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Allianz-Chefvolkswirt: Reformen für Griechenland brauchen viel Zeit

Andere größere Länder könnten bei einer griechischen Staatsinsolvenz in den Strudel mitgezogen werden, warnt Michael Heise, Chefvolkswirt des Allianz-Konzerns. Bei einer Fortführung der Reformen bestehe aber durchaus die Chance, dass bald eine Stabilisierung eintritt.

Michael Heise im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Martin Zagatta: Die Eurozone ist das Epizentrum der globalen Krise, so wird der Präsident der Europäischen Zentralbank Trichet heute Morgen zitiert. Und die Angst vor einer zweiten Bankenpleite nimmt zu. Aus Washington, wo der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die G-20-Finanzminister tagen, kommen entsprechende Warnungen. Schuldenländer wie Griechenland könnten viele Geldhäuser mit in den Abgrund ziehen. Wie berechtigt sind diese Sorgen? Das wollen wir jetzt den Chefvolkswirt des Versicherungs- und Finanzdienstleistungskonzerns Allianz fragen. Einen schönen guten Morgen, Michael Heise!

    Michael Heise: Guten Morgen, Herr Zagatta!

    Zagatta: Herr Heise, wir erreichen Sie bezeichnenderweise in Athen. Sind Sie in Griechenland, um Ihr Geld zu retten, um die restlichen griechischen Anleihen abzustoßen?

    Heise: Nein, das ist in diesem Fall nicht so. Wir sind hier, um sogar ein wenig Geld auszugeben, indem wir eine Konferenz unterstützen, die sich mit den langfristigen Wachstumsperspektiven Griechenlands auseinandersetzt. Und ich glaube, das ist ganz wichtig, dass die Menschen hier auch eine Wachstumsperspektive bekommen.

    Zagatta: Aber es ist doch so – oder sehe ich das falsch –, dass deutsche Versicherer und vor allem auch deutsche Banken ihre griechischen Anleihen schon deutlich reduziert haben?

    Heise: Das ist richtig. Es ist ja ein Umschuldungsprogramm für Griechenland in den Beschlüssen vom 21. Juli oder nach diesen Beschlüssen des Rates, des Europäischen Rates vom 21. Juli verabredet worden, und im Zuge dieses Programms haben die Finanzinstitute ihre Griechenland-Abschreibungen, ihre Griechenland-Papiere schon ganz wesentlich abgeschrieben, sodass hier sehr starke Belastungen für die Kapitaldecke der Unternehmen eigentlich nicht zu erwarten sind. Ich glaube, dass eine mögliche Insolvenz Griechenlands durchaus zu verkraften wäre von den Banken. Das Problem ist eben, dass die Probleme in Griechenland auch auf andere Länder ausstrahlen und hier besondere Risiken gegeben sind.

    Zagatta: Sprechen Sie da von den deutschen Banken, dass das Risiko zu verkraften wäre, oder meinen Sie das allgemein für die Eurozone? Man hört ja aus Frankreich, die französischen Banken wären da sehr gefährdet.

    Heise: Ja, aber selbst die französischen Banken, die nun besonders Vorbestände noch an griechischen Papieren haben, haben ja gesagt, dass sie Vorsorge getroffen haben für einen solchen Eventualfall, den man nach meiner Einschätzung dringend verhindern sollte, aber es ist ein Szenario, das man mit im Blick haben muss. Und selbst die französischen Banken haben hier genügend Vorsorge für diesen Fall getroffen. Aber wenn natürlich andere Länder mitgezogen werden in den Strudel und es sich auch um größere Länder handelt, dann wird die Lage sehr, sehr ernst. Man hat ja jetzt unlängst die Berechnungen vom Internationalen Währungsfonds zu übernehmen gehabt, dass insgesamt bis zu 300 Milliarden Abschreibungen stattfinden könnten, wenn man alle Staatspapiere der verschuldeten Länder entsprechend den Tageswerten abwertet und abschreibt in den Bilanzen. Das ist natürlich eine Summe, die das Bankensystem ins Wanken bringen könnte, die neue Kapitalzufuhr erfordern würde, und das ist genau das Szenario, was den Märkten so viel Angst macht.

    Zagatta: Wie ernst nehmen Sie die Warnung? Sie waren ja jetzt eben bis zu dieser Antwort jetzt sehr optimistisch.

    Heise: Ich glaube, dass die Situation anders ist als vor der großen Lehman-Krise, dass die Weltwirtschaft erstens in einer viel stabileren Lage ist, die Finanzmarktblasen und die krassen Übertreibungen, die wir vor der Lehman-Zeit hatten, sind nicht mehr da. Und zweitens ist die Politik ist sehr, sehr alert, sehr Gewehr bei Fuß, eine Bankenkrise, sollte sie eskalieren, zu verhindern. Es sind ja schon Ankündigungen gekommen, dass eben die Liquidität für die Banken mehr oder weniger unbegrenzt zur Verfügung stehen wird, und es ist auch klar, dass die Regierungen der Welt ihre Banken unterstützen würden, wenn dann eine Kapitalknappheit eintrete. Für diesen Fall sind ja sogar Mittel in den neuen Statuten der europäischen Stabilisierungsfaszilität vorgesehen, und es sind auch Mittel zur Rekapitalisierung von Banken in dem Rettungsprogramm für Griechenland vorgesehen, also das ist ganz klar auf dem Radarschirm der Politik.

    Zagatta: Die Regierung in Athen, zumindest gibt es jetzt solche Meldungen, setzt auf einen Schuldenschnitt von 50 Prozent, und dem könnten – so wird jetzt heute auch spekuliert – dem könnte vielleicht auch die Bundesregierung zustimmen, so gab es jedenfalls gestern entsprechende Meldungen. Könnten Sie mit einem solchen Schuldenschnitt, könnte man damit leben?

    Heise: Also man könnte damit leben in dem Sinne, dass es nicht das europäische Bankensystem sozusagen kollabieren lässt, ich glaube aber nicht, dass der Zeitpunkt für einen solchen Schuldenschnitt der richtige ist. Wir haben ja gerade Beschlüsse gefasst, die vorsehen, dass einerseits die Reformen in Griechenland noch einmal beschleunigt und teilweise wieder aufgenommen werden, dass eine Umschuldung der privaten Gläubiger in Griechenland stattfindet, auf freiwilliger Basis – deswegen ist es kein zwanghafter Schuldenschnitt –, und dass eben neue Mittel bereitgestellt werden zur Abschirmung Griechenlands von den internationalen Märkten. Ich denke, man sollte nicht dieses Konzept jetzt als gescheitert hinstellen und einen schnellen Schuldenschnitt in Griechenland herbeiführen. Der würde in Griechenland riesige Probleme schaffen, er würde Ansteckungseffekte auf andere Länder haben, die noch nicht wieder auf sicherem Gelände sind. Natürlich denkt man zunächst an Portugal, aber auch Irland, aber auch größere Länder würden davon wahrscheinlich in negativer Weise betroffen. Daher denke ich, die Reformen müssen erst noch fortgeführt werden. Es ist durchaus die Chance da, dass bei einer konsequenten Politik auch in Griechenland im kommenden Jahr eine Stabilisierung eintritt und man über die Jahre auch wieder Wachstum bekommt – dann sieht die Welt nämlich anders aus.

    Zagatta: Glauben Sie das ernsthaft, hat Griechenland – bei diesem riesigen Schuldenberg – hat Griechenland überhaupt noch eine Chance, seine Schulden überhaupt zurückzuzahlen?

    Heise: Es sind ja doch in den Beschlüssen vom Rat im Juli einige Instrumente vorgesehen worden, die dazu beitragen, dass der Schuldenstand Griechenlands sinken wird. Als Beispiel möchte ich nennen, dass 20 Milliarden in dem Rettungspaket für Griechenland für den Rückkauf von Staatsanleihen vorgesehen sind. Mit 20 Milliarden Euro wäre Griechenland jetzt imstande, da die Papiere alle ja mit riesigen Abschlägen auf den Märkten notieren, etwa 40 Milliarden an Schulden zurückzukaufen. Eine Differenz von 20 Milliarden wäre also Schuldenreduktion. Das sind schon mehr als ungefähr 15 Prozent der Schulden und die der Staat noch an Anleihen hat. Und andere Instrumente sehen vor, dass eben die privaten Gläubiger sich ja auch beteiligen an den Stabilisierung Griechenlands. Hier ist einerseits ein Schuldenverzicht eingeplant, vor allem aber, das ist besonders wichtig, werden eben auslaufende kurzfristige Anleihen, die in privater Hand sind, durch 30-jährige Anleihen Griechenlands ersetzt. Auch da kriegt also Griechenland eine enorme Finanzierungssicherheit und ist abgeschirmt von den Finanzmärkten und kann die Reformen im Inland, die Modernisierung der griechischen Wirtschaft angehen, mit viel Zeit angehen. Und viel Zeit ist natürlich erforderlich, das wissen wir.

    Zagatta: Was hätte es für Auswirkungen, wenn der Bundestag, der demnächst ja über das nächste Rettungspaket abstimmen muss, wenn der nein sagen würde?

    Heise: Ja, ich befürchte, es hätte recht starke negative Auswirkungen, denn die Ängste an den Finanzmärkten sind ja, dass die Politik keine Rezepte hat, um eine Eskalation dieser Eurokrise zu verhindern, und eine Nichtverabschiedung der neuen Statuten des EFSF oder der erweiterten Möglichkeiten des EFSF würde genau diese Befürchtung verstärken. Meines Erachtens hätte das erheblich negative Auswirkungen an den Finanzmärkten und würde sicherlich auch die Lage in anderen hoch verschuldeten Ländern Europas erheblich verschlechtern, denn diese Mittel sind ja auch vorgesehen, um Länder wir Portugal und Irland weiter zu unterstützen und auch in gewissen Grenzen eine Abschirmung von Italien und Spanien von diesen Turbulenzen vorzusehen.

    Zagatta: Michael Heise, der Chefvolkswirt des Allianz-Konzerns. Herr Heise, ganz herzlichen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Athen!

    Heise: Danke schön, auf Wiederhören!

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