"Ich heiße Fatima" - "ich heiße Abdu" - "ich heiße Mohamad" - "ich heiße Manal" - "ich heiße Omar Sheikh Debs"."
Es sind die ersten deutschen Worte der syrischen Großfamilie aus Aleppo. Im September kommen die Eheleute Omar und Manal Sheikh Debs mit ihren vier Kindern im niedersächsischen Durchgangslager Friedland an. Sie gehören zur ersten Gruppe der insgesamt 5000 Kontingentflüchtlinge, die im Rahmen einer humanitären Hilfsaktion in Deutschland aufgenommen werden. Die Sheikh Debs - das sind Vater Omar, 47 Jahre alt, ein zierlicher Mann mit kurz geschnittenen schwarzen Haaren, seine Zwillingssöhne Abdu und Mohamad, beide 19 Jahre alt, die den Vater um fast einen Kopf überragen, die 15-jährige Tochter Fatima, die einen knöchellangen Mantel und Kopftuch trägt und Mutter Manal, 34 Jahre alt, die ihren Jüngsten, den fünfjährigen Abdul, an der Hand hält.
Hinter der Familie liegt die Odyssee einer langen Flucht. Nur wenige Monate nach Beginn des Bürgerkriegs in Syrien, im August 2011 haben die Sheikh Debs ihr Zuhause in Aleppo, eine Stadt im Norden des Landes, verlassen. Als ihr Wohnviertel immer heftiger bombardiert wurde und Menschen ums Leben kamen, ließen die sechs in panischer Angst alles zurück und flohen. Erst zu Verwandten, später in den Libanon, erzählt der Familienvater.
""Ich hatte zusammen mit meinem Vater einen kleinen Laden in der Altstadt von Aleppo. Außerdem hatten wir einen Großhandel für Hülsenfrüchte. Unsere beiden Söhne haben eine Koranschule besucht, die Tochter eine neunte Klasse. Von Aleppo aus ist die Familie in den Libanon geflohen. In Beirut hatten wir zwar eine Wohnung, aber nichts zu essen."
Seine Frau Manal Sheikh Debs gestikuliert energisch mit den Händen. Sie erzählt, sie habe viele Briefe ans UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der UN, geschrieben, in denen sie die prekäre Situation der Familie schilderte: keine Arbeit, kein Geld, nichts zu essen, keine Schule für die Kinder. Ihr neues Leben beginnt mit einem Crashkurs in Deutsch. Nur zwei Wochen bleiben den syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen, um im Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen die ersten deutschen Worte zu lernen.
Es sind die ersten deutschen Worte der syrischen Großfamilie aus Aleppo. Im September kommen die Eheleute Omar und Manal Sheikh Debs mit ihren vier Kindern im niedersächsischen Durchgangslager Friedland an. Sie gehören zur ersten Gruppe der insgesamt 5000 Kontingentflüchtlinge, die im Rahmen einer humanitären Hilfsaktion in Deutschland aufgenommen werden. Die Sheikh Debs - das sind Vater Omar, 47 Jahre alt, ein zierlicher Mann mit kurz geschnittenen schwarzen Haaren, seine Zwillingssöhne Abdu und Mohamad, beide 19 Jahre alt, die den Vater um fast einen Kopf überragen, die 15-jährige Tochter Fatima, die einen knöchellangen Mantel und Kopftuch trägt und Mutter Manal, 34 Jahre alt, die ihren Jüngsten, den fünfjährigen Abdul, an der Hand hält.
Hinter der Familie liegt die Odyssee einer langen Flucht. Nur wenige Monate nach Beginn des Bürgerkriegs in Syrien, im August 2011 haben die Sheikh Debs ihr Zuhause in Aleppo, eine Stadt im Norden des Landes, verlassen. Als ihr Wohnviertel immer heftiger bombardiert wurde und Menschen ums Leben kamen, ließen die sechs in panischer Angst alles zurück und flohen. Erst zu Verwandten, später in den Libanon, erzählt der Familienvater.
""Ich hatte zusammen mit meinem Vater einen kleinen Laden in der Altstadt von Aleppo. Außerdem hatten wir einen Großhandel für Hülsenfrüchte. Unsere beiden Söhne haben eine Koranschule besucht, die Tochter eine neunte Klasse. Von Aleppo aus ist die Familie in den Libanon geflohen. In Beirut hatten wir zwar eine Wohnung, aber nichts zu essen."
Seine Frau Manal Sheikh Debs gestikuliert energisch mit den Händen. Sie erzählt, sie habe viele Briefe ans UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der UN, geschrieben, in denen sie die prekäre Situation der Familie schilderte: keine Arbeit, kein Geld, nichts zu essen, keine Schule für die Kinder. Ihr neues Leben beginnt mit einem Crashkurs in Deutsch. Nur zwei Wochen bleiben den syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen, um im Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen die ersten deutschen Worte zu lernen.
Alltagswissen im Deutschkurs lernen
Fünfzehn Frauen, Männer und Jugendliche lauschen gespannt jedem Wort, das die Deutschlehrerin Helene Lier spricht. Fatima Sheikh Debs ist mit 15 die Jüngste im Klassenzimmer, der Älteste ist Mitte fünfzig. Auf den Tischen liegen bunte Pappkarten. Darauf stehen deutsche Worte wie Dankeschön, Bitteschön oder Entschuldigung. Die Lehrerin hält eine Deutschlandkarte hoch, zeigt mit dem Finger auf das Bundesland Hessen und schreibt mit Kreide an eine Tafel. Alltagswissen will sie vermitteln. Das funktioniert, obwohl sie kein Wort arabisch spricht.
Lehrerin: "Geht dieser Zug nach Frankfurt, ja, oder nein?"
Schüler: "Ja."
Alle nicken, formen mit den Lippen Worte, deren Bedeutung sie noch nicht verstehen, murmeln vor sich hin. Nicht jede Frau im Klassenzimmer hat ein Kopftuch um. Eine trägt die blonden, schulterlangen Haare offen. Manal Sheikh Debs sitzt neben ihr. Sie sieht rüber zu ihrem Mann und beobachtet genau, ob auch ihre Tochter und die beiden Söhne die Worte der Lehrerin nachsprechen. Sie will, dass ihre Familie aufmerksam ist, gut mitmacht und schnell Deutsch lernt. Helene Lier drückt auf die Starttaste eines CD-Players.
Lehrerin: "Wir hören jetzt ein Lied."
Musik: Geht dieser Zug nach Frankfurt? Nein, nein, der geht nach Trier! Wann geht ein Zug nach Frankfurt? Um 15 Uhr, Gleis vier!
Lehrerin: "Noch einmal."
Alle sind konzentriert bei der Sache. Helene Lier muss den Flüchtlingen innerhalb von wenigen Tagen das Nötigste an Alltagswissen beibringen. Sie schwärmt von ihrer Klasse.
"Sehr motiviert und sehr fleißig, die üben auch in der Pause weiter, dass die vor allem sagen können wie sie heißen, wo sie wohnen, ein bisschen über die Familie erzählen, Uhrzeit verstehen, dass sie keine Angst mehr haben, Deutsch zu lernen."
Im Klassenzimmer gegenüber beendet der evangelische Pastor Martin Steinberg gerade den Unterricht. Auf seinem Stundenplan stehen Verkehrsregeln für Fußgänger und Behördengänge. Er hat schon viele Flüchtlinge in Friedland kennengelernt. Über die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Damaskus und Aleppo sagt er:
"Ich merke sehr deutlich, die Erleichterung, die Freude und das Glück, hier in Sicherheit zu sein. Wir merken aber auch den Schmerz und die Trauer über das, was sie zurückgelassen haben. Einige denken an ihre Familien, die jetzt in Damaskus oder in Aleppo sitzen und machen sich große Sorgen."
Lehrerin: "Geht dieser Zug nach Frankfurt, ja, oder nein?"
Schüler: "Ja."
Alle nicken, formen mit den Lippen Worte, deren Bedeutung sie noch nicht verstehen, murmeln vor sich hin. Nicht jede Frau im Klassenzimmer hat ein Kopftuch um. Eine trägt die blonden, schulterlangen Haare offen. Manal Sheikh Debs sitzt neben ihr. Sie sieht rüber zu ihrem Mann und beobachtet genau, ob auch ihre Tochter und die beiden Söhne die Worte der Lehrerin nachsprechen. Sie will, dass ihre Familie aufmerksam ist, gut mitmacht und schnell Deutsch lernt. Helene Lier drückt auf die Starttaste eines CD-Players.
Lehrerin: "Wir hören jetzt ein Lied."
Musik: Geht dieser Zug nach Frankfurt? Nein, nein, der geht nach Trier! Wann geht ein Zug nach Frankfurt? Um 15 Uhr, Gleis vier!
Lehrerin: "Noch einmal."
Alle sind konzentriert bei der Sache. Helene Lier muss den Flüchtlingen innerhalb von wenigen Tagen das Nötigste an Alltagswissen beibringen. Sie schwärmt von ihrer Klasse.
"Sehr motiviert und sehr fleißig, die üben auch in der Pause weiter, dass die vor allem sagen können wie sie heißen, wo sie wohnen, ein bisschen über die Familie erzählen, Uhrzeit verstehen, dass sie keine Angst mehr haben, Deutsch zu lernen."
Im Klassenzimmer gegenüber beendet der evangelische Pastor Martin Steinberg gerade den Unterricht. Auf seinem Stundenplan stehen Verkehrsregeln für Fußgänger und Behördengänge. Er hat schon viele Flüchtlinge in Friedland kennengelernt. Über die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Damaskus und Aleppo sagt er:
"Ich merke sehr deutlich, die Erleichterung, die Freude und das Glück, hier in Sicherheit zu sein. Wir merken aber auch den Schmerz und die Trauer über das, was sie zurückgelassen haben. Einige denken an ihre Familien, die jetzt in Damaskus oder in Aleppo sitzen und machen sich große Sorgen."
Asylbewerber und Kontingentflüchtlinge
Der Pastor weiß nur zu gut, dass selbst in Friedland - das Lager wird auch "Tor zur Freiheit" genannt - nicht alle syrischen Flüchtlinge den gleichen Status haben. Da gibt es die offiziellen Kontingentflüchtlinge, die kein Asylverfahren durchlaufen, sondern mit ihrer Ankunft sofort eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. In Friedland leben aber auch viele Menschen, die vor dem gleichen Bürgerkrieg aus Syrien geflohen sind, die aber Asyl beantragen müssen. Diese Flüchtlinge werden oft von Schlepperbanden nach Deutschland geschleust. Ihnen bleibt meist nur die Hoffnung, dass sie hierzulande zumindest eine Zeit lang geduldet werden. Denn nach dem geltenden europäischen Recht müssten sie eigentlich in dem EU-Land Asyl beantragen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben. Die Dublin-II-Verordnung sieht dann auch vor, dass Flüchtlinge, die etwa über die italienische Insel Lampedusa nach Deutschland kommen, nach Italien abgeschoben werden können. Auf dem jüngsten EU-Gipfel beschlossen die europäischen Staats- und Regierungschefs, daran vorerst auch nichts zu ändern. Hinter der Idee der Kontingentflüchtlinge steht Pastor Steinberg trotzdem:
"Wir haben hier wirklich abgestufte Rechte und Privilegien. Was die Bundesrepublik gemacht hat, den Beitritt zum Resettlement Programm des UNHCR, ist der richtige Schritt. Ich wünschte mir, dass dieses Programm des Resettlements ausgebaut wird. Es ist das Zukunftsprogramm für Flüchtlinge und für Deutschland."
Spätestens im nächsten Frühjahr sollen alle 5000 Kontingentflüchtlinge in Deutschland angekommen sein. Ihre Umsiedlung aus vorwiegend libanesischen Flüchtlingscamps erfolgt schrittweise. Sie werden in Gruppen in speziell für diesen Zweck gecharterten Flugzeugen nach Deutschland eingeflogen. Ein Aufenthalt ist für die nächsten zwei Jahre geplant, dann sollen sie - sofern es die Lage in ihrem Heimatland zulässt - wieder heimkehren. Der Tagesablauf im 1945 eröffneten Grenzdurchgangslager Friedland ist seit Jahrzehnten immer der gleiche.
"Wir haben hier wirklich abgestufte Rechte und Privilegien. Was die Bundesrepublik gemacht hat, den Beitritt zum Resettlement Programm des UNHCR, ist der richtige Schritt. Ich wünschte mir, dass dieses Programm des Resettlements ausgebaut wird. Es ist das Zukunftsprogramm für Flüchtlinge und für Deutschland."
Spätestens im nächsten Frühjahr sollen alle 5000 Kontingentflüchtlinge in Deutschland angekommen sein. Ihre Umsiedlung aus vorwiegend libanesischen Flüchtlingscamps erfolgt schrittweise. Sie werden in Gruppen in speziell für diesen Zweck gecharterten Flugzeugen nach Deutschland eingeflogen. Ein Aufenthalt ist für die nächsten zwei Jahre geplant, dann sollen sie - sofern es die Lage in ihrem Heimatland zulässt - wieder heimkehren. Der Tagesablauf im 1945 eröffneten Grenzdurchgangslager Friedland ist seit Jahrzehnten immer der gleiche.
Stockbetten statt 150-Quadratmeter-Wohnung
Pünktlich um halb zwölf beginnt die Mittagspause. Alle machen sich auf den Weg zur Kantine; raus aus dem barackenähnlichen Gebäude mit den vielen Klassenräumen. Abdul, der fünfjährige Sohn, hält ein Spielzeug in der Hand. Er strahlt. Der Kleine zieht seinen Vater in Richtung Ausgang. Er will in das Zimmer, das sich die Familie in Friedland teilt:
Im Raum stehen drei Doppelstockbetten. Fatima klopft mit der Hand auf die Matratze oben: Hier schläft sie, unten der kleine Bruder. In Aleppo hatte die Familie eine 150 Quadratmeter große Wohnung. In Friedland ist es nur ein schmaler Gang zwischen den Betten. Zwei einfache Holzschränke stehen rechts und links, dazwischen ein Fenster mit weißer Gardine. Die Sheikh Debs setzen sich an den einzigen Tisch.
Ein Koran, ein Buch mit grünem Deckel und goldenen Schriftzeichen, liegt auf dem Tisch. Alle sind voller Optimismus. Mutter Manal greift nach einem handtellergroßen, orangefarbenen Plastikamulett. Darauf ein arabischer Schriftzug, er heißt übersetzt: "Verlass dich auf Gott".
Im Raum stehen drei Doppelstockbetten. Fatima klopft mit der Hand auf die Matratze oben: Hier schläft sie, unten der kleine Bruder. In Aleppo hatte die Familie eine 150 Quadratmeter große Wohnung. In Friedland ist es nur ein schmaler Gang zwischen den Betten. Zwei einfache Holzschränke stehen rechts und links, dazwischen ein Fenster mit weißer Gardine. Die Sheikh Debs setzen sich an den einzigen Tisch.
Ein Koran, ein Buch mit grünem Deckel und goldenen Schriftzeichen, liegt auf dem Tisch. Alle sind voller Optimismus. Mutter Manal greift nach einem handtellergroßen, orangefarbenen Plastikamulett. Darauf ein arabischer Schriftzug, er heißt übersetzt: "Verlass dich auf Gott".
Bessere Chancen für kinderreiche Familien
Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks sollen bereits über zwei Millionen Syrer in die Nachbarländer Libanon, Jordanien, Türkei, Irak und Ägypten geflohen sein. Dass der Name Sheikh Debs auf der Liste der vom UNHCR ausgewählten Kontingentflüchtlinge für Deutschland stand, grenzt fast schon an ein Wunder. Die Briefe der vierfachen Mutter haben wohl geholfen. Denn die Chance als Kontingentflüchtlinge anerkannt zu werden, haben vor allem kinderreiche Familien; die Schutzbedürftigkeit von Kindern gilt als ein Auswahlkriterium.
Von der humanitären Hilfsaktion profitieren können aber auch Verletzte und Kranke oder Syrer, deren Verwandte bereits in Deutschland leben, ebenso Hochqualifizierte, die nach dem Ende des Konflikts in ihrem Heimatland einen besonderen Beitrag zum Wiederaufbau leisten könnten. Es ist ein privilegierter Status, Kontingentflüchtling zu sein - im Vergleich zu den fast 20.000 Syrern, die seit Beginn des Bürgerkriegs in Deutschland Asyl beantragt haben. Wolfgang Meier, der Leiter der Außenstelle Berlin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, erklärt:
"Die Kontingentflüchtlinge bekommen eine Aufenthaltserlaubnis und diese Aufenthaltserlaubnis berechtigt sie auch zur Arbeitsaufnahme. Sie sind also so gestellt wie Deutsche. Sie können also auch alle Leistungen in Anspruch nehmen, ob das ärztliche Versorgung ist, ob das Sozialleistungen sind, Unterstützung für den Arbeitsmarkt. Viele wollen möglichst schnell auf den Arbeitsmarkt, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen."
Die Kontingentflüchtlinge werden - nach wenigen Tagen in Friedland - auf die Bundesländer verteilt; wobei sie keinen Anspruch haben, ihren Wohnsitz frei zu wählen. Welches Land wie viele Menschen aufnimmt, errechnet sich anhand von Bevölkerungszahl und Steueraufkommen. Dem bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen beispielsweise werden über 1000 Flüchtlinge zugeteilt, dem kleinen Bremen gerade einmal 50. Ob noch mehr Kontingentflüchtlinge nach Deutschland kommen dürfen, entscheidet die künftige Bundesregierung. Wolfgang Meier:
"Ob das tausend, zweitausend, viertausend oder zehntausend Menschen sind, die wir unterstützen, das ist eine politische Entscheidung und das hängt sicherlich davon ab, ob Frankreich, ob Italien, Spanien, Luxemburg, ob diese Länder noch weitere Flüchtlinge aufnehmen."
Von der humanitären Hilfsaktion profitieren können aber auch Verletzte und Kranke oder Syrer, deren Verwandte bereits in Deutschland leben, ebenso Hochqualifizierte, die nach dem Ende des Konflikts in ihrem Heimatland einen besonderen Beitrag zum Wiederaufbau leisten könnten. Es ist ein privilegierter Status, Kontingentflüchtling zu sein - im Vergleich zu den fast 20.000 Syrern, die seit Beginn des Bürgerkriegs in Deutschland Asyl beantragt haben. Wolfgang Meier, der Leiter der Außenstelle Berlin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, erklärt:
"Die Kontingentflüchtlinge bekommen eine Aufenthaltserlaubnis und diese Aufenthaltserlaubnis berechtigt sie auch zur Arbeitsaufnahme. Sie sind also so gestellt wie Deutsche. Sie können also auch alle Leistungen in Anspruch nehmen, ob das ärztliche Versorgung ist, ob das Sozialleistungen sind, Unterstützung für den Arbeitsmarkt. Viele wollen möglichst schnell auf den Arbeitsmarkt, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen."
Die Kontingentflüchtlinge werden - nach wenigen Tagen in Friedland - auf die Bundesländer verteilt; wobei sie keinen Anspruch haben, ihren Wohnsitz frei zu wählen. Welches Land wie viele Menschen aufnimmt, errechnet sich anhand von Bevölkerungszahl und Steueraufkommen. Dem bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen beispielsweise werden über 1000 Flüchtlinge zugeteilt, dem kleinen Bremen gerade einmal 50. Ob noch mehr Kontingentflüchtlinge nach Deutschland kommen dürfen, entscheidet die künftige Bundesregierung. Wolfgang Meier:
"Ob das tausend, zweitausend, viertausend oder zehntausend Menschen sind, die wir unterstützen, das ist eine politische Entscheidung und das hängt sicherlich davon ab, ob Frankreich, ob Italien, Spanien, Luxemburg, ob diese Länder noch weitere Flüchtlinge aufnehmen."
Neuanfang in neuer Wohnung
Eine einsame Dorfstraße in einem Vorort von Leipzig. Hierher hat es die syrische Familie Skeikh Debs verschlagen. Es ist Oktober, seit Kurzem wohnt die Großfamilie in einem gesichtslosen, grauen Plattenbau, direkt an der Dorfstraße. Unter dem Dach hat das zuständige Jobcenter eine Wohnung angemietet.
Das Erste, was beim Betreten der Wohnung ins Auge sticht, ist das orangefarbene Plastikamulett. "Verlass dich auf Gott" heißt der arabische Schriftzug darauf übersetzt. Es steht jetzt auf einem Schuhkasten im Flur. Manal Sheikh Debs strahlt. Sie öffnet alle Türen, überall ist es peinlich sauber. Ein kleines Badezimmer, eine Küche, wo in einem Topf auf dem Herd weiße Bohnen blubbern, gegenüber im Schlafzimmer liegen Matratzen auf dem Boden. Alle Familienmitglieder wirken entspannt und zufrieden. Die tiefen Ringe unter ihren Augen, die sie Wochen zuvor noch in Friedland hatten, sind verschwunden. Die vierfache Mutter trägt ihr traditionelles, bodenlanges schwarzes Gewand. Nein, auf der Straße habe sie noch niemand deswegen angestarrt. Sie lacht, gestikuliert, läuft in die Küche, um arabischen Kaffee zu brühen. Ehemann Omar trägt eine blaue Trainingshose, er sitzt mit seinen Kindern am Wohnzimmertisch. In den Gesprächen geht es immer wieder um die Erlebnisse auf ihrer Flucht. Manal kommt aus der Küche, stellt Tassen mit dampfendem Kaffee auf den Tisch. Dann macht sie eine Geste, so als wolle sie die schrecklichen Erinnerungen mit der Hand wegwischen. Es klingelt, in der Tür steht Angelika Schönstedt. Die Mitarbeiterin vom Bundesfreiwilligendienst besucht die Sheikh Debs mehrmals in der Woche.
"Einen Kindergartenplatz konnten wir schon organisieren. Dann haben wir geguckt, wo der Arzt ist, wo Einkaufsmöglichkeiten sind, damit sie sich versorgen können. Wir haben immer einen Dolmetscher mit, sonst geht es schlecht."
Sie erinnert die Familie an den Termin beim Jobcenter. So bald wie möglich sollen alle einen Deutschkurs besuchen; der dauert mindestens ein halbes Jahr. Immer wieder betont Omar Sheikh Debs, dass die Familie glücklich sei, in Deutschland zu sein.
"Wir sind sehr dankbar, dass wir hier sein dürfen. In Deutschland geht es uns besser als zu Hause in Syrien, viel besser als in Beirut im Libanon."
Vater Omar hält Zettel und Stift in der Hand. Er notiert viel, bemüht sich, Deutsch zu sprechen. Mit der Nachbarin im Erdgeschoss scheint die Kommunikation auch ohne Worte zu klappen. Erika Bommert, achtzig Jahre alt, sitzt in einem Lehnstuhl.
"Wir arbeiten mit Händen und Füßen, aber es klappt, es klappt! Dann habe ich auch mit dem Mülltrennen alles gezeigt, wo die Tonne ist. Und wenn sie was haben, ich bin immer da."
Sie freut sich über ihre sechs neuen Nachbarn. Der schwarze Chador der streng gläubigen Muslima Manal stört sie nicht.
In der Dachwohnung sitzt die syrische Familie an diesem Abend noch lange beisammen. Ihr Deutschlandbild hat keinen Kratzer. Die Sheikh Debs fühlen sich willkommen in Deutschland. Sie können ihr neues Leben, ihre Zukunft ganz legal gestalten.
Das Erste, was beim Betreten der Wohnung ins Auge sticht, ist das orangefarbene Plastikamulett. "Verlass dich auf Gott" heißt der arabische Schriftzug darauf übersetzt. Es steht jetzt auf einem Schuhkasten im Flur. Manal Sheikh Debs strahlt. Sie öffnet alle Türen, überall ist es peinlich sauber. Ein kleines Badezimmer, eine Küche, wo in einem Topf auf dem Herd weiße Bohnen blubbern, gegenüber im Schlafzimmer liegen Matratzen auf dem Boden. Alle Familienmitglieder wirken entspannt und zufrieden. Die tiefen Ringe unter ihren Augen, die sie Wochen zuvor noch in Friedland hatten, sind verschwunden. Die vierfache Mutter trägt ihr traditionelles, bodenlanges schwarzes Gewand. Nein, auf der Straße habe sie noch niemand deswegen angestarrt. Sie lacht, gestikuliert, läuft in die Küche, um arabischen Kaffee zu brühen. Ehemann Omar trägt eine blaue Trainingshose, er sitzt mit seinen Kindern am Wohnzimmertisch. In den Gesprächen geht es immer wieder um die Erlebnisse auf ihrer Flucht. Manal kommt aus der Küche, stellt Tassen mit dampfendem Kaffee auf den Tisch. Dann macht sie eine Geste, so als wolle sie die schrecklichen Erinnerungen mit der Hand wegwischen. Es klingelt, in der Tür steht Angelika Schönstedt. Die Mitarbeiterin vom Bundesfreiwilligendienst besucht die Sheikh Debs mehrmals in der Woche.
"Einen Kindergartenplatz konnten wir schon organisieren. Dann haben wir geguckt, wo der Arzt ist, wo Einkaufsmöglichkeiten sind, damit sie sich versorgen können. Wir haben immer einen Dolmetscher mit, sonst geht es schlecht."
Sie erinnert die Familie an den Termin beim Jobcenter. So bald wie möglich sollen alle einen Deutschkurs besuchen; der dauert mindestens ein halbes Jahr. Immer wieder betont Omar Sheikh Debs, dass die Familie glücklich sei, in Deutschland zu sein.
"Wir sind sehr dankbar, dass wir hier sein dürfen. In Deutschland geht es uns besser als zu Hause in Syrien, viel besser als in Beirut im Libanon."
Vater Omar hält Zettel und Stift in der Hand. Er notiert viel, bemüht sich, Deutsch zu sprechen. Mit der Nachbarin im Erdgeschoss scheint die Kommunikation auch ohne Worte zu klappen. Erika Bommert, achtzig Jahre alt, sitzt in einem Lehnstuhl.
"Wir arbeiten mit Händen und Füßen, aber es klappt, es klappt! Dann habe ich auch mit dem Mülltrennen alles gezeigt, wo die Tonne ist. Und wenn sie was haben, ich bin immer da."
Sie freut sich über ihre sechs neuen Nachbarn. Der schwarze Chador der streng gläubigen Muslima Manal stört sie nicht.
In der Dachwohnung sitzt die syrische Familie an diesem Abend noch lange beisammen. Ihr Deutschlandbild hat keinen Kratzer. Die Sheikh Debs fühlen sich willkommen in Deutschland. Sie können ihr neues Leben, ihre Zukunft ganz legal gestalten.
Proteste aus der Nachbarschaft
Wer jedoch illegal mit Hilfe von Schleppern von Syrien nach Deutschland flüchtet, hat einen schwierigeren Start. Wie schwierig, das erlebt gerade eine kurdische Familie in der Plattenbausiedlung Hellersdorf im Berliner Nordosten. Vor zwei Monaten ist das Ehepaar mit drei Kindern - zusammen mit anderen Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan - in ein Schulgebäude aus DDR-Zeiten eingezogen. Zur Begrüßung gab es kein herzliches Willkommen, sondern wütende Proteste der neuen Nachbarschaft. Anwohner skandierten laut "Nein zum Heim", Gegendemonstranten riefen "Nazis raus".
Die Bundestagswahl ist vorbei, Hellersdorf aus den Schlagzeilen verschwunden. Auch die Polizeifahrzeuge vor dem Flüchtlingsheim sind weg. Mittags sind die Straßen hier menschenleer.
An der Pförtnerloge kommt niemand unbemerkt vorbei. Frhan und Kolsin wohnen ganz oben, im vierten Stock. Die 38-jährige Kolsin öffnet die Tür. Die Frau mit den schulterlangen braunen Haaren zeigt auf fünf Betten im Raum. In der Ecke ein Kühlschrank, auf dem Boden steht der Wasserkocher. Nur eine Schrankwand teilt das ehemalige Klassenzimmer. Ihre Kinder, 14, zehn und acht Jahre alt, sind noch in der Schule. Vater Frhan trägt ein rotes T-Shirt und Jeans, er setzt sich an den einzigen Tisch, seine Frau holt Kekse und Cola.
"Wir sind kurdische Syrer und kommen aus dem Nordosten des Landes. Als Kurden ging es uns dreckig. Wir durften nicht studieren, es gab kaum Arbeit. Ich habe als Tagelöhner gearbeitet, mal Obst und Baumwolle gepflückt oder auf dem Bau geholfen. Unsere Kinder haben nur gegen Bestechung eine Geburtsurkunde bekommen. Wir wurden überall behandelt wie Dreck."
Abwechselnd berichten sie, wie die Familie geflohen ist. Einem Schlepper hätten sie ihre gesamten Ersparnisse gegeben. 20.000 US-Dollar. Ihre Flucht führte sie über die türkische Grenze bis nach Istanbul, dann waren sie vier Tage und Nächte im LKW unterwegs bis nach Berlin. Das Ehepaar weiß, dass viele Flüchtlinge die Routen der Schlepper nicht überleben. Kolsin steht auf, holt aus einer Zimmerecke eine Plastikschüssel mit duftendem Hefeteig. Wir wollen Brot backen, sagt sie. Und läuft den Flur entlang, vorbei an den Waschräumen, in ein ehemaliges Klassenzimmer, das provisorisch als Küche eingerichtet ist. Die junge Frau stellt die Schüssel auf den Tisch und knetet den Teig. Ihr Mann formt runde Brote, legt sie auf ein Blech. Wie es für sie weiter geht? Da es sich bei der Familie - trotz dreier Kinder - nicht um Kontingentflüchtlinge handelt, mussten die syrischen Kurden in Deutschland Asyl beantragen. Das bedeutet: vorerst keine Arbeitserlaubnis. Das Verfahren kann etwa ein halbes Jahr dauern.
Die Bundestagswahl ist vorbei, Hellersdorf aus den Schlagzeilen verschwunden. Auch die Polizeifahrzeuge vor dem Flüchtlingsheim sind weg. Mittags sind die Straßen hier menschenleer.
An der Pförtnerloge kommt niemand unbemerkt vorbei. Frhan und Kolsin wohnen ganz oben, im vierten Stock. Die 38-jährige Kolsin öffnet die Tür. Die Frau mit den schulterlangen braunen Haaren zeigt auf fünf Betten im Raum. In der Ecke ein Kühlschrank, auf dem Boden steht der Wasserkocher. Nur eine Schrankwand teilt das ehemalige Klassenzimmer. Ihre Kinder, 14, zehn und acht Jahre alt, sind noch in der Schule. Vater Frhan trägt ein rotes T-Shirt und Jeans, er setzt sich an den einzigen Tisch, seine Frau holt Kekse und Cola.
"Wir sind kurdische Syrer und kommen aus dem Nordosten des Landes. Als Kurden ging es uns dreckig. Wir durften nicht studieren, es gab kaum Arbeit. Ich habe als Tagelöhner gearbeitet, mal Obst und Baumwolle gepflückt oder auf dem Bau geholfen. Unsere Kinder haben nur gegen Bestechung eine Geburtsurkunde bekommen. Wir wurden überall behandelt wie Dreck."
Abwechselnd berichten sie, wie die Familie geflohen ist. Einem Schlepper hätten sie ihre gesamten Ersparnisse gegeben. 20.000 US-Dollar. Ihre Flucht führte sie über die türkische Grenze bis nach Istanbul, dann waren sie vier Tage und Nächte im LKW unterwegs bis nach Berlin. Das Ehepaar weiß, dass viele Flüchtlinge die Routen der Schlepper nicht überleben. Kolsin steht auf, holt aus einer Zimmerecke eine Plastikschüssel mit duftendem Hefeteig. Wir wollen Brot backen, sagt sie. Und läuft den Flur entlang, vorbei an den Waschräumen, in ein ehemaliges Klassenzimmer, das provisorisch als Küche eingerichtet ist. Die junge Frau stellt die Schüssel auf den Tisch und knetet den Teig. Ihr Mann formt runde Brote, legt sie auf ein Blech. Wie es für sie weiter geht? Da es sich bei der Familie - trotz dreier Kinder - nicht um Kontingentflüchtlinge handelt, mussten die syrischen Kurden in Deutschland Asyl beantragen. Das bedeutet: vorerst keine Arbeitserlaubnis. Das Verfahren kann etwa ein halbes Jahr dauern.
Hoffnung auf Ausbildung und Arbeit
"Hier in Deutschland und Europa gibt es Demokratie. Unser gesamtes Erspartes haben wir für die Flucht bezahlt. Unsere Verwandten leben in einem Flüchtlingslager im Irak. Wir hoffen, dass unsere Kinder hier eine gute Ausbildung bekommen und keine Angst mehr haben. Verglichen mit anderen Flüchtlingen geht es uns hier in Deutschland gut. Wir sind dankbar, dass wir Hilfe bekommen."
Im Eingang des Flüchtlingsheims hängen Angebote der Volkshochschule für Deutschkurse. Frhan trägt die Namen aller Familienmitglieder ein. Er weiß, ohne Sprachkenntnisse wird es schwierig sein.
Die Familie Sheikh Debs, die als Kontingentflüchtlinge bei Leipzig lebt, ist da schon längst einen Schritt weiter: Der Deutschkurs für Eltern und Kinder ist gebucht. Vielleicht können die Zwillingssöhne und Fatima schon in einem halben Jahr die Schule besuchen. Der fünfjährige Abdul war schon ein paar Mal im Kindergarten um die Ecke. Vater Omar träumt davon, dass er bald eine Arbeit findet. Zunächst aber soll es Fahrräder für die ganze Familie geben. Auch ein Besuch in der Kleiderkammer steht an.
Im Eingang des Flüchtlingsheims hängen Angebote der Volkshochschule für Deutschkurse. Frhan trägt die Namen aller Familienmitglieder ein. Er weiß, ohne Sprachkenntnisse wird es schwierig sein.
Die Familie Sheikh Debs, die als Kontingentflüchtlinge bei Leipzig lebt, ist da schon längst einen Schritt weiter: Der Deutschkurs für Eltern und Kinder ist gebucht. Vielleicht können die Zwillingssöhne und Fatima schon in einem halben Jahr die Schule besuchen. Der fünfjährige Abdul war schon ein paar Mal im Kindergarten um die Ecke. Vater Omar träumt davon, dass er bald eine Arbeit findet. Zunächst aber soll es Fahrräder für die ganze Familie geben. Auch ein Besuch in der Kleiderkammer steht an.