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Alles eine Frage der Details

Neurowissenschaften. - Forscher erklären sich Posttraumatische Belastungsstörungen unter anderem damit, dass das Hirn in einer traumatisierenden Situation zuviel Informationen aufgenommen und abgespeichert hat und beim Wieder-Erinnern viel zu viele Details auf einmal abruft. Wissenschaftler aus Stanford in den USA konnten jetzt an Mäusen zeigen, dass eine bisher kaum beachtete Hirnregion dabei offenbar eine wichtige Rolle spielt.

Von Katrin Zöfel | 15.03.2013
    "Unser Gedächtnis macht uns zu Personen. Unsere Persönlichkeit wird durch unsere Erinnerungen geformt. Und erst unser Erinnerungsvermögen macht es möglich, dass wir uns in der Welt zurechtfinden."

    Ohne Gedächtnis also keine Individualität und kein selbstständiges Leben. Umso erstaunlicher, dass die Frage, wie der Mensch sich erinnert, bisher nur ansatzweise geklärt ist. Thomas Sudhof, Neurobiologe an der Stanford University,:

    "Wir wissen nicht, wo im Gehirn Erinnerungen gespeichert werden. Wir wissen nicht, wie sie wieder abgerufen werden. Das sind ganz grundsätzliche Fragen, die wir noch beantworten müssen."

    Ein kleines Puzzleteil hat der Forscher mit seinem Kollegen nun vermutlich klären können. Er unterzog Mäuse einem klassischen Versuch, in dem die Tiere lernen, dass ihnen immer dann ein milder, aber schmerzhafter Elektroschock auf die Pfoten gegeben wird, wenn vorher ein Tonsignal zu hören war. Was Sudhof interessierte war, was sich an diesem Lernvorgang ändert, wenn er einen bestimmten Teil tief im Inneren des Mäusegehirns anregt oder hemmt, den sogenannten Nucleus reuniens, einen Teil des Thalamus.

    "Wir können zeigen, dass die Tiere zwar noch Erinnerungen abspeichern und abrufen können, wenn diese Region gestört wird, aber diese Erinnerungen werden in ihrer Qualität schlechter. Sie sind entweder übergenau oder völlig unpräzise. Die Detailfülle der Erinnerung wird also durch diesen Nucleus reuniens bestimmt."

    Im Versuch wurden die Mäuse, nachdem sie gelernt hatten, das Tonsignal als Vorboten eines schmerzhaften Elektroschocks zu fürchten, in eine neue Umgebung versetzt. Akkurat gespeicherte Erinnerungen müssten den Tieren helfen, schnell zu lernen, dass in der neuen Umgebung auf das Tonsignal kein Elektroschock mehr folgt. Die Tiere, deren Nucleus reuniens manipuliert worden war, hatten mit diesem Neulernen mehr Schwierigkeiten als nicht manipulierte Vergleichstiere. Um im Labor das Hirn der Tiere zu manipulieren, habe man bisher aber nur ziemlich grobe Werkzeuge, betont der Forscher.

    "Wir bekommen da also nur sehr grobe Ergebnisse. Innerhalb des Nucleus reuniens gibt es viele verschiedene Nervenzelltypen, die alle unterschiedlich funktionieren. Wir wissen nicht genau, wie sie die Signale aus anderen Hirnregionen bekommen und verarbeiten. Wir haben also nur geklärt, welche Aufgabe dieser Nucleus offenbar erfüllt. Zu klären bleibt, wie das geschieht."

    Sudhofs Kollege Neil Fournier sucht an der Yale University nach Behandlungsmethoden für Patienten mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Suche ist schwierig, sagt er, weil das Verständnis für die Störung noch sehr lückenhaft ist. Die neue Studie aus Stanford findet Fournier deshalb hochspannend.

    "Das ist der erste echte Nachweis dafür, dass dieser Nucleus das Abspeichern von furchteinflößenden Erinnerungen reguliert. Interessant ist, dass es in dieser Region viele Rezeptoren für Stresshormone gibt. Das spricht dafür, dass sich die Arbeitsweise dieses Nucleus unter Stress verändert."

    Und das wiederum, sagt Fournier, passe gut zu dem, was man bisher darüber wisse, wie posttraumatische Belastungsstörungen entstehen. Stress beeinflusst generell, wie eindrücklich eine Situation auf einen Menschen wirkt, und begünstigt offenbar, dass zu viele Details aufgenommen und gespeichert werden. So kann eine Posttraumatische Belastungsstörung zustande kommen. Eine Detailtreue, unter der Betroffene später massiv zu leiden haben.