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"Alles muss raus"
Klischeebeladenes Drama über die Schlecker-Frauen

Vor zwei Jahren meldete der Drogeriemarkt Schlecker Insolvenz an. 30.000 Beschäftigte standen auf der Straße. Die Geschichte vom Fall der Schleckerfamilie ist der ideale Stoff für ein großes Drama, dachten sich die ZDF-Verantwortlichen und drehten den aufwendigen Zweiteiler "Alles muss raus".

Von Susanne Luerweg | 13.10.2014
    Eine Filiale von Schlecker, kurz vor der Schließung, im Juni 2012 in Berlin.
    Der Konzern Schlecker existiert nicht mehr. Seine Geschichte ist aber immer noch filmreif. (picture alliance / dpa / Foto: Wolfram Steinberg)
    "Drogerie Faber: Praktisch, billig und ganz nah."
    Faber heißt die Drogeriekette im ZDF Zweiteiler "Alles muss raus". Die Läden sind auch nicht blau, wie die ehemaligen Schleckergeschäfte, sondern bunt in allen Farben. Als Logo dient der dezente Schriftzug: Faber. Aber sonst sind die Gemeinsamkeiten mit der Originalstory frappierend. In beiden Fällen führt ein störrischer Konzernchef die Firma in die Pleite.
    "Ich habe den Konzern aufgebaut. Ich habe ihn gegründet. Man kann sagen - der Konzern bin ich."
    Robert Atzorn spielt den fiesen Firmenlenker grandios. Atzorns Tochter und Gegenspielerin ist mit Lisa Martinek ebenfalls gut besetzt .
    "Du machst Verluste. Wir müssen was ändern." - "Deswegen habe ich dich geholt." - "Wir brauchen einen Rettungsplan." - "Wenn du was retten willst, geh nach Afrika."
    Gegen die Konzernübermacht
    "Alles muss raus" ist vor allem eine Familiengeschichte. Ein Vater-Tochter-Drama. Hier die innovative Business-School-Absolventin, dort der altbackene Patriarch. Daneben konzentriert sich Regisseur Dror Zahavi auf das Dilemma der Angestellten. Genau wie bei Schlecker sind es auch im ZDF-Zweiteiler in der Regel alleinstehende, oft ungelernte Frauen, die die Läden schmeißen und sich für wenig Geld krumm machen.
    "Eine der größten Drogerieketten Deutschlands, Faber, hat Insolvenz angemeldet."
    "Wenn der Faber pleite geht, stehen wir auf der Straße. Quatsch, der geht nicht pleite. Dat ist ein Riesenkonzern. Wat mach ich denn dann? Augen zu und durch."
    Eine junge Verkäuferin stemmt sich gegen die Konzernübermacht. Sie klagt gegen ihre Kündigung, gewinnt, muss wiedereingestellt werden und hat am Ende doch verloren. Der ZDF-Zweiteiler erzählt die Geschichte des Firmenniedergangs und des Familienkonflikts parallel zu den Dramen der Verkäuferin. Auf der einen Seite der Chef, der seine Tochter verliert ...
    "Sag einmal, dass es dir leid tut. Einmal. Du bist verrückt. Steig aus!"
    Auf der anderen Seite die schwangere Verkäuferin, deren kleinkrimineller Freund von einer Katastrophe in die nächste rutscht.
    Hey Janine, ick hab dat für uns gemacht." - "Morgen holst du deine Sachen." - "Dat kannste nicht machen Janine, bitte."
    Neben den Hauptprotagonisten dürfen noch ein durchgeknallter Banker auftreten, der koksend und wild tanzend in seinem Büro herumtobt, ein fies, schleimiger Investor und ein zwielichtiger Journalist sowie seine machthungrige Chefredakteurin. Es werden viele Klischees bedient in "Alles muss raus". Gut ist der Film immer dann, wenn er ruhige Töne anschlägt oder bisweilen gar keine, sondern einfach nur die Bilder sprechen lässt.
    Eindimensionale Figuren
    Ein großes russisches Drama schwebte ihm vor, so Produzent Oliver Berben. Eine filmische Erzählung im Sinne amerikanischer Fernsehserien à la "House of Cards". Diese beiden Ziele sind definitiv verfehlt. Die Figuren sind zu eindimensional, das simple Gut und Böse-Spiel zu offensichtlich.
    Aber vor allem die großartige Darstellerriege, allen voran Florian Lukas als kleiner Gangster, machen den Film sehenswert. Einzelne Bildideen, wie visualisierte Textnachrichten, sind durchaus innovativ.
    "Alles muss raus" ist als Drama angelegt. "Die Schlikkerfrauen" auf Sat 1, die das gleiche Thema behandelten, kam als Komödie daher. Vielleicht hätten die Verantwortlichen zusammenarbeiten sollen, und herausgekommen wäre ein guter statt zweier halbguter Filme. Für viele ehemalige Schlecker-Mitarbeiterinnen dürfte aber weder die eine noch die andere Variante ein Trost sein. Viele haben bis heute keinen neuen Arbeitsplatz. Denn für Schlecker, wie für die erfundene Firma im Film, gilt:
    "Die Drogeriekette Faber ist aufgelöst worden. Nachdem der Unternehmer Insolvenz angemeldet hat, war es ihm nicht gelungen, einen neuen Investor zu finden."