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Allein mit der Kraft der Arme

Auf der 63. Berlinale wurden Filme im Spezialprogramm gezeigt, die behinderte Spitzensportler auf ihrem Weg zu den Paralympics 2012 in London zeigen. Einer davon kommt in wenigen Tagen in die Kinos.

Von Jessica Strumberg |
    "Gold – Du kannst mehr als Du denkst" beginnt mit einem spektakulären Helikopterflug über einen mallorquinischen Strand hinaus auf das offene Meer. Ganz weit draußen, zunächst gar nicht erkennbar, bahnt sich eine Athletin im unruhigen Wasser ihren Weg hinaus in die Weite. Mit kraftvollen Schwimmzügen gen Horizont, Ziel unklar. Die Athletin: die dreifache paralympische Goldmedaillengewinnerin Kirsten Bruhn. Querschnittsgelähmt, die Strecke hat sie allein mit der Kraft ihrer Arme bewältigt.

    Die Produzenten Andreas Schneider und Hendrik Flügge haben keinen Aufwand gescheut, drei internationale Topathleten mit beeindruckender Bildästhetik darzustellen. Die deutsche Schwimmerin Kirsten Bruhn, den kenianischen Langstreckenläufer Henry Wanyoike, der infolge eines Schlaganfalls kurz vor seinem 21. Geburtstag erblindete und den australischen Rennrollstuhlfahrer Kurt Fearnley, dem durch einen Geburtsfehler Teile der Lendenwirbelsäule fehlen und dadurch verkürzte Beine hat, die ihn nicht tragen.

    "Ich habe mein ganzes Leben daran gearbeitet, unabhängig zu sein und stark und meine größte Sorge ist, dass Menschen mir das nehmen. Wenn Sie sagen, Du kannst nicht in dieses Gebäude, weil Du in einem Rollstuhl sitzt."

    Kurt Fearnley hinterlässt im Dokumentarfilm den schillerndsten Eindruck. Der 31-Jährige dreifache Goldmedaillengewinner von Sydney und Athen ist durch und durch beseelt von dem Gedanken nicht zurückzustehen, sich in seinem Leben von seiner Behinderung nicht behindern zu lassen. Besonders einprägsam eine Szene, in der er ohne Rollstuhl zusammen mit seinem Vater auf einer Wiese unterwegs ist, an einen Stacheldrahtzaun kommt, und diesen überwindet:

    "Aua, wo er da mit seinem Vater durchs kniehohe Gras krabbelt und auch durch den Bach und es war ja nicht nur nass, sondern auch noch kalt und ungemütlich und vor allen Dingen wie er dann so in den Stacheldraht reingreift, man zuckt schon zusammen – aber das ist halt Kurt, der geht dadurch ohne zu zögern."

    Und imponiert damit auch Kirsten Bruhn, die ihn bei Dreharbeiten kennengelernt hat. Kurt Fearnley strahlt eine unbedingte Willenskraft aus und hohen Ehrgeiz, sein Oberkörper durchtrainiert:

    "Viele differenzieren dann zwischen Oberkörper und Unterkörper und (...) relativieren oft einige und sagen, naja mein Gott ist ja halt behindert. Aber der Kurt ist einfach ein kompletter Mann, zu hundert und mehr Prozent."

    Der das Leben in vollen Zügen genießen will, sich mit seinen starken Armen auf ein Surfbrett zieht und sich scheinbar furchtlos durch die Wellen treiben lässt.
    Während er von Beginn seines Lebens mit der Behinderung lebt, musste Kirsten Bruhn nach einem Motorradunfall 1991 erst einmal verkraften, dass sie nicht mehr laufen kann. Sie erzählt den Moment, in dem alles passierte so emotional, als sei es erst gestern gewesen. Wie schwer es ist, neuen Lebensmut zu fassen und wie viel Kraft Menschen aufbringen müssen, verdeutlichen Aufnahmen aus einer Hamburger Reha-Klinik.

    "Der Wendepunkt, der für mich so ausschlaggebend war, dass ich gesagt habe, das Leben bringt mir Spaß auch in dieser Situation und auch vor allen Dingen mit diesen Möglichkeiten, die ich hatte, das war dann der erste Wettkampf 2002 und zwar die internationalen Deutschen Meisterschaften in Berlin."

    Kirsten Bruhn hat Weltrekorde aufgestellt, Titel und Medaillen gesammelt und im vergangenen Herbst auch einem Bambi verliehen bekommen.

    "Besser kann eine Karriere nicht laufen."
    Es ist die Stärke des Films, die drei paralympischen Athleten mit ihren unterschiedlichen Geschichten, Umgebungen und Motivationen genau herauszuarbeiten. Zum Beispiel die von Henry Wanyoike: In Sydney 2000 wurde er bekannt. Auf dem Weg zu Gold über 5.000 Meter musste er seinen völlig erschöpften Begleitläufer quasi über die Ziellinie ziehen.
    Heute ist er ein angesehener Mann und stolz auf sich selbst.

    Der Leistungssport als Quell für ein neues Lebensglück. Die sportlichen Karrieren der drei Protagonisten neigen sich dem Ende. Was kommt danach? Geht die Suche nach dem Sinn weiter? Dieser Frage geht der Film nicht mehr nach. Stattdessen ein unkritischer, ideenloser "Best of"-Hochglanz-Zusammenschnitt über die Paralympischen Spiele in London, wie wir sie am Ende jeder Live-Berichterstattung erleben. Ein allzu allgemeines Ende für einen Film, der ansonsten eindrücklich von den Grenzerfahrungen und Brüchen des Lebens dreier Menschen erzählt.


    "Mein Weg nach Olympia" ist ab Mai in den Kinos zu sehen. Bundesweiter Filmstart für "Gold – Du kannst mehr als Du denkst" ist im Februar.