Anfang Mai sind die Nächte noch eisig im Herzen von Mecklenburg. Seit fast drei Stunden wartet und friert Waldeigentümer Holger Weinauge auf seiner Jagdkanzel. Rehwild wollte er schießen in seinem Naturwald Kalebsberg. Fahles Mondlicht dringt durchs Dickicht, schemenhaft ist jetzt eine Gestalt zu erkennen, die aus dem Gebüsch auf eine kleine Lichtung tritt. Eine Ricke. Kugelrund der Bauch - das Tier ist trächtig: "Ja, die hat Schonzeit. Normalerweise steht da auch ein Bock dabei, aber heute, wir haben keinen gesehen, auch keinen erlegt. Das ist ein schlechtes Zeichen - schlecht, weil wir natürlich jetzt auch relativ viel Zeit investiert haben, nichts erlegt haben."
Heute Nacht ist alles anders. Seit Stunden warten acht Jäger im Kalebsberger Forst bei Teterow verteilt auf ihren Ansitzen. Bislang fiel kein einziger Schuss. Und das wird wohl auch so bleiben. Warum nur? "Das kann am Tage eine Störung gewesen sein, dass Menschen sich quer durch den Wald bewegt haben, oder dass wir auch vielleicht einen Durchzug eines Wolfes hatten. Dann versteckt sich das Rehwild ziemlich intensiv und man sieht mehrere Tage nichts und beruhigt sich erst danach wieder."
Die Rede vom Angstwald macht unter Jägern die Runde. Wo der Wolf jagt, wird das Wild noch scheuer, zieht sich ins Dickicht zurück oder verlässt den Wald. Rehe drängen in die Felder, Rothirsche ebenso. Zurück bleiben die Wildschweine: "Ja, wir hatten hier schon einen Wolfsriss, also ein einjähriges Wildschwein ist vom Wolf gerissen worden. Aber es ist noch nicht die Regel."
Ein Elch braucht 50 Kilogramm Nahrung pro Tag
Es dürfte aber zunehmen. Die Wildkameras in den angrenzenden Revieren im Herzen von Mecklenburg registrieren immer mehr Wölfe. Holger Weinauge hat die Bilder gesehen. Faszinierende Tiere, keine Frage - aber die Jagd auf Rot- und Rehwild werde jetzt gewiss komplizierter. Der Förster und Waldbesitzer ist darüber nicht erfreut - ebenso wenig über einen anderen Rückkehrer, der sich in den benachbarten Wäldern Brandenburgs bemerkbar macht. Auf den Spuren der Wölfe durchschwimmen verstärkt Elche aus Polen die Oder. 50 Kilo Nahrung brauche so ein Elchbulle am Tag, rechnet der Förster vor. Vornehmlich Blätter und Triebe von Laubbäumen, die er in arttypischer Manier "erntet", wie es der Wildbiologe Wolfgang Schröder beschreibt:
"Nun, ein Elch ist ein großes Tier mit einem entsprechenden Nahrungsbedarf. Der kann, wenn er Jungbäume frisst, natürlich schon Spuren hinterlassen. Dass er Bäume, Jungbäume überreitet. Das heißt, er drückt sie nieder zwischen seinen Vorderbeinen und frisst dann im Gipfelbereich noch die Äste ab, die er sonst nicht mehr erreichen würde, wenn der Baum senkrecht steht."
Wolfgang Schröder lebt in der Nähe von Murnau in Oberbayern. Während seiner Studienjahre in Nordamerika hat der Forscher das dort übliche Wildtiermanagement kennengelernt und diesen Ansatz später als Professor an Münchner Universitäten eingeführt. Die Rückkehr von Wildtieren gut managen, das dürfte jetzt dringlicher denn je auf die Agenda rücken. Wie sollen die Menschen umgehen mit Rückkehrern wie Wolf, Bär, Luchs, Elch oder Wisent? Oder mit Neuankömmlingen wie dem Goldschakal, der über die Balkanroute nach Mitteluropa gelangt und immer häufiger auch in Deutschland beobachtet wird?
Diese Wildtiere stoßen in relativ dicht besiedeltes Kulturland vor. Konflikte mit Förstern und Weidetierhaltern scheinen unausweichlich. Vor allem beim Wolf scheiden sich die Geister. In der Lüneburger Heide zum Beispiel gehen Landwirte und Tierhalter auf die Barrikaden, so auch Günther Winkelmann und Dieter Schwutke: "Richtung Lüneburg weiter - dort haben wir die Schafe bewacht. Und dann hatten wir in einer Nacht 16 Wölfe. Und zwar haben die sich angeschlichen von allen Seiten. Wir wussten gar nicht mehr, was wir machen sollten."
"Wir haben jeden Tag hier um Suderburg rum gerissene Rehe. Wir haben ihn bis an der Siedlung dran. Kinder trauen sich schon nicht mehr in den Wald reinzugehen, die Kindergärten machen keine Ausflüge mehr. Es vergeht kein Tag, wo nicht irgendwo was auffällig ist!"
"Wir sind hier im Kreis Uelzen mit den Wölfen so voll; das kann so nicht weitergehen, denn wir sind hier so voll mit den Viechern, das geht so nicht mehr."
Ein Hauch von Yellowstone - mitten in Europa
Was den Menschen auf dem Land Sorgen bereitet, sehen viele fernab in den Städten deutlich entspannter, meint Wildbiologe Wolfgang Schröder. In der Rückkehr einstmals ausgerotteter Wildtiere sähen viele eine Chance, früher begangenes Unrecht wiedergutzumachen: Wolf, Bär und Luchs als ursprüngliche Elemente einer intakten Natur, ein kleines Stück Wildnis eben, ein Hauch von Yellowstone oder Alaska - und das mitten im dicht besiedelten Europa.
"Also, ob durch die Rückkehr der genannten Tiere vom Elch über den Wolf bis zum Goldschakal wieder von einem kleinen Stück Wildnis in Deutschland zu sprechen ist, das würde ich so nicht gleich unterstützen. Schon deshalb nicht, weil man in der Vergangenheit immer davon ausgegangen ist, dass der Wolf nur in der Wildnis existieren kann; und heute weiß man, dass er sehr gut in Kulturlandschaft auch existiert und die Grenzen nicht an der Wildnis liegen, sondern an der Akzeptanz durch den Menschen."
Und diese Akzeptanz hängt offenbar davon ab, ob ein wildes Tier auffällig wird oder nicht. Wolfgang Schröder ist überzeugt: Im Gegensatz zu Wölfen werden zumindest Wisent und Elch in heimischen Wäldern eine Rarität bleiben - und folglich auch die Schäden im Wald: "Der Lebensraum für Elche ist in Deutschland sehr begrenzt. Am ehesten noch in der Schorfheide in Brandenburg, in der Uckermark, da gibt es Feuchtgebiete, da gibt es Seen. Das sind Gebiete, in denen Elche einigermaßen existieren können."
Braunbär Bruno bedrohte nie einen Menschen
Auf der Suche nach einer neuen Heimat war auch Bruno, als er 2006 plötzlich in Bayern auftauchte - der erste Braunbär in Deutschland nach rund 170 Jahren. Auf seinem Weg vom italienischen Trentino über Tirol nach Bayern plünderte er Bienenstöcke, riss Schafe und Kaninchen. Zwar bedrohte er niemals einen Menschen, erschossen wurde er trotzdem - was zum Politikum wurde.
"Da sind der Politik die Nerven durchgegangen. Das war ein junger Bär. Der war für Menschen nicht erkennbar gefährlich. Der hat natürlich an Haustieren den einen oder anderen Schaden - und der war überschaubar – angerichtet. Das war ein junger, noch nicht gefährlicher Bär. Ich hätte dann auch zugewartet, der wäre sicher wieder zurück nach Tirol gewandert."
Brunos Weg durch Bayern und sein jähes Ende schafften es sogar in die Abendnachrichten der Tagesschau. Unbeachtet blieb dagegen der bislang letzte Besuch eines Bären, der kurzzeitig in den Ammergauer Alpen nordwestlich von Garmisch-Partenkirchen unterwegs war: "Der Bär von 2019, der im Raum Linderhof aufgetaucht ist, ist wahrscheinlich wieder abgewandert. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass er gewildert worden ist. Er ist sicher wieder zurück nach Tirol gewandert, und es ist ein sehr heimlicher Bär. Das hat man schon bei seinem Anmarsch gesehen. Auch da hat er sich nur sehr wenig sehen lassen."
Ausgesprochen scheu und heimlich streifen auch Luchse durch die Wälder - so etwa im Bayerischen Wald. Das Vorkommen im Pfälzer Wald dagegen ist relativ neu. Diese Luchse sind aus den Vogesen zugewandert, also aus Frankreich. Am besten entwickelt hat sich der Bestand im Harz. Dort hatte die Nationalparkleitung im Jahr 2000 Luchse ausgewildert. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz in Bonn, zieht Bilanz:
"Man muss sagen, wir sind jetzt gut zehn Jahre nach dieser ersten Freilassung von Luchsen, wo sich dann das erste weibliche Tier außerhalb des Harzes in Nordhessen etabliert hat. Mittlerweile hat sich das besiedelte Areal erweitert. Es konnten in Niedersachsen und in Sachsen-Anhalt weitere Luchse - insgesamt 59 selbstständige Luchse und 29 Jungtiere - nachgewiesen werden."
Luchse haben es schwer
Der Luchs breitet sich aus - außerhalb der Schutzgebiete wie im Harz und im Bayerischen Wald aber nur sehr langsam: "Da tut sich der Luchs aus unterschiedlichen Gründen sehr schwer, und hier dürften es vor allem menschengemachte Gründe sein, die hier hineinspielen. Das ist die starke Zerschneidung der Landschaft, das sind viele Luchse, die auch Opfer von Verkehr werden. Ja, und es ist leider auch illegale Bejagung, die man hier anführen muss."
Vor allem im Bayerischen Wald außerhalb des Nationalparks werden Luchse getötet - erschossen oder vergiftet, als unerwünschte Konkurrenz bei der Jagd auf Rehwild. Und auch die Schafhalter in Bayern halten wenig vom Luchs. Wolfgang Schröder scheiterte Anfang der 1990er-Jahre mit einem Projekt, den Luchs in den Bayerischen Alpen auszuwildern. Der Widerstand der Schafhalter war zu groß. Nun ist der Luchs im Begriff, von Tirol aus kommend, in die bayerischen Bergwälder zu wechseln. Die Spuren bei Hindelang im Allgäu sind eindeutig. Kein Anlass zu übertriebener Sorge, meint Wildbiologe Wolfgang Schröder.
"Also, in der Skala des Schadenspotentials ist der Wolf immer die Nummer eins, mit großem Abstand. Und dort, wo es ihn gibt, kommt dann der Bär; und ganz hinten der Luchs. Ein Luchs reißt einmal ein Schaf und dann ist ein Schaf tot. Aber das ist nicht so wie bei Wölfen, wo dann zwanzig Schafe tot sein können. Also die Eingriffe bei Schafen sind keineswegs so groß wie bei anderen Raubtieren. Das hat sich nicht bewahrheitet in anderen Gebieten, wo es Luchse und Schafhaltung gibt."
Heulende Wölfe in der Heide
Einige Luchse aus dem Harz haben es zwar bis in die Lüneburger Heide geschafft, doch in den dünn besiedelten Waldgebieten zwischen Celle, Uelzen und Munster haben Landwirte wie Günther Winkelmann ganz andere Sorgen: "Bei uns im Landkreis Uelzen in Dreilingen, aber auch Richtung Lüneburg weiter - dort haben wir die Schafe bewacht. Da haben Wölfe geheult - ich weiß nicht wie viele, aber jedenfalls war da ein Geheule ohne Ende."
Günther Winkelmann ist Mitbegründer der "Bürgerinitiative für wolfsfreie Dörfer Nord-Ost Heide". Heute besucht er Dieter Schwutke auf einer Weide südlich von Uelzen. Der Tierhalter hat ein Galloway-Kalb verloren - der Wolf war da. Nun versucht er, die verstörten Tiere seiner Herde etwas zu beruhigen. Nach anfänglichem Zurückweichen trauen sie sich zögerlich nach vorn - angelockt von trockenen Brötchen aus der Plastiktüte: "Hier hat uns der Wolf besucht. Der ist da hinten unterm Zaun durch, da hinter der Tränke, da hat er gelegen und ist von da hinten reingekommen, zwischen den beiden Eichen.
Elektrozäune bewähren sich nur bedingt
Wolfsrisse bei Rindern oder gar Pferden sind sehr selten. Kotanalysen belegen, dass die meisten Wölfe überwiegend Rehe und Wildschweine fressen, Hirsche und andere Wildtiere. Und wenn ihnen mal Nutztiere zum Opfer fallen, sind es in rund 80 Prozent der Fälle Schafe und Ziegen. Bei größeren Weidetieren trifft es dann meist Fohlen oder - wie hier bei Dieter Schwutke - ein Kalb. Immerhin 200 Kilo war es schon schwer. Im Verbund mit den anderen Kälbern seien die Tiere in einer solchen Herde eigentlich sicher vor dem Wolf, habe man ihm gesagt. Hier war das anders:
"Wir sind hier relativ auf dieser Wiese hoch eingezäunt. Aber Sie sehen ja da am Wald auch: Klar können Sie jetzt sagen: Wir müssen den 20 Zentimeter einbuddeln - ist da unmöglich gewesen, und er findet eben das Loch! Und man kann nicht 50 Hektar Wiese einzäunen und vor dem Wolf sichern - das ist Utopie. Das geht überhaupt nicht. Also, das ist unrealistisch und bezahlbar sowieso schon nicht."
In Niedersachsen fördert das Land die Elektrozäunung nicht nur bei Schafen, sondern seit einiger Zeit auch bei Rindern. In den meisten Fällen bewährt sich dieser "Grundschutz" als Präventivmaßnahme. In den Alpen zum Beispiel werden Braunbären von Bienenstöcken ferngehalten. Auch für Luchse, Goldschakale oder junge, unerfahrene Wölfe dürfte so ein Stromschlag ein derart "durchdringendes" Erlebnis sein, dass sie künftig anderweitig auf Nahrungssuche gehen.
Doch kommt es vor, dass Weidetiere in Panik vor einem Beutegreifer ausbrechen - so wie bei Dieter Schwutke. Mehrere 1.000 Volt Spannung am Draht konnten seine vier bis fünf Zentner schweren Kälber nicht aufhalten: "Das interessiert die nicht. Wenn die in Panik sind, dann gehen die durch. Die fangen an zu wetzen. Da kennen die keinen Zaun mehr. Da wackelt einmal der Draht von Ende zu Ende und dann sind sie raus. Das kriegen Sie nicht hin."
Solche Erfahrungen bleiben auch Schafhaltern nicht erspart. Die "Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf" zitiert in ihrem jüngsten Bericht Daten aus Sachsen, wonach in zwei Dritteln der Fälle Schafe bei ihrem Ausbruch die Elektrozäune überwunden hatten und dann von den Wölfen außerhalb des Gatters gerissen wurden. Günther Winkelmann kennt dieses Problem auch von den Wanderschäfern in der Lüneburger Heide: Mit mobilen Weidezäunen ließen sich nun mal schwerlich ausbruchssichere Festungen schaffen:
"Die Schafe sind so unruhig gewesen, dass sie sowieso schon durch den Zaun gehen, wenn sie den Wolf überhaupt merken; dann müssen wir uns nicht wundern, dass die Schafe dann raus sind und dass Familie Jahnke dann überhaupt kein Auge mehr zukriegt, sondern nur noch hinter den Schafen hinterherläuft."
Noch schwieriger dürfte es werden, in Süddeutschland die Weidetiere durch Elektrozäune vor Wölfen, Bären oder Luchsen zu schützen. Felsiger Untergrund und steile Hanglagen machen dies zum Teil unmöglich, meint Wildbiologe Wolfgang Schröder: "Im Alpenraum ist das mit der Zäunung (schwierig) - da stößt das an Grenzen. Da können Sie nur begrenzt zäunen."
Wolf ist streng geschützte Art
Eine Alternative wären Herdenschutzhunde, die schon als Welpen zu den Weidetieren kommen und mit ihnen zusammen aufwachsen. Sie verteidigen dann ihre "Familie" vehement - allerdings auch gegenüber Zweibeinern: "Wenn Sie Schafe haben, dann ist der Herdenschutzhund eine bewährte Maßnahme. Das ist natürlich alles aufwändig. Es ist ja nicht nur der Herdenschutzhund. Das geht ja auch nicht ohne den Schäfer, der das Ganze betreut. Man versucht, in den Alpen Herdenschutzhunde alleine ohne Schäfer bei den Schafen zu halten. Aber das gibt Schwierigkeiten, weil ohne menschliche Betreuung werden die Hunde ziemlich intolerant, was zum Beispiel Touristen angeht. Also, eine Herdenschutzmaßnahme besteht nicht allein aus dem Herdenschutzhund."
Vor allem für Tierhalter im Klein- und Nebenerwerb ist das kostspielige und arbeitsaufwändige Halten von Herdenschutzhunden keine Alternative. Elektrozäune in felsigen Steillagen aber ebenso wenig. Das Dilemma ist offenkundig. Folglich werden Rufe lauter, Wölfe wieder gezielt zu bejagen, um Weidetiere besser zu schützen. Beate Jessel vom Bundesamt für Naturschutz hält nichts davon:
"Denn der Wolf ist nach europäischem Naturschutzrecht nach der FFH-Richtlinie eine streng geschützte Art, auch wenn man ihn ins Jagdrecht überführt, würde das jetzt nicht bedeuten, dass er hier leichter geschossen werden kann, sondern dieser Schutzstatus und die Prämissen, die gelten, um einen Abschuss herbeizuführen, die gelten auch weiterhin - egal ob der Wolf jetzt im Naturschutzrecht steht oder im Jagdrecht, denn es ist Europäisches Recht, was hier anzuwenden ist und gilt."
Gemeinsame Zukunft für Wolf und Weidetierhaltung?
Das Europäische Recht sieht in ihrer FFH-Richtlinie allerdings auch vor, dass artenreiche Biotope wie Magerrasen erhalten bleiben - und das geht meist nur durch extensive Beweidung. Ein Zielkonflikt im Naturschutz, für den eine Lösung nicht in Sicht ist. Bei einer intensiven Wolfsbejagung könnte der Schuss auch buchstäblich nach hinten losgehen. Und zwar dann, wenn die Jäger durch Abschüsse etablierte Rudelstrukturen zerstören und in der Folge unkontrolliert Einzelwölfe umherstreifen, die dann auch wieder Weidetiere anfallen könnten. Die bisherigen Regelungen reichten jedenfalls aus, argumentiert Beate Jessel:
"Wölfe, die zum wiederholten Male hinreichend geschützte Weidetiere reißen - aber beachten Sie meine Diktion: Es muss sich um einen Wiederholungsfall handeln, nicht nur um einen Einzelfall, und es muss tatsächlich nachgewiesen sein, dass diese Weidetiere auch hinreichend geschützt waren. Wenn sich so etwas zum wiederholten Male ereignet, dann plädieren auch wir für die, wie man sagt, Entnahme, sprich für den Abschuss solcher Wölfe."
Bislang hat es vier solcher "legalen" Abschüsse gegeben. Doch nicht immer trifft es den richtigen. Der Rodewalder Rüde zum Beispiel, der in Niedersachsen Pferde und Rinder riss, konnte nicht aufgespürt werden - trotz mehrfach erteilter und verlängerter Abschussgenehmigung. Das Wildtiermanagement stößt gerade beim Wolf zunehmend an Grenzen. Ein tragfähiger Konsens ist nicht in Sicht. Dieter Schwutke jedenfalls schwant nichts Gutes. Der Galloway-Züchter blickt noch einmal auf seine Herde mit den dunkelbraunen Kälbern, die nun friedlich auf dem satten Grün südlich von Uelzen grasen. Eine ländliche Idylle wie aus dem Bilderbuch. Die Wolfsattacke scheint vergessen. Dennoch hat Dieter Schwutke Zweifel, dass Wolf und Weidetierhaltung eine gemeinsame Zukunft haben können:
"Gerade unsere Städter, die träumen doch davon, den Bauern zu sehen mit 20 Hühnern, mit ein paar Kühen. Das ist doch das eigentlich, was unsere Bevölkerung haben will: draußen laufen, Wasser haben, grüne Wiese haben. So, das ist das, was wir auf der einen Seite wollen. Und auf der anderen Seite wollen wir den Wolf haben. Das ist für mich zurzeit einfach - ja, ich kann's nicht nachvollziehen."