazu anguckt, dann sieht man, dass Deutschland hier einen ganz wesentlichen Faktor beiträgt."

    Doch auch wenn Deutschland im Vergleich zumindest schon wieder Ortsgeschwindigkeit fährt, wie Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes sagt; und selbst wenn das DIW für dieses und nächstes Jahr sogar noch kräftiger sprudelnde Einnahmen für den Bundeshaushalt und einen Überschuss prognostiziert. Auch hierzulande gibt es durchaus dringenden Handlungsbedarf, mahnen Wirtschaftsforscher und Banker unisono:

    "Wir müssen erkennen, dass Deutschland mit seinem Kapitalstock nicht gut auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet ist."

    Sagt Michael Kemmer. Heißt: Es muss mehr investiert werden, auch um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Das gilt sowohl für Unternehmen als auch für öffentliche Investitionen - vor allem in Verkehrsinfrastruktur und in den Bildungssektor, wie das DIW besonders hervorhebt.

    Den größten Unterschied gibt es zwischen den Konjunkturforschern und dem Bankenverband bei der Frage: Welche Auswirkungen hat das Ergebnis der Bundestagswahl auf die wirtschaftliche Entwicklung.

    Marcel Fratzscher vom DIW sagt dazu:

    "Wir erwarten keinen positiven oder negativen Effekt der Bundestagswahl oder einer neuen Regierung auf die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland. Denn wir erwarten keine großen Veränderungen in der Wirtschaftspolitik."

    Der Bankenverband sagt dazu: nichts.