Zuerst einmal geht es in den Keller. Die steile Treppe hinunter. Es riecht, wie es in einem fast 200 Jahre altem Keller so riecht. Unten die Bodensteine stehen ziemlich schief, darüber ein Deckengewölbe, irgendwo oberhalb von alten Käsereiwannen steht die Jahreszahl 1827. Ziemlich romantisch dieser Keller des Maienhofes in diesem schwäbischen Ort, der klingt, als hätte sich ein englischer Adliger ins Oberallgäu verirrt – Missen-Wilhams.
"Sehen Sie, hier ist noch der Ansatz einer Rauchhaube und da oben waren die Aufnahmen für den Galgen, da war eine Holzsäule, die konnte man drehen, daran hing der große Kupferkessel."
Hans-Ulrich von Laer zeigt auf einige gräuliche Flecken. Man glaubt dem Bürgermeister sofort, dass man hier auf historischem Boden steht. Auf käsehistorischem Boden gewissermaßen. Um 1830 sorgte - der auf Ölgemälden finster dreinblickende – Unternehmer Carl Hirnbeis für den Milch-Aufschwung des Allgäus. Ohne Hirnbeis kein Allgäuer Bergkäse. Ohne den umtriebigen Agrarreformer keine Almhütten auf grünen Bergwiesen mit – ja genau – Milchkühen. Carl Hirnbeis also, der erste Milchrebell von Missen-Wilhams.
"Also wir haben in unserem Gemeindegebiet, das ist zirka 3300 ha groß zum großen Teil landwirtschaftliche Nutzfläche noch ca. 40 aktive Landwirte."
35 davon sind Milchbauern, Tendenz fallend. Der Ort braucht wieder Milchrebellen, dachte sich von Laer vor vier Jahren ganz wie ein fürsorglicher Gutsherr. In der Zeitung las er von zwei Jungunternehmern, die seit Jahren vergeblich eine Nachbargemeinde für eine neue Molkerei begeistern wollten. Jetzt stehen seine zwei Milchrebellen vor der Baugrube ihrer neuen Molkerei in Missen-Wilhams:
"Ich bin der Johannes Nussbaumer. Und ich der Matthias Haug."
Urlaub mit Milchprodukten direkt aus der Molkerei
Die beiden Milchaktivisten kennen sich aus in der Branche. Haug arbeitete lange bei der Andechser Bio-Molkerei Scheitz, Nussbaumer ist Geschäftsführer einer Berg-Käserei im Nachbarort. Regionale Produkte kommen gut an bei den Gästen, von den Missen-Wilhams immerhin 100.000 im Jahr hat, so der Bürgermeister. In der Ferienwohnung Milch, Quark, Sahne oder Schmand direkt von der Molkerei nebenan zu genießen, mit den Kühen auf der Weide vor Augen, das müsste doch Erfolg haben, so Matthias Haug. Vor allem, wenn man nur Heumilch anbietet:
"Die Idee war im Grunde was zu machen, was es noch nicht gibt, mal etwas so zu machen, wie es keiner macht, also genau andersherum. Also nicht billige Milch, sondern wir wollen hochwertige Milch verkaufen und drum garantieren wir auch 40 Cent Milchgeld in der heutigen Zeit und haben uns getraut, einfach hier jetzt 3,2 Millionen Euro zu investieren. Gerade jetzt muss man es machen und nicht dann, wenn es alle tun."
In dem winzigen Ort mit einem in die Jahre gekommenen Carl-Hirnbeis Museum, mit einem Carl-Hirnbeis-Wanderpfad und diversen Regionalstrukturprojekten, wirkt die Molkerei wie eine Mischung aus Wirtschaftsunternehmen, Schaukäserei und Heimatmuseum. Natürlich wolle man auch auf die Geschichte aufmerksam machen, aber der Standort sei eher Zufall, meint Nussbaumer. Bis zu 4 Millionen Kilogramm Heumilch sollen im kommenden Jahr hier verarbeitet werden. Und der Gast kann zuschauen:
"Also wir haben geplant, dass wir eine gläserne Produktion machen, wo man dann wirklich durch einen Gang durch die Produktion gehen kann, wo man sieht, wie die Milch reinkommt, wie sie in Becher abgefüllt wird, bis hinten zum Lager."
"Es wird halt mancher sagen, ich kaufe es nicht immer, vielleicht ab und zu, aber nicht immer. Dass man sagt, hier kauf ich es für 1,30 Euro und dort bekomme ich es für 90 Cent angeboten."
"Beim Lidl oder beim Rewe stehen sie dann und was sie hier verlangen... ich glaube aber, viele kaufen es, ich hab das Gefühl, dass es viele kaufen."
Großes Interesse bei Bauern und Supermärkten
Die Meinung im Ort ist gespalten. Die Heumilch-Produkte seien teurer als bei den Supermärkten. Ob sich das jeder leisten könnte?
Die zwei Molkereigründer winken ab, Rewe Bayern hätte Interesse, 600 Märkte wären ein guter Anfang, die Nachfrage ist da. Und auch das Interesse der Bauern:
"Was soll ich sagen, es ist wie beim Bier, das muss erst herumgekarrt werden und da hätten wir ein regionales Produkt."
Am Hauberhof von Missen-Wilhams wird seit zwei Jahren nur Heu gefüttert, 40 Kühe stehen im Stall, Qualität geht vor Quantität. Um zu überleben, müssten alle Milchbauern nicht nur auf Heumilch, sondern gleich auf Bio umstellen, meint Bauer Hauber. Das ist auch geplant in der neuen Molkerei. Wenn der Absatz gut läuft. Noch klingt alles sehr optimistisch. Ab Dezember liegen die Allgäuer Hofmilchprodukte in den Läden. Vielleicht gehört dann auch ein Wilhamser Milchrebell dazu.