In einer engen dunklen Gasse spielen Kinder. Mopeds knattern über den Asphalt. Über der Straße: Unzählige bunte Elektrizitätsleitungen und dunkelgraue Wasserrohre. Einige sind leck und tropfen. Die zwei- bis dreistöckigen grauen Wohnhäuser, die die Gasse umsäumen sehen ärmlich aus. An vielen Stellen bröckelt der Putz. Kleine vergitterte Fenster erlauben einen Blick in spärlich eingerichtete winzige Räume. Auffällig sind die vielen Graffitis. "Wir werden zurückkehren", ist in grüner Farbe auf eine Wand gesprüht. Daneben: verschiedene Poster von im Kampf gegen Israel gefallen palästinensischen Kämpfern und politischen Führern, ein Bild des getöteten Hamasführers Scheich Yassin. Auch viele Poster von Yassir Arafat, dem verstorbenen palästinensischen Präsidenten sind zu sehen. Eine riesige bunte Malerei vom Felsendom, dem wichtigsten islamischen Heiligtum in Jerusalem, ziert eine Wand.
Shatila ist eines von zwölf Palästinenserlagern im Libanon. Wie all diese Lager ist es in den 1940er-Jahren entstanden. Damals, nach der Gründung des Staates Israel, flüchteten rund 100.000 Palästinenser hierher. Auch Abu Salih war unter ihnen. Heute ist er 88 Jahre alt:
"Ich stamme aus dem Dorf Amqa. Das liegt 7 Kilometer von Akko entfernt. Mein Vater hatte dort Grundstücke, wo er Oliven, Feigen und Trauben angebaut hat. Über 500 Olivenbäume hatte er. Ich habe bei Behörden der britischen Mandatsmacht gearbeitet, in der Nähe von Haifa."
Längst ist Shatila zu einem Stadtteil im Westen Beiruts geworden, aber der provisorische Charakter ist geblieben. Ungefähr 8000 Menschen leben hier auf engstem Raum.
Abu Salih sitzt in seinem kleinen Wohnzimmer, das ihm gleichzeitig als Schlafzimmer dient. Der Raum ist mit dem Notwendigsten eingerichtet: zwei Sessel, Plastikstühle und ein Bett. An der Wand hängt eine Schwarz-Weiß-Fotografie. Darauf ist Abu Salih als junger Mann zu sehen. Das Bild ist eines der wenigen Dinge, die er aus seiner Heimat mitnehmen konnte. Der schmächtige Mann wirkt resigniert. Er glaubt nicht daran, dass er sein Dorf jemals wiedersehen wird:
"Ich habe keine Hoffnung zurückzukehren. Meine Kinder haben noch Hoffnung. Sie sind hier geboren und wissen nichts über Palästina. Sie stellen es sich dort in den schönsten Farben vor. Sie würden alles dafür geben, dort zu leben. Ein unabhängiger Staat Palästina? Das würde uns alten Flüchtlingen nichts bringen, glaube ich. Da bin ich sehr skeptisch!"
So sehen es viele der palästinensischen Flüchtlinge, die hier, im Lager Shatila leben, vor allem die ältere Generation. Ein Staat mit den Grenzen von 1967 – so wie ihn die palästinensische Autonomiebehörde von der UN-Generalversammlung absegnen lassen möchte – so ein Palästina würde ihre Situation nicht verbessern, meinen sie. Denn die Dörfer, die sie 1948 als Flüchtlinge verlassen haben, gehören heute zu Israel. Und Israel weigert sich, die Vertriebenen und ihre Nachfahren wieder aufzunehmen.
Aber: Nicht alle lehnen die eventuellen "neuen alten Grenzen" ab. Es gibt auch Optimisten: Mohammed Hassan etwa. Der 19-Jährige lebt in Ain El Helweh, dem größten Palästinenser-Lager im Libanon. Wie viele Palästinenser seiner Generation träumt Mohammed davon, eines Tages in die Heimat seiner Eltern, nach Nazareth, zurückzukehren. Er war schon bei vielen Märschen dabei, die regelmäßig zum Gedenken an die Vertreibung der Palästinenser im Libanon organisiert werden. Über Facebook steht er in Kontakt mit jungen Arabern jenseits der Grenze: in Djenin, Ramallah und sogar in Tel Aviv. Er ist neugierig auf ihr Leben und berichtet ihnen von seinem Alltag:
"Ein unabhängiger Staat Palästina – darüber würde ich mich freuen. Vielleicht würden wir dann besser behandelt im Libanon, könnten normal arbeiten, eine Sozialversicherung haben, Land außerhalb des Lagers erwerben. Und vielleicht würden wir dann auch weniger diskriminiert. Ich werde oft von der Polizei oder der Armee kontrolliert. Als echte palästinensische Staatsbürger würden wir vielleicht wie alle anderen arabischen Staatsbürger behandelt."
Mohammed Hassans jetzige Heimat, das Lager Ain El Helweh, liegt ganz in der Nähe der südlibanesischen Stadt Sidon und beherbergt ungefähr 40.000 Palästinenser. Hier macht Mohamed Hassan eine Ausbildung zum Elektriker, aber er hat wenig Hoffnung, dass er nach dem Ende seiner Lehre einen Arbeitsplatz finden wird. Denn außerhalb des Lagers wird er nicht arbeiten dürfen. Und Aussichten auf die libanesische Staatsbürgerschaft hat er keine. Die rechtliche Diskriminierung, die Mohmmed Hassans Leben im Libanon bestimmt, begründen libanesische Politiker so: Die palästinensischen Flüchtlinge sollen sich nicht dauerhaft im Gastland ansiedeln. Die Angst, die mehrheitlich sunnitischen Palästinenser könnten die konfessionelle Zusammensetzung im Libanon verändern, ist groß.
Mohammed Hassan gehört zur dritten Generation von Palästinensern, die im Libanon als Flüchtlinge leben. Die Rückkehr in die Heimat der Vorfahren ist wie ein Traum, der von den Eltern auf die Kinder weitergegeben wird. Ein Traum, der den Flüchtlingen hilft, ihr Leben am Rande der libanesischen Gesellschaft zu ertragen. Ein unabhängiger Staat Palästina würde vielleicht die Situation der heimatlosen Palästinenser verbessern, aber eine Rückkehr bliebe ausgeschlossen.
Und deshalb werden die Forderungen auf Rückkehr bestehen bleiben. Eine der palästinensischen Organisationen im Libanon, die sich für die Rechte der Flüchtlinge einsetzt, ist "Aidoun" zu Deutsch "Rückkehrer". Vor mehr als zehn Jahren hat Jaber Sleiman sie mitgegründet. Auch er musste flüchten. Vor 63 Jahren hat er sein Dorf nahe Haifa verlassen und lebt seitdem im südlibanesischen Sidon. Heute ist Jaber Sleiman 66 Jahre alt.
"Der palästinensisch-israelische Friedensprozess steckt in einer tiefen Krise. Aus dieser Situation heraus entstand der Plan zur Ausrufung des Staates Palästina auf den Gebieten der Westbank und des Gazastreifens. Die Diskussion über die juristischen Folgen dieses Plans hat noch gar nicht richtig begonnen. Es gibt eine Menge offener Fragen. Wird dieser Staat uns Flüchtlingen von 1948 Pässe ausstellen? Was wären die Konsequenzen? Und: Ungeachtet dieser Debatten bleibt für uns der erste und wichtigste Schritt, dass Israel unser Recht auf Rückkehr anerkennt. Darauf konzentrieren wir unsere Bemühungen. Es muss einen internationalen politischen Willen geben, dieses Ziel umzusetzen. Wir stützen uns auf die UNO-Resolution 194, die für uns Rückkehrer, Entschädigung und Rückgabe des Eigentums garantiert. Auch das Internationale Recht ist auf unserer Seite. Wir wollen zurückkehren in unsere Heimatdörfer, nicht irgendwohin. Das bedeutet Rückkehr."
Shatila ist eines von zwölf Palästinenserlagern im Libanon. Wie all diese Lager ist es in den 1940er-Jahren entstanden. Damals, nach der Gründung des Staates Israel, flüchteten rund 100.000 Palästinenser hierher. Auch Abu Salih war unter ihnen. Heute ist er 88 Jahre alt:
"Ich stamme aus dem Dorf Amqa. Das liegt 7 Kilometer von Akko entfernt. Mein Vater hatte dort Grundstücke, wo er Oliven, Feigen und Trauben angebaut hat. Über 500 Olivenbäume hatte er. Ich habe bei Behörden der britischen Mandatsmacht gearbeitet, in der Nähe von Haifa."
Längst ist Shatila zu einem Stadtteil im Westen Beiruts geworden, aber der provisorische Charakter ist geblieben. Ungefähr 8000 Menschen leben hier auf engstem Raum.
Abu Salih sitzt in seinem kleinen Wohnzimmer, das ihm gleichzeitig als Schlafzimmer dient. Der Raum ist mit dem Notwendigsten eingerichtet: zwei Sessel, Plastikstühle und ein Bett. An der Wand hängt eine Schwarz-Weiß-Fotografie. Darauf ist Abu Salih als junger Mann zu sehen. Das Bild ist eines der wenigen Dinge, die er aus seiner Heimat mitnehmen konnte. Der schmächtige Mann wirkt resigniert. Er glaubt nicht daran, dass er sein Dorf jemals wiedersehen wird:
"Ich habe keine Hoffnung zurückzukehren. Meine Kinder haben noch Hoffnung. Sie sind hier geboren und wissen nichts über Palästina. Sie stellen es sich dort in den schönsten Farben vor. Sie würden alles dafür geben, dort zu leben. Ein unabhängiger Staat Palästina? Das würde uns alten Flüchtlingen nichts bringen, glaube ich. Da bin ich sehr skeptisch!"
So sehen es viele der palästinensischen Flüchtlinge, die hier, im Lager Shatila leben, vor allem die ältere Generation. Ein Staat mit den Grenzen von 1967 – so wie ihn die palästinensische Autonomiebehörde von der UN-Generalversammlung absegnen lassen möchte – so ein Palästina würde ihre Situation nicht verbessern, meinen sie. Denn die Dörfer, die sie 1948 als Flüchtlinge verlassen haben, gehören heute zu Israel. Und Israel weigert sich, die Vertriebenen und ihre Nachfahren wieder aufzunehmen.
Aber: Nicht alle lehnen die eventuellen "neuen alten Grenzen" ab. Es gibt auch Optimisten: Mohammed Hassan etwa. Der 19-Jährige lebt in Ain El Helweh, dem größten Palästinenser-Lager im Libanon. Wie viele Palästinenser seiner Generation träumt Mohammed davon, eines Tages in die Heimat seiner Eltern, nach Nazareth, zurückzukehren. Er war schon bei vielen Märschen dabei, die regelmäßig zum Gedenken an die Vertreibung der Palästinenser im Libanon organisiert werden. Über Facebook steht er in Kontakt mit jungen Arabern jenseits der Grenze: in Djenin, Ramallah und sogar in Tel Aviv. Er ist neugierig auf ihr Leben und berichtet ihnen von seinem Alltag:
"Ein unabhängiger Staat Palästina – darüber würde ich mich freuen. Vielleicht würden wir dann besser behandelt im Libanon, könnten normal arbeiten, eine Sozialversicherung haben, Land außerhalb des Lagers erwerben. Und vielleicht würden wir dann auch weniger diskriminiert. Ich werde oft von der Polizei oder der Armee kontrolliert. Als echte palästinensische Staatsbürger würden wir vielleicht wie alle anderen arabischen Staatsbürger behandelt."
Mohammed Hassans jetzige Heimat, das Lager Ain El Helweh, liegt ganz in der Nähe der südlibanesischen Stadt Sidon und beherbergt ungefähr 40.000 Palästinenser. Hier macht Mohamed Hassan eine Ausbildung zum Elektriker, aber er hat wenig Hoffnung, dass er nach dem Ende seiner Lehre einen Arbeitsplatz finden wird. Denn außerhalb des Lagers wird er nicht arbeiten dürfen. Und Aussichten auf die libanesische Staatsbürgerschaft hat er keine. Die rechtliche Diskriminierung, die Mohmmed Hassans Leben im Libanon bestimmt, begründen libanesische Politiker so: Die palästinensischen Flüchtlinge sollen sich nicht dauerhaft im Gastland ansiedeln. Die Angst, die mehrheitlich sunnitischen Palästinenser könnten die konfessionelle Zusammensetzung im Libanon verändern, ist groß.
Mohammed Hassan gehört zur dritten Generation von Palästinensern, die im Libanon als Flüchtlinge leben. Die Rückkehr in die Heimat der Vorfahren ist wie ein Traum, der von den Eltern auf die Kinder weitergegeben wird. Ein Traum, der den Flüchtlingen hilft, ihr Leben am Rande der libanesischen Gesellschaft zu ertragen. Ein unabhängiger Staat Palästina würde vielleicht die Situation der heimatlosen Palästinenser verbessern, aber eine Rückkehr bliebe ausgeschlossen.
Und deshalb werden die Forderungen auf Rückkehr bestehen bleiben. Eine der palästinensischen Organisationen im Libanon, die sich für die Rechte der Flüchtlinge einsetzt, ist "Aidoun" zu Deutsch "Rückkehrer". Vor mehr als zehn Jahren hat Jaber Sleiman sie mitgegründet. Auch er musste flüchten. Vor 63 Jahren hat er sein Dorf nahe Haifa verlassen und lebt seitdem im südlibanesischen Sidon. Heute ist Jaber Sleiman 66 Jahre alt.
"Der palästinensisch-israelische Friedensprozess steckt in einer tiefen Krise. Aus dieser Situation heraus entstand der Plan zur Ausrufung des Staates Palästina auf den Gebieten der Westbank und des Gazastreifens. Die Diskussion über die juristischen Folgen dieses Plans hat noch gar nicht richtig begonnen. Es gibt eine Menge offener Fragen. Wird dieser Staat uns Flüchtlingen von 1948 Pässe ausstellen? Was wären die Konsequenzen? Und: Ungeachtet dieser Debatten bleibt für uns der erste und wichtigste Schritt, dass Israel unser Recht auf Rückkehr anerkennt. Darauf konzentrieren wir unsere Bemühungen. Es muss einen internationalen politischen Willen geben, dieses Ziel umzusetzen. Wir stützen uns auf die UNO-Resolution 194, die für uns Rückkehrer, Entschädigung und Rückgabe des Eigentums garantiert. Auch das Internationale Recht ist auf unserer Seite. Wir wollen zurückkehren in unsere Heimatdörfer, nicht irgendwohin. Das bedeutet Rückkehr."