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"Alleine schon die Zusage würde ja die Märkte stabilisieren"

30 Milliarden Euro: So viel Geld ist Griechenland als Finanzhilfe in Aussicht gestellt worden. Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, sagt, es würde auch Deutschland massiv schaden, wenn in Griechenland keine stabile wirtschaftliche Entwicklung mehr möglich wäre.

Gerhard Schick im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Noch für dieses Jahr haben die Europäer bis zu 30 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, bis zu 15 Milliarden will der Internationale Währungsfonds zuschießen, um Griechenland zu helfen. Wie viel damit gewonnen wäre, weiß im Augenblick wohl niemand zu sagen, welche Belastungen damit auf die deutschen Steuerzahler zukommen auch nicht. Wohl auch deshalb mahnen Politiker von Union und FDP zur Vorsicht. Zur Diskussion steht, dass die Bundesregierung Bürgschaften der staatlichen KfW-Förderbank von rund acht Milliarden Euro mit Garantien absichert. Zu Beginn einer entscheidenden Woche aber gibt es darüber Streit: um das Verfahren, um die Bedingungen und um den Umfang der Hilfe für Athen, begleitet von manchmal schrillen Tönen auch in den Medien. Politiker in Deutschland, sie stellen sich also auf die Bremse. Die Bundesregierung stellt Bedingungen, wenn es um Hilfen für Griechenland geht. Der Finanzminister stellt die Milliardenspritze gar ganz infrage. Wie kommen diese Signale eigentlich bei den europäischen Partnern an? Am Telefon begrüße ich jetzt den finanzpolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Einen schönen guten Tag, Gerhard Schick.

    Gerhard Schick: Guten Tag!

    Barenberg: Herr Schick, in Berlin wird über Bedingungen und über Umfang der Hilfen für Griechenland gestritten. Besteht denn zumindest Übereinstimmung darin, dass Deutschland jetzt in der Pflicht steht, Athen beizuspringen?

    Schick: Es gibt kritische Stimmen gerade auch aus der FDP, die jetzt Finanzminister Schäuble vorwerfen, er hätte das nie in Aussicht stellen dürfen, dass Deutschland hilft. Ich meine aber, wir Grünen meinen, dass es im nationalen Interesse von Deutschland ist, dass wir Griechenland unterstützen. Die Wirtschaften sind so verflochten in Europa, dass es auch Deutschland massiv schaden würde, wenn in Griechenland keine stabile wirtschaftliche Entwicklung mehr möglich ist.

    Barenberg: Zweifel daran, dass der Moment gekommen ist, dass die Gefahr für den Euro groß ist, haben Sie also nicht bei den Grünen?

    Schick: Wir stehen wirklich im Moment an einer Wegscheide, wie geht es weiter mit dem Euro-Raum, und die Gefahr ist – und das fordern ja manche Leute aus der Regierungsfraktion auch offen -, dass der Euro-Raum wieder zerbricht. Das wäre aber ein Rückschritt in der europäischen Integration und sehr gefährlich gerade auch für Deutschland. Wir meinen, wir müssen jetzt im Gegenzug unbedingt dafür sorgen, dass das, was noch fehlt an einer gut funktionsfähigen Währungsunion, nämlich eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung in Europa, jetzt nachvollzogen wird, um damit die Währungsunion stabiler zu machen und für die Zukunft auszurichten.

    Barenberg: Darauf kommen wir gleich noch mal zurück. Zunächst mal zu dem, was jetzt unmittelbar ansteht. Die EU-Kommission drängt ja darauf, ein Hilfspaket bis Ende der Woche zu schnüren. Dazu muss auch die Bundesregierung rasch handeln. Werden die Grünen im Bundestag dazu die Hand reichen?

    Schick: Wir fordern schon seit langem, dass die Bundesregierung jetzt ein konkretes Gesetz vorlegt, damit wir die Details auch diskutieren können. Noch sind die genauen Bedingungen unklar. Zum Beispiel ist nicht klar, ob die privaten Gläubiger in Rettungsmaßnahmen einbezogen werden wollen. Der IWF-Chef hat gesagt, darüber wird zurzeit nicht geredet. Wir halten das aber für unbedingt erforderlich.

    Barenberg: Das heißt, Sie würden erwarten und würden fordern, dass die Banken, die ja viele Staatsanleihen Griechenlands halten, auch ihren Teil dazu beitragen müssten?

    Schick: Genau! Es gibt ja auch historische Vorbilder, wo das gelungen ist, zum Beispiel in der lateinamerikanischen Schuldenkrise in den 80er-Jahren. Da konnte man die Schuldensituation der Länder stabilisieren unter Beteiligung der privaten Gläubiger wie der Banken etwa.

    Barenberg: Wie sollte das geschehen jetzt im Fall Griechenlands?

    Schick: Damals ist das so gemacht worden, dass mit den sogenannten Brady Bonds eben eine Umschuldung stattgefunden hat, wo es einen Abschlag gab für die privaten Anleihegläubiger. So etwas könnte man auch in der Situation in Griechenland tun. Die Bundesregierung hat das bisher aber nicht vorgesehen und da wird noch mal nachzufragen sein, warum das nicht erfolgt und wie eine Einbeziehung gelingen könnte.

    Barenberg: Auf welchen Teil ihrer Forderung müssten die Banken denn dann verzichten?

    Schick: Da gibt es in den verschiedenen Umschuldungen, die es international gegeben hat, unterschiedliche Prozentsätze. Klar ist aber doch, dass auf jeden Fall die privaten Gläubiger einen Vorteil haben, wenn jetzt Staaten rettend bei Griechenland eingreifen. Sie verlieren nämlich Risiken und zumindest dieser Zugewinn, dieser Vorteil, den sie haben, zumindest den müsste man ihnen ja auch in Rechnung stellen.

    Barenberg: Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, er bespricht an diesem Vormittag mit den Fraktionsspitzen die weitere Vorgehensweise, das was die Bundesregierung plant. Was erwarten Sie vom Bundesfinanzminister in dieser Situation?

    Schick: Wir erwarten, dass jetzt zügig ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet wird, so dass wir die Details der Vereinbarungen diskutieren können und es eine ordentliche Beschlussfassung im Bundestag geben kann. Es muss unbedingt vermieden werden, dass wir wieder in einem hektischen Eilverfahren so wie damals bei der Bankenrettung im Herbst 2008 in wenigen Tagen etwas durchs Parlament peitschen, was doch sehr langfristige Auswirkungen hat und wo es um mehrere Milliarden an Steuergeldern geht. Das braucht ein gründliches gutes Verfahren im Parlament.

    Barenberg: Das heißt, Sie würden auch in Kauf nehmen, dass wir jetzt Wochen, wenn nicht Monate über ein ordentliches Gesetzesvorhaben diskutieren?

    Schick: Eigentlich ist schon seit Februar klar, dass Griechenland Hilfen braucht. Deswegen ist die Verantwortung dafür, dass viel zu lange gewartet wurde mit einem Verfahren, jetzt bei der Bundesregierung zu suchen, die viel zu lange der Bevölkerung weiß gemacht hat, es könnte auch ohne Hilfen gehen. Jetzt ist eben notwendig, zügig das Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, und wir Grünen werden daran mitwirken, denn wir halten es für erforderlich, dass Griechenland Unterstützung bekommt.

    Barenberg: Könnte das denn bis Ende der Woche geschehen?

    Schick: Ich denke, dass es nicht notwendig ist, dass bis Ende der Woche alles verabschiedet ist. Das wird aber jetzt im Moment gerade noch mit dem Finanzminister besprochen. Ich hoffe und bin überzeugt, dass die Fraktionsvorsitzenden und der Finanzminister da eine gute Lösung für ein Verfahren im Bundestag finden, mit dem es eben gelingen kann, auch wirklich die konkreten Vereinbarungen zu überprüfen, denn es geht um viele Milliarden. Da darf man nicht einfach durchwinken.

    Barenberg: Sie würden also auch einverstanden sein, wenn Griechenland zunächst mal Ende der Woche vorerst auf den deutschen Anteil an den Hilfszusagen verzichten müsste?

    Schick: Darum geht es ja nicht, sondern es braucht erst eine Übereinstimmung auch auf europäischer Ebene, und alleine schon die Zusage würde ja die Märkte stabilisieren. Das ist doch das Entscheidende, dass wir jetzt eine langfristig stabile Lösung für Griechenland hinbekommen, und das ist eben auch bei dem, was jetzt vorgesehen ist, noch nicht der Fall.

    Barenberg: Was glauben Sie denn, was noch auf uns alle zukommt, damit auch auf die Steuerzahler, was die Zukunft Griechenlands betrifft? Manche reden ja davon, es handele sich um ein Fass ohne Boden. Sie auch?

    Schick: Es ist auf jeden Fall so, dass in dem, was jetzt für Griechenland diskutiert wird, noch einiges fehlt. Es gibt bisher zwar klare Forderungen, was haushaltspolitisch erfolgen soll. Es gibt aber keine wirkliche wirtschaftspolitische Strategie, denn wenn jetzt dort massiv gespart wird, dann ist die Gefahr, dass die Wirtschaft noch stärker zurückgeht und dadurch es immer schwieriger wird, die Schulden zurückzuzahlen. Außerdem gibt es da auch etwas, was überhaupt nicht zusammenpasst, nämlich dass Deutschland gerade noch darauf besteht, dass die Militärausgaben, die in Griechenland ja extrem hoch sind, nicht gekürzt werden, weil das Aufträge auch aus Deutschland betreffen würde. Das ist eine Scheinheiligkeit, wenn man dann von Griechenland Einsparungen erfordert, aber sagt, sie dürfen gerade in dem Bereich, der am stärksten überdimensioniert ist, nämlich dem Militärbereich, nicht erfolgen.

    Barenberg: Herr Schick, Sie haben davon gesprochen, dass es notwendig sei, auch die Wirtschaftspolitik künftig stärker zu koordinieren. Welche Vorstellungen haben Sie in diesem Punkt?

    Schick: Der Finanzier George Zachos hat mal gesagt, eine Währungsunion braucht eigentlich auch ein Finanzministerium. Jetzt brauchen wir nicht unbedingt ein Finanzministerium in Brüssel, aber was er damit meint ist richtig. Es braucht eine zentrale Entscheidungsfindung, damit Wirtschaftspolitik sinnvoll koordiniert werden kann, und wir brauchen steuerpolitische Kompetenzen auf europäischer Ebene, damit wir da auch einen Haushalt haben, der in der Lage ist, in Krisenphasen abzufedern. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss dringend reformiert werden, denn er hat nicht verhindert, dass diese gefährliche Situation eintritt, weil er eben zu wenig darauf geachtet hat, wirklich die Daten im Mitgliedsstaat zu kontrollieren, und weil wir auch – das sieht man am Beispiel von Spanien – viel zu stark nur auf die öffentliche Verschuldung geschaut haben und nicht die private Verschuldung und Spekulationsblasen in den Blick genommen haben. Da ist ein großer Reformbedarf und deswegen ist es so ärgerlich und unverantwortlich, dass die FDP jetzt beschlossen hat, es darf keine europäische Wirtschaftsregierung geben, denn jetzt entscheidet sich die Zukunft Europas, ob wir es schaffen, weiterzugehen in der europäischen Integration, oder ob die Euro-Zone auch auseinanderfällt, und das dürfen wir nicht hinnehmen.

    Barenberg: Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Danke schön für das Gespräch.

    Schick: Ja! Ich danke auch.