Gehen Studierende zum Recherchieren überhaupt noch in die Bibliothek? Oder verführt das Internet dazu, sich für Hausarbeiten und Referate die Texte zusammenzugooglen?
"Es kommt natürlich darauf an, was es für eine Arbeit ist. Wenn sie schon einen gewissen geistigen Inhalt erfordert, überlege ich mir schon mal, in die Bibliothek zu gehen, aber wenn ich Information brauche für ein kurzes Referant, dann mache ich das schon per Mausklick, da ist auch alles schön komprimiert und zusammen gefasst."
Eva Zovko studiert in Karlsruhe Musikjournalismus. Sie bestätigt, was viele Hochschullehrer umtreibt: Dass das Internet verführerisch ist. Dass es dazu verleitet, sich das Denken abzugewöhnen. Prof. Wolfgang Böttcher, Erziehungswissenschaftler in Münster stellt das jedenfalls bei seinen Studenten fest.
"Ich sehe sehr häufig, dass die Studierenden Hausarbeiten schreiben, die gar keine wissenschaftliche Fragestellung haben, wo überhaupt keine Neugierde mehr dahinter ist. Die sagen: Ich schreib mal was über Bildungsmanagement."
Begriffe zu erörtern, statt Fragen nachzugehen, hat natürlich einen Vorteil: Es gibt fast immer einen passenden Wikipedia-Artikel, der als Einstieg taugt.
"Und dann suchen sie sich ein paar Quellen zusammen von verschiedenen Autoren, ein bisschen kompiliert, ein bisschen addiert, möglicherweise auch copy and paste, und addieren das auf, und geben mir 15 Seiten ab und sagen, so, jetzt möchte ich gerne eine gute Zensur für diese Hausarbeit. Überhaupt nur mal eine einzige Fragestellung über 15 oder 20 Seiten abzuarbeiten, das fällt vielen jungen Leuten schon schwer."
Der Studentin Eva Zovko gibt zu, dieses Zusammenstückeln von Textbausteinen ist ihr vertrat - von Referaten aus Seminaren, die sie besucht hat.
"Absolut, dieses Copy-and-paste-Phänomen ist ziemlich stark, aber ich denke, dadurch, dass man das auch selber macht, sieht man das nicht mehr so kritisch."
Und zu einer Frage gibt es unter Hochschullehrern noch keine einheitliche Haltung. Darf man einen Wikipedia-Artikel als Quelle in einer wissenschaftlichen Arbeit zitieren? Die Karlsruher Medienkunststudentin Ursula Schachenhofer räumt ein, dass sie da selbst unsicher ist.
"Also ich würd’s nicht machen. Aber ich bin grundsätzlich der Meinung, wenn man eine Quelle angibt, dürfte das grundsätzlich auch kein Problem sein."
Unkritisches Abschreiben von Wikipedia, unreflektiertes Kopieren von Internettexten. Der Sprachwissenschaftler Matthias Ballod von der Universität Halle sieht die Probleme genauso. Doch statt davor zu kapitulieren, hat er sich vorgenommen, aus der Not eine Tugend zu machen.
"Ich hab das in mehreren Seminaren schon gemacht, dass ich gesagt habe: Ihr schreibt mal Artikel für Wikipedia. Ihr müsst dafür 20 Bücher bzw. Quellen in einer Gruppenarbeit recherchieren als Basis. Habe den Spieß quasi umgedreht, und ich habe den Artikel auch nicht beurteilt, sondern habe gesagt, ich erwarte, dass der Text so geschrieben ist, dass die Internetcommunity 20 Tage keine Verbesserungen oder Kommentare reinschreibt, und dann ist die Qualität für mich gegeben, weil die Community anerkannt hat, dass das ein gültiger Lexikonartikel sein kann."
Ein Kollege hat Matthias Ballod einmal vom Fall eines Studenten erzählt, der für ein englischsprachiges Seminar einen deutschen Wikipedia-Artikel genommen, diesen dann mit einer Übersetzungsmaschine ins Englische übersetzt und dann per Powerpoint abgelesen hat. Dass dabei nichts Gutes herauskam, liegt auf der Hand. Doch statt Übersetzungsmaschinen zu verteufeln, hat auch diese Geschichte den Sprachdidaktiker zu einer neuen Methode inspiriert.
"Indem ich eben mit Schülern gemeinsam online live im Internet so eine Google-Übersetzungsmaschine aufgerufen habe und geguckt habe, was macht der denn da? Gibt es diese Phrase im Englischen überhaupt, wie heißt das denn im Englischen wirklich, wie lautet der Satzbau, also alles, was die Studierenden wissen müssten über sprachliche Strukturen, Grammatik, auch Vokabeln, haben wir an dieser Übersetzungsmaschine thematisiert, weil eben nicht eins zu eins der Satzbau und die Ausdrücke, die ich erzeugen möchte, funktionieren und die Maschinen das nicht begreifen, während die Schüler das Begreifen können, wenn sie es einfach mal demonstriert bekommen, was sie sich da eigentlich antun."
Wenn Studierende sich aus fremden Hausarbeiten bedienen, lässt sich das inzwischen schnell herausfinden. Doch selbst wenn, fragt Matthias Ballod provozierend, was ist daran eigentlich so schlimm? Entscheidend sei, dass sie die größerem Zusammenhänge begreifen, und wenn ihnen die Texte anderer Studenten dabei helfen können, warum nicht?
"Wir haben das Internet – warum nutzt man nicht die besonders guten Hausarbeiten, die dann eben gar nicht gelesen werden oder in der Schublade des Dozenten landen, um sie zu veröffentlichen, nach außen zu tragen, um sie anzuspornen, sich am gesellschaftlichen Diskurs, der übers Internet möglich ist, sich aktiv zu beteiligen."
Schließlich hat das Internet zu einer Entprivatisierung des Wissens geführt. Das ändert aber nichts daran, dass wenn man zitiert, man die Quelle auch nennen sollte.
"Es kommt natürlich darauf an, was es für eine Arbeit ist. Wenn sie schon einen gewissen geistigen Inhalt erfordert, überlege ich mir schon mal, in die Bibliothek zu gehen, aber wenn ich Information brauche für ein kurzes Referant, dann mache ich das schon per Mausklick, da ist auch alles schön komprimiert und zusammen gefasst."
Eva Zovko studiert in Karlsruhe Musikjournalismus. Sie bestätigt, was viele Hochschullehrer umtreibt: Dass das Internet verführerisch ist. Dass es dazu verleitet, sich das Denken abzugewöhnen. Prof. Wolfgang Böttcher, Erziehungswissenschaftler in Münster stellt das jedenfalls bei seinen Studenten fest.
"Ich sehe sehr häufig, dass die Studierenden Hausarbeiten schreiben, die gar keine wissenschaftliche Fragestellung haben, wo überhaupt keine Neugierde mehr dahinter ist. Die sagen: Ich schreib mal was über Bildungsmanagement."
Begriffe zu erörtern, statt Fragen nachzugehen, hat natürlich einen Vorteil: Es gibt fast immer einen passenden Wikipedia-Artikel, der als Einstieg taugt.
"Und dann suchen sie sich ein paar Quellen zusammen von verschiedenen Autoren, ein bisschen kompiliert, ein bisschen addiert, möglicherweise auch copy and paste, und addieren das auf, und geben mir 15 Seiten ab und sagen, so, jetzt möchte ich gerne eine gute Zensur für diese Hausarbeit. Überhaupt nur mal eine einzige Fragestellung über 15 oder 20 Seiten abzuarbeiten, das fällt vielen jungen Leuten schon schwer."
Der Studentin Eva Zovko gibt zu, dieses Zusammenstückeln von Textbausteinen ist ihr vertrat - von Referaten aus Seminaren, die sie besucht hat.
"Absolut, dieses Copy-and-paste-Phänomen ist ziemlich stark, aber ich denke, dadurch, dass man das auch selber macht, sieht man das nicht mehr so kritisch."
Und zu einer Frage gibt es unter Hochschullehrern noch keine einheitliche Haltung. Darf man einen Wikipedia-Artikel als Quelle in einer wissenschaftlichen Arbeit zitieren? Die Karlsruher Medienkunststudentin Ursula Schachenhofer räumt ein, dass sie da selbst unsicher ist.
"Also ich würd’s nicht machen. Aber ich bin grundsätzlich der Meinung, wenn man eine Quelle angibt, dürfte das grundsätzlich auch kein Problem sein."
Unkritisches Abschreiben von Wikipedia, unreflektiertes Kopieren von Internettexten. Der Sprachwissenschaftler Matthias Ballod von der Universität Halle sieht die Probleme genauso. Doch statt davor zu kapitulieren, hat er sich vorgenommen, aus der Not eine Tugend zu machen.
"Ich hab das in mehreren Seminaren schon gemacht, dass ich gesagt habe: Ihr schreibt mal Artikel für Wikipedia. Ihr müsst dafür 20 Bücher bzw. Quellen in einer Gruppenarbeit recherchieren als Basis. Habe den Spieß quasi umgedreht, und ich habe den Artikel auch nicht beurteilt, sondern habe gesagt, ich erwarte, dass der Text so geschrieben ist, dass die Internetcommunity 20 Tage keine Verbesserungen oder Kommentare reinschreibt, und dann ist die Qualität für mich gegeben, weil die Community anerkannt hat, dass das ein gültiger Lexikonartikel sein kann."
Ein Kollege hat Matthias Ballod einmal vom Fall eines Studenten erzählt, der für ein englischsprachiges Seminar einen deutschen Wikipedia-Artikel genommen, diesen dann mit einer Übersetzungsmaschine ins Englische übersetzt und dann per Powerpoint abgelesen hat. Dass dabei nichts Gutes herauskam, liegt auf der Hand. Doch statt Übersetzungsmaschinen zu verteufeln, hat auch diese Geschichte den Sprachdidaktiker zu einer neuen Methode inspiriert.
"Indem ich eben mit Schülern gemeinsam online live im Internet so eine Google-Übersetzungsmaschine aufgerufen habe und geguckt habe, was macht der denn da? Gibt es diese Phrase im Englischen überhaupt, wie heißt das denn im Englischen wirklich, wie lautet der Satzbau, also alles, was die Studierenden wissen müssten über sprachliche Strukturen, Grammatik, auch Vokabeln, haben wir an dieser Übersetzungsmaschine thematisiert, weil eben nicht eins zu eins der Satzbau und die Ausdrücke, die ich erzeugen möchte, funktionieren und die Maschinen das nicht begreifen, während die Schüler das Begreifen können, wenn sie es einfach mal demonstriert bekommen, was sie sich da eigentlich antun."
Wenn Studierende sich aus fremden Hausarbeiten bedienen, lässt sich das inzwischen schnell herausfinden. Doch selbst wenn, fragt Matthias Ballod provozierend, was ist daran eigentlich so schlimm? Entscheidend sei, dass sie die größerem Zusammenhänge begreifen, und wenn ihnen die Texte anderer Studenten dabei helfen können, warum nicht?
"Wir haben das Internet – warum nutzt man nicht die besonders guten Hausarbeiten, die dann eben gar nicht gelesen werden oder in der Schublade des Dozenten landen, um sie zu veröffentlichen, nach außen zu tragen, um sie anzuspornen, sich am gesellschaftlichen Diskurs, der übers Internet möglich ist, sich aktiv zu beteiligen."
Schließlich hat das Internet zu einer Entprivatisierung des Wissens geführt. Das ändert aber nichts daran, dass wenn man zitiert, man die Quelle auch nennen sollte.