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Alt-Kanzler Schröder
"Ein Bundeskanzler hat eine besondere moralische Verpflichtung"

Der Unternehmer Carsten Maschmeyer habe mit seiner Duzfreundschaft zu Alt-Kanzler Schröder erheblichen politischen Einfluss gehabt, sagte der Politikberater Michael Spreng im DLF. Vor allem ein "Geldgeschenk" Maschmeyers, das Schröder noch in seiner Amtszeit angenommen haben soll, sei moralisch nicht in Ordnung gewesen.

Michael Spreng im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Michael Spreng, Publizist, sitzt am 06.02.2014 in einer Diskussionsrunde während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner".
    Politikberater Michael Spreng hält das Verhalten von Alt-Kanzler Schröder im Bezug auf ein Geldgeschäft mit dem Unternehmer Maschmeyer für moralisch fragwürdig. (pa/ZB)
    Zwar habe Schröder sich rechtlich korrekt verhalten, aber er habe als Bundeskanzler eine besondere moralische Verpflichtung gehabt. Vor diesem Hintergrund hält Spreng Schröders Verhalten für fragwürdig. Die enge Freundschaft zwischen den beiden habe Maschmeyer etwa Einfluss bei der Umgestaltung der Riester-Rente ermöglicht.
    Auch durch diesen Fall werde das politische Vermächtnis des Alt-Kanzler belastet. Darunter leide heute auch die SPD, zudem sei Schröder als Redner auf Parteitagen und als Wahlkämpfer nicht mehr geeignet.
    Spreng kritisierte auch andere Freundschaften Maschmeyers zu Politikern. Viele hätten die Annäherungsversuche des Unternehmers nicht abgewehrt.

    Hier das Interview in voller Länge:
    Friedbert Meurer: Für die SPD war diese Woche folgende Nachricht nicht unbedingt ein Stimmungsaufheller: Gerhard Schröder, der Exkanzler, hat nach Recherchen des "Stern" von seinem Unternehmerfreund Carsten Maschmeyer nicht nur eine Million Euro als Honorarvorschuss erhalten, sondern zwei Millionen Euro. Diese Zahlung soll vereinbart worden sein laut Belegen im August 2005, und da war Schröder noch Bundeskanzler. Tenor in der Presse diese Woche: Das ist zwar legal, aber es hätte doch einen Beigeschmack. Maschmeyer ist Gründer des Finanzdienstleisters AWD und unter Gerhard Schröder ist ja bekanntlich die private Riesterrente eingeführt worden, an der die Versicherungswirtschaft natürlich ein Interesse hatte. Michael Spreng ist Publizist, ist und war Medienberater unter anderem von Edmund Stoiber und Jürgen Rüttgers, guten Tag, Herr Spreng!
    Michael Spreng: Ja, guten Morgen, Herr Meurer!
    Meurer: Ist es verboten, zwei Millionen Euro für Buchrechte zu bekommen als Bundeskanzler?
    Spreng: Nein, das ist nicht verboten. Der Zeitpunkt ist umstritten, denn aus einem Brief von Herrn Maschmeyer geht hervor, dass dieser Deal schon im August, also als Schröder noch Kanzler war, abgeschlossen wurde; zum Zweiten ist es in Wirklichkeit natürlich ein Geldgeschenk gewesen. Denn Herr Maschmeyer war nie in der Lage, für die Memoiren von Gerhard Schröder zwei Millionen Euro zu erlösen. Es sind 167.000 verkauft worden, das war mit allen Nebenrechten maximal ein Umsatz oder ein Gewinn zwischen 500.000 bis eine Million Euro, das heißt, es war in Wirklichkeit ein Geldgeschenk.
    "Da geht es um Begriffe wie Anstand"
    Meurer: Dieser Zeitpunkt: Im September 2005 war die Bundestagswahl, die ja Angela Merkel dann knapp gewonnen hat. Welche Rolle spielt die Frage, ob das im August eingefädelt wurde mit dem Honorar, als Schröder noch Kanzler war, oder ob es nach der Bundestagswahl war?
    Spreng: Gut, er war Amtsinhaber. Und ein Amtsinhaber muss besonders vorsichtig sein, was seine Privatgeschäfte betrifft. Außerdem hat das natürlich seinen eigenen Wahlkampf konterkariert, wenn er zu diesem Zeitpunkt schon Verträge oder Handschlagverträge abgeschlossen hat für die Zeit danach. Aber ich finde, ein Bundeskanzler muss sich nicht nur an Recht und Gesetz halten, was Schröder ohne Zweifel getan hat, sondern er hat auch eine besondere moralische Verpflichtung. Da geht es um die alten Begriffe wie Anstand und was man tut und was man nicht tut.
    Meurer: Nehmen Sie Anstoß daran, dass Carsten Maschmeyer, derjenige, der die vermutlich zwei Millionen Euro gegeben hat, AWD gegründet hat und dieses Unternehmen oder überhaupt die Versicherungswirtschaft natürlich an der Riesterrente verdient hat?
    Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (l) und seine Frau Doris Schröder-Köpf sowie AWD-Gründer Carsten Maschmeyer am 04.09.2009 in der russischen Botschaft Berlin.
    Ex-Bundeskanzler Schröder pflegt schon länger eine Freundschaft mit dem Unternehmer Carsten Maschmeyer. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Spreng: Gut, Herr Maschmeyer war ohnehin ein umstrittener Unternehmer mit seinen Vertriebsformen, es hat ja auch viele Geschädigte seines Unternehmens gegeben. Und er hat ein Beziehungsgeflecht aufgebaut, er hat sich zielstrebig an prominente Politiker herangewanzt, die hatten nicht die Charakterstärke, dieses Heranwanzen zu erkennen und abzuwehren, und sind fragwürdige Duzfreundschaften eingegangen. Und im Zuge dieser Duzfreundschaften wurde dann natürlich auch über Politik und politische Interessen und Geschäfte gesprochen, das ergibt sich ja auch aus den Briefwechseln von Herrn Maschmeyer mit Herrn Schröder und mit seiner Büroleiterin.
    Meurer: Wie viel Einfluss, glauben Sie, hat Maschmeyer auf die Riesterrente genommen?
    Spreng: Weniger, glaube ich, auf die Riesterrente als solche, sondern aus den Briefwechseln geht ja auch hervor, dass er Einfluss darauf genommen hat, wie die Riesterrente umgestaltet wurde, damit sie für die Versicherungswirtschaft angenehmer und ertragreicher war. Da hat er natürlich massiv Einfluss genommen.
    "Einem Duzfreund schlägt man nicht so leicht Bitten ab"
    Meurer: Wenn wir das Verhalten des Altkanzlers noch mal unter die Lupe nehmen, Herr Spreng: Sie kennen ja auch Gerhard Schröder, der Mann war, ist machtbewusst, durchsetzungsstark. Ist es nicht wahrscheinlich, der hat einfach gemacht, was er wollte, und nicht das, was Carsten Maschmeyer wollte?
    Spreng: Ja, also, das sehe ich nicht ganz so. Denn diese Duzfreundschaften, diese engen Verbindungen, die da in diesem Spezialbiotop Hannover und Niedersachsen entstanden sind, haben natürlich auch politische Auswirkungen gehabt. Von denen kann sich auch ein Spitzenpolitiker nicht freimachen. Einem Duzfreund schlägt man nicht so leicht Bitten ab und man geht auch auf dessen Lobbywünsche oder zumindest Lobbyinteressen und wie er sie vorträgt, eher ein. Also, ich glaube, Gerhard Schröder hat schon die Politik gemacht, die er wollte, aber ich glaube, er war auch nicht frei von Einflüssen.
    Meurer: Für die Linke ist Gerhard Schröder ja sowieso der Buhmann. Ist er insgesamt jetzt Ballast für die SPD?
    Spreng: Gut, er ist natürlich nach dem umstritten Nord-Stream-Gazprom-Deal, den er ja kurz nach seiner Kanzlerschaft abgeschlossen hatte, zusätzlich diskreditiert. Ich glaube, er ist als Wahlkämpfer und als Parteitagsredner künftig nicht mehr geeignet, und er konterkariert natürlich jetzt gerade, wenn man hört, dass die Linke in der SPD die Vermögenssteuer wieder einführen will, diskutiert Deutschland über die persönliche Vermögensmehrung des Altkanzlers.
    Meurer: Also, Sie glauben, das Publikum zieht da einen Zusammenhang: Wir kriegen zwar mehr Mindestlohn, aber der Altkanzler kriegt mehr als Mindestlohn?
    Spreng: Ja, er ist eben prominenter Sozialdemokrat, er hat ja auch letztes Jahr noch Wahlkampf gemacht, also, er hat sich mit der SPD und auch die SPD in großen Teilen mit ihm noch identifiziert. Das färbt natürlich ab. Und es konterkariert die Bemühungen der SPD, gerade was die Linke da will, noch glaubwürdiger wieder zu werden auf dem Gebiet der sozialen Gerechtigkeit.
    "Alphatiere hatten ja immer zwei Seiten"
    Meurer: Wenn Sie als Medienberater, Wahlkampfberater die SPD jetzt beraten müssten, Sigmar Gabriel beispielsweise, was würden Sie raten im Umgang mit Gerhard Schröder?
    Spreng: Gabriel will ja die SPD stärker wirtschaftspolitisch ausrichten. Er muss klarmachen, dass es nicht die persönliche Wirtschaftspolitik ist, wie sie Gerhard Schröder nach seiner Amtszeit betrieben hat.
    Meurer: Wenn man die Linse mal ein bisschen aufmacht: Diese Woche hatten wir wieder die Schlagzeilen mit Helmut Kohl, er hat da einen Prozess gewonnen, aber die saftigen Bemerkungen sind in Erinnerung. Das jetzt mit Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine, ein anderes Alphatier hat die Partei verlassen, eine andere gegründet, der SPD damit dann doch geschadet, kann man so sagen, wir erleben den Abgang der politischen Alphatiere?
    Spreng: Ja, diese Alphatiere hatten ja immer zwei Seiten: Die eine Seite war, sie waren durchsetzungsstark, sie wussten, was sie wollten, sie hatten Charisma und Führungseigenschaften; auf der anderen Seite haben sie auch die fatale Neigung, überheblich zu werden, abzuheben und damit das wieder kaputtzumachen, was sie während ihrer politischen Zeit geschaffen haben.
    Meurer: Ist heute also der moderierende Typ gefragt, nicht mehr der Entscheider?
    Spreng: Wenn man die Popularitätswerte von Frau Merkel sieht, muss man daraus diesen Schluss ziehen.
    Meurer: Andere meinen, ein bisschen Entscheidung wäre auch nicht schlecht!
    Spreng: Ja, ich sehe das auch so, wie soll man sagen, als politischer Feinschmecker. Aber die meisten Wähler sind keine politischen Feinschmecker und sind mit dem Führungsstil von Frau Merkel, diesem abwartenden, zögernden Stil zufrieden. Sie halten das für Vorsicht und eher für die Zukunft geeignet.
    Meurer: Altkanzler Gerhard Schröder steht in der Kritik, weil er nicht nur eine Million Euro Honorarvorschuss, sondern zwei Millionen Euro von Carsten Maschmeyer, dem Gründer des Finanzdienstleisters AWD, bekommen haben soll. Herr Spreng, danke für das Gespräch! Schönes Wochenende Ihnen noch!
    Spreng: Danke auch, Herr Meurer!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.