Diese Ausstellung von vornherein nur unter dem Blockbuster-Verdacht zu sehen, wird ihr nicht gerecht. Mit beliebten Preziosen wollen die Staatlichen Museen natürlich trotzdem ein Massenpublikum anlocken. Aber rund zwei Drittel der gezeigten Werke stammen dabei aus dem eigenen Besitz, und anders als die einst publikumsheischenden Schauen des MoMA und des Metropolitan Museums in Berlin verweist der kuratorische Ansatz diesmal direkt auf die Sammlungsgeschichte der Berliner Nationalgalerie. Angefangen bei Hugo von Tschudi und seiner sehr frühen Sammlung der Impressionisten, dann der Fortsetzung der Sammlungstätigkeit mit den Expressionisten, ebenfalls sehr früh, unter Ludwig Justi und ihrer Vereinigung im Kronprinzenpalais in verschiedenen Etagen, das so ja der Legende nach zum Vorbild des MoMA in New York geworden sein soll.
Es macht Sinn, jene Sammlungsbestände, oder was nach dem Dritten Reich noch von ihnen übrig geblieben ist, nun zusammenzuführen und sogar in eine dynamische Beziehung zu setzen. Wie erhellend und plausibel das gelingen kann, zeigt sich zum Beispiel an einem eher kleinen Format von Max Slevogt aus dem Jahr 1913, das aus erhöhter Sicht einen Ausschnitt der Straße Unter den Linden zeigt. Das Bild hängt unmittelbar neben einer vergleichbaren, von oben beobachteten Straßenszene aus Paris von Camille Pissarro, die elf Jahre zuvor entstanden ist. Pissarro zeigt den Pont Neuf und seine Umgebung als flirrende Lichterscheinung in blassen, knochenfarbenen Tönen mit der Menschenmenge und architektonischen Details als porös zittrigen, akribisch komponierten Farbpunkten. Aber im Vergleich mit Slevogts Berliner Szene wirkt Pissarros Ansicht statisch. Bäume, Fahnen, die Menge auf der Straße zerfließen bei Slevogt als breite Pinselspuren, als sei die Farbe noch feucht und der Malgrund selbst unter Schwingungen gesetzt.
Kaum deutlicher als in diesem Bilderpaar könnte sich der Übergang zwischen der ungestörten Naivität impressionistischer Stadtlandschaft und dem Umkippen des Bildes zu einem aufgewühlten expressiven Malprozess der inneren Unruhe manifestieren. Solche frohen Momente der Entdeckung gibt es in dieser Ausstellung, und sie allein rechtfertigen dieses bisher in einem großen Museum noch nicht gesehene, kuratorische Experiment, beide Malereiauffassungen so unmittelbar miteinander zu konfrontieren.
Aber fatalerweise überwiegen die Klischees, mit denen sich die Ausstellung völlig unnötig herumschlagen zu müssen glaubt. Das beginnt schon bei der Wahl des Titels, der anzudeuten scheint, es gebe eben "den" Impressionismus und "den" Expressionismus. In der Hängung setzt sich diese unzulässige Vereinfachung als ein banales Vorher-Nachher-Schema fort, das zwar ein wenig nach Bildthemen geordnet wurde, ansonsten aber eine gewisse akademische Gefühllosigkeit für den Stoff erkennen lässt. Eine Szene am Potsdamer Platz von Hans Herrmann 1894 kann so gar nicht anders, als in der Konfrontation mit Kirchners zackigem Potsdamer Platz von 1914 wie ein traurig-verzuckerter Nachzügler des Biedermeier zu wirken. Erich Heckels "Schlafender Pechstein" allein spielt mit seinen durchdringenden Rottönen sämtliche filigranen, blassfarbigen impressionistischen Bildnisse in seiner Umgebung buchstäblich an die Wand. Van Gogh, Munch, Cézanne, Corinth, mithin die eigentlich zentralen Figuren der sogenannten Kunstwende, passen schon gar nicht in dieses Schema.
Zugespitzt werden die Klischees auch noch durch das Abheben auf den Impressionismus als französischen Nationalstil, dem der "deutsche" Expressionismus gegenüberstehe. Braucht es dazu wirklich eine Ausstellung, um sich zu vergewissern, dass diese nationalen Zuschreibungen von modernen Stilen eine idiotische Sackgasse sind? Oder ist das sogar ein Vorwand für die Deutsch-Französische Schirmherrschaft dieser Ausstellung - Kunst-Chauvinismus im Namen der europäischen Einheit?
Das alles ist besonders ärgerlich, weil dadurch das eigentlich Spannende an diesem Ausstellungsexperiment verschenkt wird: Impressionismus und Expressionismus als frühmoderne Formen künstlerischer Erforschung menschlicher Wahrnehmung zu verstehen - eben nicht nur als Stile oder Weltanschauungen. Dann hätte die sicher massenhaft erscheinenden Besucher vielleicht sogar einen Erkenntnisgewinn darüber erhoffen können, was sie denn heute eigentlich noch außer schöner Farben an diesen historischen Positionen interessiert.