Archiv

Allgäuer Firma Baumann Hydrotec
Ein Fisch im Fahrstuhl

Fische, die Fahrstuhl fahren? Könnte es bald geben. Eine Allgäuer Firma hat einen Lift konstruiert, mit denen die Tiere Staustufen überwinden können. Das Gerät soll eine kostengünstige Alternative für die bekannten Fischtreppen sein. Unterstützt wird das Projekt durch EU-Recht.

Von Leila Knüppel |
    Wolfsbarsch
    Mithilfe des Fahrstuhls sollen Fische Staustufen überwinden. (imago/Thomas Holtrup)
    Georg Baummann lenkt seinen Geländewagen über grüne Allgäuer Wiesen nahe der Kleinstadt Wangen, durch einen Wald, runter zur Argen, einem Fluss, der in den Bodensee mündet: "Jetzt fahren wir zur Wehranlage,", erklärt er.
    Der 54-Jährige parkt seinen Wagen neben dem Stauwehr einer kleinen Wasserkraftanlage. 500 Kilowatt Strom liefert sie normalerweise, jetzt steht sie still.
    "Der Hubert", ein Nachbar und der Betreiber der Anlage, sei gerade dabei, sie zu warten, sagt Baumann und steigt aus. Er kennt hier jeden im Ort.
    Das Wasser ist wegen der Reparaturen auf wenige Zentimeter abgesunken - und gibt den Blick frei auf die Anlage: Ein Glück, denn so kann man Baumanns Erfindung sehen. Etwas, das europaweit zum Verkaufsschlager werden könnte: ein Lift für Fische. Baumann beschreibt: "Hier ist die Vorkammer und hier ist der Einstieg in den Fischlift."
    Ein runder Zylinder von etwa zwei Meter Durchmesser, fünf Meter hoch - so sieht der Fahrstuhl aus. Ein wenig wie eine überdimensionierte Litfaßsäule, die neben dem Wehr steht. Baumann zeigt den kleinen Zufluss-Kanal oben und unten am Wehr - mit Luken, durch die eine leichte Strömung fließt, und durch die die Fische in den Lift hineinschwimmen können. Wenn der Fisch denn möchte. Aber Baumann ist zuversichtlich: "Er wird motiviert durch die Strömung, er will immer gegen die Strömung, wenn die Wanderzeit ist, dann möchte er zu seinem Ursprung, weil da die optimalen Voraussetzungen findet für den Laich zum Ablegen."
    Bisher heißt es für die Tiere an vielen Wehranlagen allerdings: Stopp. Das soll sich bis 2027 ändern. Dann müssen manche Fließgewässer wieder für Fische und andere Lebewesen durchgängig seien, schreibt die EU-Wasserrahmenrichtlinie vor. Dafür sorgen müssen die Eigentümer der Wehre. Bei geringen Höhenunterschieden können Fischtreppen helfen, sagt Baumann.
    Fahrstuhl wird durch Wasserdruck bewegt
    Bei besonders hohen Stauwehren sei eine solche Konstruktion aber meist viel zu aufwendig und teuer, erläutert der Fischlift-Erfinder: "Erstens Mal sind das Riesen-Treppen, die brauchen auch Platz. Und man hat auch schon gemerkt, dass die Fische bei hoher Überwindungshöhe Schwierigkeiten haben. Die müssen die ja viele Treppen überwinden – und das hat mit Kraftanstrengung und Lust und Laune zu tun. Beim Lift ist es halt so, dass sie normal einsteigen können, hochfahren, oben wieder ganz gemütlich aussteigen. Und das ist ein großer Vorteil."
    Der Fisch-Fahrstuhl wird über Wasserdruck ähnlich wie bei einer Schiffsschleuse nach oben oder unten transportiert, erklärt Baumann seine Erfindung, die er gemeinsam mit der Planungsfirma "Hydro-Energie Roth" entwickelt hat. Eigentlich ganz einfach, die Schleusen-Konstruktion. Bisher ist aber noch kein anderer darauf gekommen - und deswegen hat Baumann sich alles auch gleich EU-weit patentieren lassen.
    Baumann steigt in seinen Wagen. Er muss zurück zu seiner Firma, gleich um die Ecke. Hier hat sich einiges getan, seit er den ersten Fischlift an der Argen gebaut hat, erzählt Baumann: "Wir haben Kontakt mit großen Wasserkraftbetreibern, die europaweit unterwegs sind. Die Kontakte sind schon da, aber es ist selbstverständlich, dass jeder abwartet: Lass uns noch einmal die nächste Anlage abwarten und schauen wir mal."
    Die nächste Anlage - sie soll am Baldeneysee in der Nähe von Essen stehen und beweisen, dass sein Lift auch bei großen Wasserkraftanlagen funktioniert: Fast zehn Meter ist dort die Staumauer hoch, etwa zwei Millionen Euro kostet dort der Lift.
    Gleichzeitig laufen Versuche am Karlsruher Institut für Technologie: ob die Fische wirklich bereitwillig Lift fahren. Schließlich möchte der Ruhrverband - als Eigentümer des Stauwehrs - nicht Millionen im Wasser versenken. Denn schon viele Unternehmen haben an Fischaufzügen getüftelt. Richtig funktioniert hätten sie aber nicht, meint Baumann - und das versteht er auch: "Da gibt es einfach Lebewesen, die nicht mitkönnen, weil es nicht so gebaut ist. Und dem entsprechen wir halt, das ist halt unser Wettbewerbsvorteil."
    Baumann parkt seinen Pick-up neben einigen alten Autos ohne Nummernschilder, geht über den Hof - seinem Wohn- und Firmensitz: "Hier waren mal 40 Kühe auf der Weide. Alles, wie man sich das vorstellt, im Allgäu."
    Lager im ehemaligen Kuhstall
    Vorbei geht es an einem alten Traktor, Eisenträgern und jeder Menge rätselhafter Konstruktionen. Baumann kann das erklären: "Mein Vater hat schon immer Sachen gebaut, im landwirtschaftlichen Bereich, und ich habe schon in der Schule Maschinen gebaut. Das hat sich einfach so ergeben."
    Früher hat er nebenher Maschinen konstruiert und repariert, wenn er nicht gerade die Kühe auf seinem Hof versorgen musste. Dann später tüftelte er als Vollzeit-Unternehmer und Geschäftsführer von "Baumann Montagen". In einem Teil des ehemaligen Kuhstalls sind die Warenannahme und das Lager seines Unternehmens gezogen. "Im Moment ist ruhig, weil alles draußen ist auf Montage sind."
    In den vergangenen Jahren hat Baumann vor allem neue Rechenanlagen für Wasserkraftanlagen entwickelt – und mit seinem Zehn-Mann-Team gewartet. Auch schon ein einträgliches Geschäft. Jetzt hat er noch eine zweite Firma gegründet - extra für die Fischlifte: "Baumann Hydrotec". Der Firmenchef bilanziert: "Bis jetzt, der Umsatz, was wir jetzt mit unseren Rechenreinigern machen, wird so um die eine Million, als kleiner Betrieb. Da ist eigentlich Luft nach oben. Der Fischlift wird uns schon in eine größere Summe bringen."
    Begeistert wie ein kleiner Junge öffnet der Mann mit weißem Schnurrbart die Tür zur neuen, großen Montagehalle: "Wir bauen immer den ersten Prototyp selber, und dann vergeben wir die Serienarbeiten an ansässige Firmen."
    Etwa zwölf Meter hoch ist das neue Gebäude - schließlich soll der etwa zehn Meter hohe Fischlift hier reinpassen. Bevor er dann endgültig am Baldeneysee aufgestellt wird.