„1) Daniel D. Emmett, Dixie's Land (instrumental)“
Dies war „Dixie's Land“ oder einfach „Dixie“ von Daniel D. Emmett, ursprünglich ein Theaterlied, das in Zeiten des Bürgerkrieges in den USA zur inoffiziellen Hymne der Südstaaten aufstieg. Die CD „Rose of Sharon“ des Ensembles Phoenix Munich umfasst Musik vom amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, der 1775 begann, bis zum Sezessionskrieg, der 1865 endete — ergänzt um das eine oder andere frühere und spätere Stück. Der Bassist und Lautenist Joel Frederiksen, in München lebender Amerikaner, liefert mit seiner Formation einen instruktiven Überblick über die Musikkultur in den frühen USA. Die Kunstmusik war damals sehr eng mit der Volksmusik verbunden, wobei der Musikstil von den Vorstellungen der oft fundamentalistisch ausgerichteten protestantischen Kirchen beeinflusst wurde. Ein schönes Beispiel dafür sind die einfachen Lieder der Shaker.
„2) Anonym (Shakers), Come life, Shaker life — My carnal life — Who will bow and bend like a willow“
Die Shaker — eigentlich United Society of Believers in Christ's Second Appearing — sind eine religiöse Gruppierung, deren Mitglieder zölibatär in Dörfern lebten. Inzwischen so gut wie ausgestorben, sind sie heute noch durch ihre formal strengen und handwerklich hochwertigen Möbel bekannt. Im starken Kontrast zur asketischen Lebensführung der Shaker standen ihre spirituell aufgeheizten, oft ekstatischen Gottesdienste. Eines ihrer Tanzlieder, „Simple Gifts“ von Joseph Brackett, ist durch spätere Bearbeitungen von Aaron Copland berühmt geworden. Phoenix Munich stellt es auf seiner neuen CD in der Originalfassung vor.
„3) Elder Joseph Brackett Jr. (Shakers), ‚Tis the gift to be simple“
Die fast durchgehend einstimmigen und extrem kurzen Gesänge der Shaker sind ein Sonderfall auf der CD, doch auch die anderen vorgestellten Stücke zeigen, wie unabhängig von Europa sich ein Großteil der angloamerikanischen Musikkultur im 19. Jahrhundert entwickelte. Im Vergleich zu europäischen Kompositionen aus der gleichen Epoche klingen Lieder aus den USA oft beinahe archaisch. Dies lag an der geringen musikalischen Bildung vieler Siedler, welche sie mit Inbrunst und Ideenreichtum zu kompensieren versuchten. Man erfand eine einfache Notenschrift, die „Shape notes“, und veranstaltete Singing Schools, die von umherreisenden Lehrern angeboten wurden und auf dem Land eine wichtige soziale Funktion ausübten. (Das folgende Lied von Jeremiah Ingalls beginnt mit dem Singen von Solmisationssilben ohne eigentlichen Text, eine wichtige Übung beim Erlernen des „Shape note“-Singens.)
„4) Jeremiah Ingalls, Northfield“
In seinem Lied „Northfield“ beschwor Jeremiah Ingalls das Neue Jerusalem herauf; es ist zu hören auf der CD „Rose of Sharon“ des Ensembles Phoenix Munich. Die bei Harmonia Mundi France erschienene Einspielung ist abwechslungsreich und sehr informativ geworden, viele Melodien mit Ohrwurmcharakter inbegriffen. Manchmal klingen die Deutungen von Ensembleleiter Joel Frederiksen und seinen Mitstreitern allerdings fast ein wenig zu perfekt und wissenschaftlich-seriös.
Ganz anders geht es da auf der vom englischen Label Avie veröffentlichten CD „Come to the River. An Early American Gathering“ zu, mit Apollo's Fire, dem Barockorchester aus Cleveland.
„5) Anonym (Tradit. New England/Appalachian fiddle tunes), Swinging on a Gate — Give the Fiddler a Dram“
Dies waren zwei traditionelle Tanzmelodien, sogenannte Fiddle Tunes, aus Neuengland und den Appalachen mit dem Ensemble Apollo's Fire. Dessen CD „Come to the River“ ist viel eklektischer zusammengestellt als die CD von Phoenix Munich. Neben Volksliedern und geistlichen Gesängen aus den amerikanischen Südstaaten präsentiert Ensembleleiterin Jeannette Sorrell ebenso Tanzmelodien aus Irland und Neuengland wie englische Balladen aus dem 17. Jahrhundert, die in die Neue Welt mitgebracht wurden. Auch die Art der Interpretation ist hier wesentlich spekulativer und wagemutiger: Sorrell schmückt die Melodien viel mehr aus und scheut sich nicht vor Arrangements und einer anachronistischen Kombination von Instrumenten: Neben das Cembalo, das man im 19. Jahrhundert wohl kaum mehr in den USA angetroffen haben dürfte, treten die einheimischen Instrumente Banjo und Hammered Dulcimer, das amerikanische Hackbrett, außerdem Violine, Violoncello und Flöte. Und dennoch geht das Ganze auf, weil Apollo's Fire einfach mitreißend musiziert und das alte Material dem modernen Hörer schmackhaft zu machen versteht. Paul Shipper, der Bassist des Ensembles, singt das Spiritual „Hold on“, das von Sklaven geschaffen wurde.
„6) Anonym (Kentucky spiritual/Slg. Cecil Sharp), Hold on“
Man merkt der CD „Come to the River“ an, dass sie nicht durch theoretisches Studium, sondern durch persönliche Erfahrungen inspiriert wurde. Die tiefe Frömmigkeit der „Shape note“-Hymnen, die Ensembleleiterin Jeannette Sorrell und ihr Ensemble zu vermitteln wissen, hat sie selbst in einer kleinen Baptistengemeinde kennengelernt. Dank der CD können wir uns ein wenig in die amerikanische Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts hineinfühlen, die das kollektive Bewusstsein der (ländlichen) USA bis heute prägt!
„7) Anonym (The Sacred Harp, 1844), Return again/Savior, visit thy Plantation“
Mit dem Ensemble Apollo's Fire und einem Lied aus der Sammlung „The Sacred Harp“ von 1844 ging die Sendung „Die Neue Platte“ im Deutschlandfunk zu Ende, in der Sie heute zwei Neuaufnahmen mit Alter Musik aus den USA kennenlernen konnten.
Come to the River — An Early American Gathering
Apollo's Fire — The Cleveland Baroque Orchestra;
Leitung: Jeannette Sorrell
Avie 2205
Rose of Sharon — 100 Years of American Music
Ensemble Phoenix Munich
Leitung: Joel Frederiksen
HMC 902085
Dies war „Dixie's Land“ oder einfach „Dixie“ von Daniel D. Emmett, ursprünglich ein Theaterlied, das in Zeiten des Bürgerkrieges in den USA zur inoffiziellen Hymne der Südstaaten aufstieg. Die CD „Rose of Sharon“ des Ensembles Phoenix Munich umfasst Musik vom amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, der 1775 begann, bis zum Sezessionskrieg, der 1865 endete — ergänzt um das eine oder andere frühere und spätere Stück. Der Bassist und Lautenist Joel Frederiksen, in München lebender Amerikaner, liefert mit seiner Formation einen instruktiven Überblick über die Musikkultur in den frühen USA. Die Kunstmusik war damals sehr eng mit der Volksmusik verbunden, wobei der Musikstil von den Vorstellungen der oft fundamentalistisch ausgerichteten protestantischen Kirchen beeinflusst wurde. Ein schönes Beispiel dafür sind die einfachen Lieder der Shaker.
„2) Anonym (Shakers), Come life, Shaker life — My carnal life — Who will bow and bend like a willow“
Die Shaker — eigentlich United Society of Believers in Christ's Second Appearing — sind eine religiöse Gruppierung, deren Mitglieder zölibatär in Dörfern lebten. Inzwischen so gut wie ausgestorben, sind sie heute noch durch ihre formal strengen und handwerklich hochwertigen Möbel bekannt. Im starken Kontrast zur asketischen Lebensführung der Shaker standen ihre spirituell aufgeheizten, oft ekstatischen Gottesdienste. Eines ihrer Tanzlieder, „Simple Gifts“ von Joseph Brackett, ist durch spätere Bearbeitungen von Aaron Copland berühmt geworden. Phoenix Munich stellt es auf seiner neuen CD in der Originalfassung vor.
„3) Elder Joseph Brackett Jr. (Shakers), ‚Tis the gift to be simple“
Die fast durchgehend einstimmigen und extrem kurzen Gesänge der Shaker sind ein Sonderfall auf der CD, doch auch die anderen vorgestellten Stücke zeigen, wie unabhängig von Europa sich ein Großteil der angloamerikanischen Musikkultur im 19. Jahrhundert entwickelte. Im Vergleich zu europäischen Kompositionen aus der gleichen Epoche klingen Lieder aus den USA oft beinahe archaisch. Dies lag an der geringen musikalischen Bildung vieler Siedler, welche sie mit Inbrunst und Ideenreichtum zu kompensieren versuchten. Man erfand eine einfache Notenschrift, die „Shape notes“, und veranstaltete Singing Schools, die von umherreisenden Lehrern angeboten wurden und auf dem Land eine wichtige soziale Funktion ausübten. (Das folgende Lied von Jeremiah Ingalls beginnt mit dem Singen von Solmisationssilben ohne eigentlichen Text, eine wichtige Übung beim Erlernen des „Shape note“-Singens.)
„4) Jeremiah Ingalls, Northfield“
In seinem Lied „Northfield“ beschwor Jeremiah Ingalls das Neue Jerusalem herauf; es ist zu hören auf der CD „Rose of Sharon“ des Ensembles Phoenix Munich. Die bei Harmonia Mundi France erschienene Einspielung ist abwechslungsreich und sehr informativ geworden, viele Melodien mit Ohrwurmcharakter inbegriffen. Manchmal klingen die Deutungen von Ensembleleiter Joel Frederiksen und seinen Mitstreitern allerdings fast ein wenig zu perfekt und wissenschaftlich-seriös.
Ganz anders geht es da auf der vom englischen Label Avie veröffentlichten CD „Come to the River. An Early American Gathering“ zu, mit Apollo's Fire, dem Barockorchester aus Cleveland.
„5) Anonym (Tradit. New England/Appalachian fiddle tunes), Swinging on a Gate — Give the Fiddler a Dram“
Dies waren zwei traditionelle Tanzmelodien, sogenannte Fiddle Tunes, aus Neuengland und den Appalachen mit dem Ensemble Apollo's Fire. Dessen CD „Come to the River“ ist viel eklektischer zusammengestellt als die CD von Phoenix Munich. Neben Volksliedern und geistlichen Gesängen aus den amerikanischen Südstaaten präsentiert Ensembleleiterin Jeannette Sorrell ebenso Tanzmelodien aus Irland und Neuengland wie englische Balladen aus dem 17. Jahrhundert, die in die Neue Welt mitgebracht wurden. Auch die Art der Interpretation ist hier wesentlich spekulativer und wagemutiger: Sorrell schmückt die Melodien viel mehr aus und scheut sich nicht vor Arrangements und einer anachronistischen Kombination von Instrumenten: Neben das Cembalo, das man im 19. Jahrhundert wohl kaum mehr in den USA angetroffen haben dürfte, treten die einheimischen Instrumente Banjo und Hammered Dulcimer, das amerikanische Hackbrett, außerdem Violine, Violoncello und Flöte. Und dennoch geht das Ganze auf, weil Apollo's Fire einfach mitreißend musiziert und das alte Material dem modernen Hörer schmackhaft zu machen versteht. Paul Shipper, der Bassist des Ensembles, singt das Spiritual „Hold on“, das von Sklaven geschaffen wurde.
„6) Anonym (Kentucky spiritual/Slg. Cecil Sharp), Hold on“
Man merkt der CD „Come to the River“ an, dass sie nicht durch theoretisches Studium, sondern durch persönliche Erfahrungen inspiriert wurde. Die tiefe Frömmigkeit der „Shape note“-Hymnen, die Ensembleleiterin Jeannette Sorrell und ihr Ensemble zu vermitteln wissen, hat sie selbst in einer kleinen Baptistengemeinde kennengelernt. Dank der CD können wir uns ein wenig in die amerikanische Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts hineinfühlen, die das kollektive Bewusstsein der (ländlichen) USA bis heute prägt!
„7) Anonym (The Sacred Harp, 1844), Return again/Savior, visit thy Plantation“
Mit dem Ensemble Apollo's Fire und einem Lied aus der Sammlung „The Sacred Harp“ von 1844 ging die Sendung „Die Neue Platte“ im Deutschlandfunk zu Ende, in der Sie heute zwei Neuaufnahmen mit Alter Musik aus den USA kennenlernen konnten.
Come to the River — An Early American Gathering
Apollo's Fire — The Cleveland Baroque Orchestra;
Leitung: Jeannette Sorrell
Avie 2205
Rose of Sharon — 100 Years of American Music
Ensemble Phoenix Munich
Leitung: Joel Frederiksen
HMC 902085