Remme: Entdecken Sie denn in diesem Zusammenhang größere Gemeinsamkeiten mit den anderen Ländern, auch den CDU-geführten, oder mit der Bundesregierung?
Ringstorff: Ich denke, die Dinge werden sich auf den Vermittlungsausschuss hinbewegen. Wir haben eine Stellungnahme im Bundesrat. Wir wollen dort vom Bundes-Finanzminister wissen, wie die Kompensation tatsächlich aussieht. Es gibt auf der einen Seite die Behauptung, dass diese Kompensation erfolgt ist, aber unsere Finanzministerin rechnet doch mit einer gewissen Mehrbelastung.
Remme: Sie haben das Thema Vermittlungsausschuss erwähnt. Dieser wird vermutlich am 2. Dezember das erstemal zusammenkommen. Kann der politisch interessierte Bürger das Thema bis dahin vergessen?
Ringstorff: Ich glaube nicht. Meine Meinung ist die, dass es voraussichtlich auf den Vermittlungsausschuss zulaufen wird. Es existieren ja keine klaren Mehrheiten im Bundesrat.
Remme: Herr Ringstorff, rechnen Sie bis dahin mit substanziellen Fortschritten?
Ringstorff: Ich weiß nicht, ob die Diskussion schon vorher so weit geführt werden kann, dass der Vermittlungsausschuss nicht mehr notwendig ist. Ich rechne eher mit einem Vermittlungsausschuss-Verfahren, wo denn die entsprechenden Interessen abgeglichen werden. Sie wissen ja, dass dort auch immer noch Einzelprobleme der Länder eine Rolle spielen. Dort gibt es denn ein Geben und Nehmen, wo auch die Einzelinteressen eines Landes eine Rolle spielen. Das aber nun schon vorher auszubreiten, das wäre taktisch sicherlich unklug, wie die einzelnen Interessenlagen sind.
Remme: Das heißt, das große Mauscheln hinter verschlossenen Türen?
Ringstorff: Das ist nun einmal so, dass der Vermittlungsausschuss nicht öffentlich ist und dass letzten Endes ein Kompromiss herauskommt, mit dem man dann mehr oder weniger zufrieden ist.
Remme: Wir haben die Mittel für den Aufbau Ost kurz erwähnt. Im Vergleich zu diesem Jahr werden diese Mittel um 2,75 Milliarden gekürzt. Andere Ostländer haben bereits protestiert. Sind Sie mit diesen Streichungen einverstanden?
Ringstorff: Ich denke, man muss zunächst einmal den Vergleich ziehen zu dem, was unter der Kohl-Regierung finanziert wurde. Trotz dieses Zurückführens gegenüber den Planansätzen haben wir unter dem Strich 2,6 Milliarden Mark mehr, als wir zur Kohl-Zeit hatten. Gerade aus diesem Bereich kommen ja die größten Proteste. Es ist tatsächlich so, dass der Bankrotteur den Konkursverwalter kritisiert. Ich denke, man kann nicht nach dem Motto verfahren, es muss gespart werden, aber bei mir auf keinen Fall. Es gibt ja zu der Kohl-Ära einen Aufwuchs von immerhin 2,6 Milliarden.
Remme: Herr Ringstorff, es ist niemand über Nacht eingefallen, plötzlich 2,75 Milliarden zu streichen. Wäre es nicht aufrichtiger gewesen, das vor den drei Landtagswahlen offen auszusprechen?
Ringstorff: Die Dinge sind vorher bekannt gewesen. Der Haushalt ist vorher bekannt gewesen. Ich wiederhole noch einmal: Es ist wesentlich mehr, als es in der Kohl-Ära war. Ich denke, man muss nicht immer so diskutieren, dass das Glas halb leer ist. Man sollte anerkennen, dass hier durch die neue Bundesregierung enormes geleistet wird, und das trotz des finanziellen Desasters, was diese alte Regierung hinterlassen hat. 1.500 Milliarden Mark Schulden und täglich 260 Millionen Mark Zinszahlungen das sind Dinge, die man dem Bürger auch sagen muss. Es hat keinen Zweck, nach dem Motto zu handeln, dass man die Kuh, die man weiter melken will, dann zu Tode melkt.
Remme: Herr Ringstorff, Ihr Sozialminister, zugegebenermaßen nicht von Ihrer Partei, hat sich gestern angesichts dieser Kürzungen gefragt, wo die Chefsache Ost des Bundeskanzlers bleibt. Haben Sie in dieser Hinsicht auch Gesprächsbedarf?
Ringstorff: Nein, habe ich nicht. Sehen Sie sich die Stellungnahme an, die unsere Koalition zu dem Konsolidierungspaket hat. Unser Koalitionspartner sieht ein - das kommt auch in unserer Stellungnahme zum Ausdruck -, dass Kürzungen und Konsolidierungen sein müssen. Das wird auch in unserer Stellungnahme zum Ausdruck kommen.
Remme: Harald Ringstorff war das von der SPD. Er ist Ministerpräsident in Mecklenburg-Vorpommern.