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Alte DNA und Höhlenmalerei
Ursprung des Wisents entschlüsselt

Europäische Wisente stammen von den Vorfahren des amerikanischen Bisons ab - und vom Auerochsen. Diese Entwicklungsgeschichte konnte ein internationales Genetikerteam nach jahrelanger Tüftelarbeit aufdecken.

Von Michael Stang |
    Rekonstruktion der Höhlenmalereien in der Lascaux Höhle in Frankreich. Sie zeigt vermutlich Steppenbisons.
    Rekonstruktion der Höhlenmalereien in der Lascaux Höhle in Frankreich. Sie zeigt vermutlich Steppenbisons. (AFP / Jean-Pierre Muller)
    "Das Projekt war tatsächlich ziemlich lang", sagt Julien Soubrier erleichtert. Denn die nun veröffentlichte Studie des Paläogenetikers von der Universität von Adelaide markiert den vorläufigen Schlusspunkt einer zehnjährigen Tüftelarbeit. Was war passiert? Die Frage anfangs lautete schlicht: Woher kommt der Wisent? Bisher galt die Meinung, dass bis zum Ende der letzten Eiszeit nur die äußerlich ähnlichen Steppenbisons in Europa lebten, die als Vorfahren der amerikanischen Bisons gelten. Der europäische Wisent hingegen tauchte erst vor 12.000 Jahren auf - Herkunft unbekannt. Die Analyse von 68 Knochen von Bisonartigen aus Frankreich, dem Kaukasus, der Nordsee, dem Ural, Italien und Belgien widersprechen nun dem alten Szenario.
    "Die Wisente sehen zwar aus wie Bisons, verhalten sich wie Bisons - sie sind auch welche, aber ihre mütterliche Linie geht auf eine besondere Rinderart zurück. Wir haben nun eine ausgestorbene Linie der frühen Wisente gefunden. Diese ging aus einer Hybridisierung des Urahns des Steppenbisons und der Vorfahren heutiger Hausrinder vor mehr als 120.000 Jahren hervor."
    Damit war klar, dass es Wisente schon viel länger gegeben hat, als bislang angenommen. Bei 38 Proben passte die mitochondriale DNA, also die mütterliche Erblinie, weder in die Ahnenreihe des Steppenbisons noch in die des Europäischen Wisents. Stattdessen hatten Julien Soubrier und seine Kollegen eine bislang unbekannte Rinderlinie entdeckt, die sie offiziell "Clade X" nennen, inoffiziell scherzhaft jedoch "Higgs-Bison". In Anlehnung an das Higgs-Boson, jenes mysteriöse Teilchen, dessen Existenz erst fast 50 Jahre nach der theoretischen Vermutung des Physikers Peter Higgs bewiesen wurde.
    Wisente sind Hybride
    Die Datierungen zeigten, dass die unbekannte und inzwischen ausgestorbene Spezies manchmal häufiger vorkam als der Steppenbison. Nämlich immer dann, wenn kalte Sommer und tundraartige Landschaften überwogen. Beide Arten haben sich vermutlich mehrfach gekreuzt. Bei einigen Knochen konnten die Forscher allerdings nicht nur die mitochondriale DNA untersuchen, sondern auch Zellkern-DNA. Und hier wartete die nächste Überraschung.
    "Bis zu zehn Prozent des Genoms des Wisents gehen auf den Vorfahren der Rinder zurück, den Auerochsen. Wisente sind also Hybride, die aus den Auerochsen und den Vorfahren des amerikanischen Bisons hervorgegangen sind."
    Höhlenmalereien zeigen biologische Realität
    Wisente sind das Resultat unterschiedlicher Kreuzungen. Ein weiteres Rätsel konnten die Genetiker damit auch klären.
    "Wir haben Spezialisten kontaktiert, die sich mit Höhlenmalereien in Frankreich, Italien und Spanien beschäftigen. Da gab es jahrelang Streit, weil die Malereien zwei Bisontypen zeigten, was aber nicht stimmen konnte."
    Auf den Malereien sind einmal deutlich Steppenbisons mit langen Hörnern und großem Buckel zu sehen und zum anderen Wisente mit kurzen Hörnern und kleinem Buckel. Die prähistorischen Maler haben also nicht ihrer Fantasie freien Lauf gelassen: "Mit den neuen Daten ist nun klar, dass die Steinzeitmenschen tatsächlich diese Artaufspaltung festgehalten haben."