Anne Raith: Der Arbeitsmarkt ist geradezu leer gefegt, Aufträge können nicht angenommen werden, Projekte verzögern sich. Die Folge: Wertschöpfungsverluste in Milliarden-Höhe. Es ist fast schon ein Horrorszenario, das der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände hier zeichnen, doch die Zahlen scheinen ihnen recht zu geben. Der Mangel an Fachkräften im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik hat laut einer Studie der Verbände einen neuen Höchststand erreicht. Über 150.000 Fachkräfte fehlten. Mit einem Konzept zur Fachkräftesicherung und einem Spitzentreffen will die Regierung das Problem nun heute anpacken, mit dabei auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.
Wie wirkt sich der Fachkräftemangel in der Praxis aus, werden Fachkräfte aus dem Ausland gebraucht, und ist der Standort Deutschland überhaupt attraktiv? – Darüber wollen wir sprechen mit Gerwin Schüttpelz, er ist Gründer und Inhaber des mittelständischen Chemieunternehmens CPH in Essen, das sich auf die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb von Industrieklebstoffen und Enzymen spezialisiert hat und international tätig ist. Einen schönen guten Morgen!
Gerwin Schüttpelz: Guten Morgen!
Raith: Herr Schüttpelz, welche Erfahrungen haben Sie denn gemacht auf der Suche nach Fachkräften für Ihr Unternehmen?
Schüttpelz: Mich berührt im Moment die ganze Diskussion ein bisschen, und zwar dahin gehend, dass auf einmal so getan wird, als wenn wir seit gestern einen Fachkräftemangel hätten, oder ihn erst seit morgen bekommen. Unternehmer stöhnen an sich seit Jahren, dass wir nicht die richtigen Fachkräfte bekommen, und das ist nicht ein ganz neues Phänomen.
Raith: Das heißt, hier hat man bislang erheblich was verschlafen?
Schüttpelz: Ja! Die Diskussion hatten wir ja schon, als wir versucht haben, die indischen Programmierer zu bekommen – das war ja auch so eine Welle -, die dann leider nicht gekommen sind, und dann wurden wir ja alle, ich sage mal, mehr oder weniger hart kritisiert, dass wir unsere Arbeitsplätze ins Ausland gelegt haben. Das ist ja nicht nur in Billiglohn-Ländern gemacht worden, sondern wir mussten ja teilweise Fachkräften auch hinterherfahren.
Raith: Mussten Sie schon einmal wegen mangelnder Fachkräfte Aufträge absagen, Projekte verschieben?
Schüttpelz: Nein, Gott sei Dank nicht. Wir haben das große Glück in unserer CPH Group, dass wir an vier Standorten weltweit produzieren und von daher relativ gut auf ausländische Mitarbeiter zurückgreifen konnten und im Ausland Mitarbeiter anwerben konnten. Das Problem, was dabei immer bestand: Wenn wir diese Leute dann in Deutschland brauchten, in Essen brauchten, bekamen wir sie nach Deutschland nicht rein wegen des Verbotes, sie in Deutschland zu beschäftigen. Das waren dann ja immer Interimslösungen über gewisse Monate.
Raith: Das heißt, das neue Paket, was jetzt die Regierung vorschlägt, wird Ihnen auch nicht unmittelbar helfen, Fachkräfte anzuwerben? Da geht es ja nur darum, meinetwegen die Vorrangsprüfung für Ingenieure und Mediziner auszusetzen.
Schüttpelz: Ja, bei uns sind es Techniker. Von daher: Wenn wir es schaffen, den Begriff Ingenieure möglichst weit auszulegen, können wir in diese Regelung reinrutschen. Auf der anderen Seite: Bei Chemikern werden wir wahrscheinlich von dieser Regelung nicht getroffen.
Raith: Das heißt, die neue Regelung reicht nicht aus für Sie?
Schüttpelz: Entschuldigen Sie, als Mittelständler reichen für uns all diese Regelungen nicht ganz aus, weil wir schon mehr Freiheit haben möchten. Wir können als Mittelständler nicht verstehen, warum so was dann wieder auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt wird. Vielleicht brauchen wir morgen Technologen; müssen wir dann wieder ein neues Gesetz machen? Warum überlässt man das nicht dem freien Markt?
Raith: Sie sind international tätig, Sie haben es eben angesprochen: in Russland, in der Ukraine, China, Indien. Ist denn Deutschland als Standort für eine Fachkraft überhaupt attraktiv?
Schüttpelz: Nein. Deutschland als Land? – Ich sage mal, Deutschland ist sicherlich als Reiseland hoch attraktiv. Das merke ich im Ausland. Alle möchten gerne nach Deutschland und hier Urlaub machen. Sie möchten gerne ihre Kinder – das ist aber ein bisschen aus der Vergangenheit herkommend – auch noch gerne in Deutschland studieren lassen. Für die Arbeit ist Deutschland nicht unbedingt ein attraktiver Arbeitsplatz. Allerdings wenn man sein Firmenumfeld attraktiv gestaltet und den Mitarbeitern vielleicht auch heute einen Arbeitsplatz für ein Jahr in Deutschland anbietet, für ein Forschungsprojekt, und vielleicht morgen für ein – weiß ich nicht – anderes Produktionsprojekt in Portugal und dann die Weiterentwicklung in Russland dem Mitarbeiter anbieten kann, dann wird es schon interessant, Deutschland zumindest als Interimslösung mal für eine Zeit dort hinzugehen.
Raith: Sie sehen also die Unternehmen in der Pflicht, die Arbeit attraktiver zu gestalten?
Schüttpelz: Das hat sich nicht geändert. Wir sollten auch nicht noch mal, was ich eben meinte: Der Staat ist dafür da, uns möglichst wenig Fesseln anzulegen und kürzere Wege zu schaffen, aber nicht uns zu beeinträchtigen oder zu beschränken. Und der Firmeninhaber ist dafür zuständig, dass er einen attraktiven Arbeitsplatz anbietet. Aber Beschränkungen, wie wir es ja in der Vergangenheit hatten, nur hoch qualifizierte Mitarbeiter nach Deutschland einstellen zu können – wir haben dieses Problem mit einer jungen russischen Ingenieurin gehabt; wir haben es dann mit allen Tricks probiert: wir haben ihr eine Wohnung gekauft, weil wenn ein Russe in Deutschland Immobilien-Eigentum hat, ist er ansässig und dann bekommt er eine Dauerarbeitsgenehmigung -, das ist alles verrückt. Wir müssen sehen, dass wir unsere Firmen so attraktiv machen, dass sie gerne von Ausländern besucht werden. Dann ist die Frage, ob Deutschland so attraktiv ist, gar nicht mehr wichtig. Nur die Voraussetzungen müssen vom Staat oder von der Regierung gemacht werden und dürfen nicht einschränkend wirken.
Raith: Das heißt, noch sind ausländische Fachkräfte in Deutschland nicht willkommen?
Schüttpelz: Ich kann diese Diskussion, ich kann das Wort "Ausländer" bald nicht mehr hören. Wissen Sie, wenn eine Koreanerin mich im Krankenhaus pflegt, dann habe ich da auf einmal nichts gegen. Wenn ein Schwarzer mich vielleicht in einer Pommes frites-Bude bedient, dann habe ich mich daran gewöhnt. Wo sind diese Ausländer? In der Fußball-Nationalmannschaft haben wir sie. Das ist doch eine verquerte Diskussion. Ich sehe nicht, ob einer Russe oder Inder oder was ist. Er ist eine gute Arbeitskraft, hoffentlich ein guter Mensch, er liefert eine gute, ordentliche Leistung ab, das interessiert mich. Ich verstehe die Diskussion nicht!
Raith: ... , appelliert Gerwin Schüttpelz, Gründer und Inhaber des mittelständischen Chemieunternehmens CPH in Essen, zum Fachkräftemangel und den Erwartungen an das Spitzentreffen von Regierung, Verbänden und Gewerkschaften an diesem Nachmittag. Herzlichen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Schüttpelz: Gerne!
Raith: Und für die schlechte Qualität der Leitung möchten wir uns entschuldigen; wir haben Herrn Schüttpelz mobil erreicht.
Wie wirkt sich der Fachkräftemangel in der Praxis aus, werden Fachkräfte aus dem Ausland gebraucht, und ist der Standort Deutschland überhaupt attraktiv? – Darüber wollen wir sprechen mit Gerwin Schüttpelz, er ist Gründer und Inhaber des mittelständischen Chemieunternehmens CPH in Essen, das sich auf die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb von Industrieklebstoffen und Enzymen spezialisiert hat und international tätig ist. Einen schönen guten Morgen!
Gerwin Schüttpelz: Guten Morgen!
Raith: Herr Schüttpelz, welche Erfahrungen haben Sie denn gemacht auf der Suche nach Fachkräften für Ihr Unternehmen?
Schüttpelz: Mich berührt im Moment die ganze Diskussion ein bisschen, und zwar dahin gehend, dass auf einmal so getan wird, als wenn wir seit gestern einen Fachkräftemangel hätten, oder ihn erst seit morgen bekommen. Unternehmer stöhnen an sich seit Jahren, dass wir nicht die richtigen Fachkräfte bekommen, und das ist nicht ein ganz neues Phänomen.
Raith: Das heißt, hier hat man bislang erheblich was verschlafen?
Schüttpelz: Ja! Die Diskussion hatten wir ja schon, als wir versucht haben, die indischen Programmierer zu bekommen – das war ja auch so eine Welle -, die dann leider nicht gekommen sind, und dann wurden wir ja alle, ich sage mal, mehr oder weniger hart kritisiert, dass wir unsere Arbeitsplätze ins Ausland gelegt haben. Das ist ja nicht nur in Billiglohn-Ländern gemacht worden, sondern wir mussten ja teilweise Fachkräften auch hinterherfahren.
Raith: Mussten Sie schon einmal wegen mangelnder Fachkräfte Aufträge absagen, Projekte verschieben?
Schüttpelz: Nein, Gott sei Dank nicht. Wir haben das große Glück in unserer CPH Group, dass wir an vier Standorten weltweit produzieren und von daher relativ gut auf ausländische Mitarbeiter zurückgreifen konnten und im Ausland Mitarbeiter anwerben konnten. Das Problem, was dabei immer bestand: Wenn wir diese Leute dann in Deutschland brauchten, in Essen brauchten, bekamen wir sie nach Deutschland nicht rein wegen des Verbotes, sie in Deutschland zu beschäftigen. Das waren dann ja immer Interimslösungen über gewisse Monate.
Raith: Das heißt, das neue Paket, was jetzt die Regierung vorschlägt, wird Ihnen auch nicht unmittelbar helfen, Fachkräfte anzuwerben? Da geht es ja nur darum, meinetwegen die Vorrangsprüfung für Ingenieure und Mediziner auszusetzen.
Schüttpelz: Ja, bei uns sind es Techniker. Von daher: Wenn wir es schaffen, den Begriff Ingenieure möglichst weit auszulegen, können wir in diese Regelung reinrutschen. Auf der anderen Seite: Bei Chemikern werden wir wahrscheinlich von dieser Regelung nicht getroffen.
Raith: Das heißt, die neue Regelung reicht nicht aus für Sie?
Schüttpelz: Entschuldigen Sie, als Mittelständler reichen für uns all diese Regelungen nicht ganz aus, weil wir schon mehr Freiheit haben möchten. Wir können als Mittelständler nicht verstehen, warum so was dann wieder auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt wird. Vielleicht brauchen wir morgen Technologen; müssen wir dann wieder ein neues Gesetz machen? Warum überlässt man das nicht dem freien Markt?
Raith: Sie sind international tätig, Sie haben es eben angesprochen: in Russland, in der Ukraine, China, Indien. Ist denn Deutschland als Standort für eine Fachkraft überhaupt attraktiv?
Schüttpelz: Nein. Deutschland als Land? – Ich sage mal, Deutschland ist sicherlich als Reiseland hoch attraktiv. Das merke ich im Ausland. Alle möchten gerne nach Deutschland und hier Urlaub machen. Sie möchten gerne ihre Kinder – das ist aber ein bisschen aus der Vergangenheit herkommend – auch noch gerne in Deutschland studieren lassen. Für die Arbeit ist Deutschland nicht unbedingt ein attraktiver Arbeitsplatz. Allerdings wenn man sein Firmenumfeld attraktiv gestaltet und den Mitarbeitern vielleicht auch heute einen Arbeitsplatz für ein Jahr in Deutschland anbietet, für ein Forschungsprojekt, und vielleicht morgen für ein – weiß ich nicht – anderes Produktionsprojekt in Portugal und dann die Weiterentwicklung in Russland dem Mitarbeiter anbieten kann, dann wird es schon interessant, Deutschland zumindest als Interimslösung mal für eine Zeit dort hinzugehen.
Raith: Sie sehen also die Unternehmen in der Pflicht, die Arbeit attraktiver zu gestalten?
Schüttpelz: Das hat sich nicht geändert. Wir sollten auch nicht noch mal, was ich eben meinte: Der Staat ist dafür da, uns möglichst wenig Fesseln anzulegen und kürzere Wege zu schaffen, aber nicht uns zu beeinträchtigen oder zu beschränken. Und der Firmeninhaber ist dafür zuständig, dass er einen attraktiven Arbeitsplatz anbietet. Aber Beschränkungen, wie wir es ja in der Vergangenheit hatten, nur hoch qualifizierte Mitarbeiter nach Deutschland einstellen zu können – wir haben dieses Problem mit einer jungen russischen Ingenieurin gehabt; wir haben es dann mit allen Tricks probiert: wir haben ihr eine Wohnung gekauft, weil wenn ein Russe in Deutschland Immobilien-Eigentum hat, ist er ansässig und dann bekommt er eine Dauerarbeitsgenehmigung -, das ist alles verrückt. Wir müssen sehen, dass wir unsere Firmen so attraktiv machen, dass sie gerne von Ausländern besucht werden. Dann ist die Frage, ob Deutschland so attraktiv ist, gar nicht mehr wichtig. Nur die Voraussetzungen müssen vom Staat oder von der Regierung gemacht werden und dürfen nicht einschränkend wirken.
Raith: Das heißt, noch sind ausländische Fachkräfte in Deutschland nicht willkommen?
Schüttpelz: Ich kann diese Diskussion, ich kann das Wort "Ausländer" bald nicht mehr hören. Wissen Sie, wenn eine Koreanerin mich im Krankenhaus pflegt, dann habe ich da auf einmal nichts gegen. Wenn ein Schwarzer mich vielleicht in einer Pommes frites-Bude bedient, dann habe ich mich daran gewöhnt. Wo sind diese Ausländer? In der Fußball-Nationalmannschaft haben wir sie. Das ist doch eine verquerte Diskussion. Ich sehe nicht, ob einer Russe oder Inder oder was ist. Er ist eine gute Arbeitskraft, hoffentlich ein guter Mensch, er liefert eine gute, ordentliche Leistung ab, das interessiert mich. Ich verstehe die Diskussion nicht!
Raith: ... , appelliert Gerwin Schüttpelz, Gründer und Inhaber des mittelständischen Chemieunternehmens CPH in Essen, zum Fachkräftemangel und den Erwartungen an das Spitzentreffen von Regierung, Verbänden und Gewerkschaften an diesem Nachmittag. Herzlichen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Schüttpelz: Gerne!
Raith: Und für die schlechte Qualität der Leitung möchten wir uns entschuldigen; wir haben Herrn Schüttpelz mobil erreicht.