"Wir sind die alten Landser, kennen die halbe Welt, von Ost nach West" - "So zogen sie aus, Hitlers Soldaten, und so kehren sie heim – die, die noch leben." So heißt es in einer Rundfunkreportage von 1948, die einen der vielen Kriegsgefangenen-Sonderzüge begleitete.
"Und die mit uns fahren in ihrer bunt gewürfelten Kleidung, das sind Kriegsgefangene, … hinter mir fliegen die Schienen, die von Münster über Gelsenkirchen, Duisburg nach Krefeld führen, sie sehen die Heimat wieder, …“
Nachkriegskulisse. Zerbombte Städte, halbzerstörte Bahnhöfe. Frauen, Kinder, Blumen.
"Wo ist er denn? – Wie lange haben Sie ihn nicht gesehen? – Vier Jahre. – Ist das die Frau? – Das ist meine eigene Frau, das ist Brunhilde, ja? Grüß Dich, Brunhilde.“
Grüß Dich, Brunhilde. So schlicht klingt das Glück, nach einem Krieg mit 60 Millionen Toten, nach Jahren der Gefangenschaft. Nicht allen geht es so wie Brunhilde und ihrem Mann.
„Meine lieben Freunde“ – so Konrad Adenauer, seit 1949 Bundeskanzler, bei der Begrüßung von Kriegsheimkehrern: "Ich trete vor Euch bewegten Herzens. Ich denke an alles das, was Ihr gelitten habt. Und ich denke auch an alle unsere Landsleute, die noch in der Gefangenschaft sich befinden.“
Zwar hatten die alliierten Siegermächte bereits am 23. April 1947 auf der Außenministerkonferenz in Moskau die Entlassung aller deutschen Kriegsgefangenen beschlossen. Anfang 1948 sind aber immer noch allein in England 100.000 ehemalige Wehrmachtssoldaten inhaftiert. Dazu die Historikerin Renate Held:
„Da Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg einen Riesenarbeitskräftemangel hatte, konnte man die einfach so schnell auch nicht wieder zurückführen, weil die einfach dringend für die Ernte gebraucht wurden.“
Arbeit in der Landwirtschaft, eine Art Wiedergutmachung?
„Gut, so hat man das natürlich offiziell nicht genannt, es war halt einfach so, dass man gesagt hat, das sind noch Kriegsgefangene, und so lange kein Friedensvertrag besteht, müssen die nicht zurückgeführt werden.“
Egal, was in Moskau vereinbart wurde. Kriegsgefangene in den USA kommen dagegen schon 1946 frei. Auch ist die Versorgungslage in amerikanischen Lagern deutlich besser als in englischen. Trotzdem, sagt Renate Held, sprechen gerade Heimkehrer aus Großbritannien oft mit Hochachtung von ihrem so genannten Gewahrsamsstaat. Der Grund:
"Dass sie das, was man gemeinhin als Umerziehung, also Reeducation, versteht, dass sie das in Großbritannien eher positiv erlebt haben. Da ging es weniger um Indoktrination oder Umerziehung im engeren Sinne, sondern mehr um, ja, Bereithalten von Informationen, um das Vermitteln von einer demokratischen Grundhaltung, was auch mit bestimmten Freiheiten verbunden war, also es wurden zum Beispiel Englischkurse angeboten, die Kriegsgefangenen hatten Gelegenheit, Ausflüge zu machen, das Parlament anzuschauen.“
Sprachkurse, Berufsausbildung, Vorlesungen wie an einer Universität, dazu Sport, Unterhaltung, ein Kulturprogramm allerdings, so Renate Held, habe man das Lager nur unter Bewachung und in Häftlingskleidung verlassen können. Insgesamt elf Millionen deutsche Soldaten geraten während des Zweiten Weltkriegs oder bei Kriegsende in Gefangenschaft.
Häftlinge in sowjetischen Lagern müssen sehr lange auf ihre Freiheit warten, wenn sie denn Zwangsarbeit, Hunger und Krankheit überleben. Von den 3,3 Millionen jenseits des Eisernen Vorhangs Inhaftierten kommt mehr als jeder Dritte um – oder gilt bis heute als verschollen. Die letzten ehemaligen Wehrmachtssoldaten kehren aus der Gefangenschaft im Osten erst über zehn Jahre nach Kriegsende zurück, im Januar 1956. Im selben Monat beginnt da schon eine neue, andere Migration: die der Gastarbeiter ins Wirtschaftswunderland BRD.