Archiv


Als die Bundesliga laufen lernte

Der erste Spieltag der Bundesliga zog vor 50 Jahren 300.000 Menschen in die Stadien. Damals mussten Spieler wie Uwe Seeler oder Willi Schulz neben ihrem Engagement für den Verein noch in regulären Berufen arbeiten. Die ARD zeigt am Donnerstag eine Dokumentation über die ersten Jahre der Bundesliga.

Von Bernd Sobolla |
    "Das Interesse war natürlich riesig groß. Aber die Lobby war nicht groß. Und als wir gekämpft haben und gekämpft um eine samstags Sportschau zu bekommen, da sagte mir eine hochgestellte Persönlichkeit des Hauses: "Wollen Sie schon wieder die kleinen bunten Männchen zeigen auf dem grünen Rasen? Sie machen noch unser ganzes Programmschema kaputt."

    Der Mann, der das Programmschema der ARD 1963 scheinbar zerstört, ist die Reporterlegende Ernst Huberty. Ein sympathischer junger Journalist, der fachkundig lächelnd, aber ohne große emotionale Beteiligung viele Jahre lang die Fußball-Bundesliga begleiten wird. Ein Ereignis, das gleich am ersten Spieltag 300.000 Zuschauer in die Stadien zieht. Anstoßzeit ist überall 17 Uhr. Und besonders die Menschen im Ruhrgebiet sind begeistert, wie sich FC-Schalke-Fan Michael Zylka erinnert:

    "Viele kamen ja direkt von der Arbeit, aus dem Pütt oder vom Stall, kamen die zur Glückauf-Kampfbahn, hatten teilweise noch ihre Arbeitskutte an und hatten ihre schwarze Tasche mit Henkelmann unter dem Arm. Denn damals war Samstag Regelarbeitszeit. Und viele kamen nach dem Schichtende direkt ins Stadion."

    Die Filmemacherinnen mischen zunächst visuelle Impressionen der neu gegründeten Bundesliga mit Erinnerungen von Spielern wie Petar Radenkovic, Wolfgang Overath oder Uwe Seeler.

    "Da hingen die Bäume immer voller Menschen, weil immer ausverkauft war, egal wo der HSV hinkam."

    Aber das erste Tor der neuen Liga schießt nicht "Uns-Uwe", sondern der Dortmunder Timo Konietzka.

    "Borussia Dortmund, der letzte Oberliga-Meister tritt an in Bremen. An diesem historischen Tag fällt im Weserstadion gleich in der ersten Minute das erste Tor. Aber es bleibt den meisten vorenthalten - der Kameramann war nicht rechtzeitig da."

    Denn die Kameramänner filmen damals nie 90 Minuten. Dazu ist das Filmmaterial zu teuer. Außerdem könnte es nie bis zur Abendsendung entwickelt, geschnitten und montiert werden.

    "So ist es oft dem Instinkt der Kameramänner und Reporter zu verdanken, ob die Filme überhaupt auf Film gebannt werden."

    In einer historischen Klammer machen die Filmemacherinnen deutlich, dass die Gründung der Bundesliga kein Selbstläufer war - im Gegenteil: Bundestrainer Sepp Herberger hatte bereits Ende der 30er-Jahre die Gründung einer nationalen Eliteliga angeregt. Doch der Krieg machte alle Pläne zunichte. Erst der Präsident des in den 60er-Jahren mächtigen 1. FC Köln stürmt entscheidend nach vorn. Dazu Ex-Nationalspieler Wolfgang Overath:

    "Franz Klemmer war ein Visionär. Und ich glaube, er war der alles entscheidende Mann für die Bundesliga. Er hat das geahnt, hat das gesehen und hat darauf gedrängt, hat in Sepp Herberger natürlich jemanden gefunden, der ihn dabei unterstützt hat."

    Doch die Gründung der Bundesliga wird keineswegs nur bejubelt. Viele Amateurvereine fürchten, dass das Zuschauerinteresse in ihren Stadien sinken werde. Zudem gibt es Proteste gegen das Auswahlverfahren der 16 Bundesliga-Mannschaften, bei dem jeder Regionalverband um seinen Einfluss kämpft. Und Ernst Huberty betont, dass nicht alle mit offenen Armen empfangen wurden:

    "Overath, das war einer der jungen Leute, die damals für einen Verein wichtig waren. Die kamen hier alle aus der Region. Wenn die Kölner einen aus Essen verpflichtet haben, dann war das schon ein Fremdling."

    Und Skeptiker fürchten, dass Spieler, die bezahlt werden, dem Fußball schaden, dass der kommerzielle Aspekt den sportlichen ins Abseits stellt. Denn um den teuren Bundesligakader zu finanzieren, werden die Eintrittspreise erhöht. Der durchschnittliche Stehplatz kostet drei D-Mark. Und Franz Kremer, Mitglied der Bundesligakommission, erläutert den Verdienst.

    "Die Spieler verdienen zwischen 250 und 500 DM Grundgehalt plus Prämien, insgesamt 1.200 Mark brutto."

    Ein ordentliches Gehalt. Dennoch gehen die Spieler noch arbeiten: Uwe Seeler zum Beispiel verkauft als Handelsreisender Sportartikel; Willi Schulz steht hinter dem Zapfhahn. Der Film liefert Einblicke in eine Zeit, als das Fernsehen noch schwarz-weiß war, die Fans auf Bäumen, Zäunen und an der Seitenlinie saßen. Aber schon damals der Meinung waren, dass die Spieler eigentlich zu viel verdienen.

    "Das darf es einfach nicht geben. Wenn wir das Geld haben wollen, dann müssen wir dafür drei Monate malochen. So geht das doch auch nicht. Meinetwegen sollen sie ein bisschen mehr verdienen. Sollen 1.000 bis 1.200 Mark. Aber dann muss Sense sein."

    Mirjam Bach und Inka Blumensaat: "Als die Bundesliga laufen lernte"
    Mittwoch, 7.8.2013, 23.30 Uhr, Das Erste